Teo Yang, ein international bekannter Designer, strebt nach der zeitgenössischen Interpretation des traditionellen Erbes, wobei er großes Interesse am regionalen Kunsthandwerk zeigt. Im Interview erzählt er über die koreanische Kunsthandwerksszene der Gegenwart und welche Rolle ihre Produkte im Alltag spielen.

Die Sektion 2 der Craft Trend Fair 2022 präsentierte Werke, die durch individuelle Bemühungen entstanden, was im digitalen Zeitalter mehr denn je geschätzt wird.
Mit freundlicher Genehmigung von Teo Yang Studio

Die Ausstellung Craft of Cure and Comfort fand anlässlich des zwanzigjährigen Jubiläums der YÉOL Korean Heritage Preservation Society im September 2022 im traditionellen Seouler Viertel Bukchon statt. Designer Teo Yang war Planer und Leiter der Ausstellung.
Mit freundlicher Genehmigung von YÉOL

Wie im Westen wurde das Kunsthandwerk auch in Korea im Zeitalter der Moderne in das Gebiet der schönen Künste aufgenommen. So wurden aus Alltagsgegenständen vielmehr Objekte der Kunstbetrachtung und aus Handwerksmeistern Künstler.

Anders als in bildender Kunst und Design liegt die Essenz des Kunsthandwerks jedoch nach wie vor in der geschickten Verarbeitung von Material zu einer gewünschten Form. Heutzutage ist es durch Streben nach Ästhetik oder Versuchen von rein gestalterischen Anordnungen vielfältiger geworden. Auch gehört das Mischen verschiedener Materialen oder das Überschreiten von Genre-Grenzen zum Merkmal des modernen Kunsthandwerks.

Eine der wichtigsten Veranstaltungen zu diesem Thema in Korea ist die jährlich stattfindende Craft Trend Fair, eine Messe, die die Korea Craft & Design Foundation seit 2006 abhält, um den künstlerischen und industriellen Wert des Kunsthandwerks zu erweitern. Das Thema für 2022 lautete „Today’s Questions, Craft Answers“. Teo Yang, künstlerischer Leiter der Veranstaltung, wollte ein Forum für Künstler schaffen, das soziale Probleme wie zunehmend standardisiertes Leben, Werteverlust aufgrund von Digitalisierung und Umweltzerstörung behandelt.

Yang ist bekannt für hochkarätige Projekte wie das Design der Silla History Gallery des Gyeongju National Museums, für die Dauerausstellungshalle des National Hangeul Museum oder für das Umbauprojekt der Kukje Gallery. Er ist in dem Buch By Design: The World’s Best Contemporary Interior Designers (2021, Phaidon Press) als einer der 100 besten und kreativsten Innenarchitekten aufgeführt und wurde 2022 als erster Koreaner unter die 100 besten Designer der Zeitschrift Architectural Digest (AD100) gewählt. Yang sieht im Kunsthandwerk der Vergangenheit zukunftsgerichtete Lösungen für aktuelle soziale Themen wie Nachhaltigkeit und Diversität.

In der Sektion 1 der Craft Trend Fair 2022 wurden Werke von Künstlern ausgestellt, die sich der Weiterentwicklung traditioneller Ästhetik und Techniken verschrieben haben.
Mit freundlicher Genehmigung von Teo Yang Studio

Was sind aktuelle Trends in der Kunsthandwerk-Szene??

Teo Yang, CEO von Teo Yang Studio, posiert im Showroom der Möbelmarke Eastern Edition in Cheongdam-dong, Seoul, die er 2021 gegründet hat. Er schafft zeitloses Design, indem er koreanische Ästhetik dem zeitgenössischen Lebensstil angemessen neu interpretiert.
Mit freundlicher Genehmigung von Teo Yang Studio

Es herrscht so viel Diversität vor, dass Trends schwer auszumachen sind. Meiner Meinung nach ist das auch gut so. Denn das Bestreben, mitzuhalten und zum Mainstream zu gehören, kann sich als Stolperstein erweisen.

In gewisser Weise ist das Kunsthandwerk frei von Trends. Diejenigen, die es leid sind, Trends hinterherzujagen, empfängt es mit offenen Armen und schafft eine Gemeinschaft für Menschen, denen es auf Authentizität ankommt. Es ist für diejenigen da, die der Wettbewerbsgesellschaft entfliehen und sich auf die Suche nach den eigenen Bedürfnissen machen wollen.

Welche gesellschaftliche Rolle spielt das Kunsthandwerk?
Vielen ist gar nicht bewusst, wie Produkte aus dem Alltag überhaupt entstehen. Sie wissen nicht, woraus sie gemacht sind und wer sie hergestellt hat, oder wie man dazu kommt, sie zu verwenden. Nach Gebrauch wirft man sie weg, ohne sich Gedanken zu machen, ob sie recycelt oder entsorgt werden. Aber beim Kunsthandwerk ist der gesamte Herstellungsprozess nachvollziehbar, was zum Nachdenken über Nachhaltigkeit einlädt.

Löst das Kunsthandwerk unsere Gesellschaftsprobleme?
Das Kunsthandwerk löst nicht alle Probleme, aber es stößt gesellschaftlichen Diskurse an, was enorm wichtig ist. Design ist für mich wie ein Scheinwerfer, der die Gesellschaft kritisch beleuchtet und versucht, vernünftige Antworten zu liefern.

Nach einem kürzlichen Kyoto-Aufenthalt, wurde mir erneut die Gefahr bewusst, wenn Historie ignoriert und sich nur auf die Zukunft konzentriert wird. Kyoto verbindet Geschichte mit Gegenwart. Neues wird gut in die Zeitachse integriert und steht sozusagen auf einer soliden Grundlage. Design sollte aus solch einer historischen Sicht betrachtet werden.

Das Gleiche gilt für Kunsthandwerk. Entscheidend ist die Weitergabe an die nächste Generation. Ob es Probleme löst? Natürlich. Es hängt nur davon ab, inwieweit sich die breite Öffentlichkeit des Kunsthandwerks annimmt.

Was bedeutet für Sie die „koreanische Schönheit“?
„Koreanische Schönheit“ ist für mich das Traditionelle. So viel ist in Vergessenheit geraten oder ist nicht richtig bekannt. Ich möchte den Wert des Traditionellen wieder ins Gedächtnis rufen, auch wenn es viel Zeit kosten wird. Vom Traditionellen geht eine gewisse Schönheit aus, die positive Einflüsse ausübt. Geschichte und Tradition inspirieren uns, eine bessere Zukunft zu schaffen.

Wohin steuert das Kunsthandwerk in Korea?
Die Aussichten sehen gut aus. Unsere Vorfahren haben uns hervorragende Techniken vererbt, die von vielen jungen Kunsthandwerkern weiter gepflegt werden. Ich habe öfters Gelegenheit, mit Kunsthandwerkern zu arbeiten, die großen Stolz mit ihrem Schaffen verbinden. Wenn wir uns des Kunsthandwerks mit offenem Herzen annehmen, wird dies eine wertvolle Bereicherung für unseren Alltag bringen.

Wie kann die Annahme des Kunsthandwerks gelingen?
Es gibt eine gewisse Distanz gegenüber dem Kunsthandwerk. Ein Grund dafür ist der Preis. Dabei sind Handarbeiten oft günstiger, als man denkt, und unterscheiden sich preislich kaum von herkömmlichen Produkten. Man traut sich nur nicht, genauer nachzufragen. Dabei würde man erstaunt sein, um wie viel höher ihr tatsächlicher Wert ist. Denn je länger man sie verwendet, desto schöner werden sie.

Bitte erläutern Sie das Thema der Craft Trend Fair 2022.
Kunsthandwerk darf sich nicht auf ein temporäres Event beschränken. Man sollte sich z. B. nicht mit dem Gewinn des Loewe Foundation Craft Prize zufriedengeben. Internationale Anerkennung ist toll, aber wichtiger ist es, sich der Notwendigkeit von Handwerkserzeugnissen im Alltag bewusst zu werden. Die Freude an Auszeichnungen kann sonst schnell verfliegen. Schwerpunkt der letzten Craft Trend Fair war deshalb das Handwerk im Leben moderner Menschen.

Welche Kunsthandwerker stachen besonders heraus?

Collect. Werke des Keramikkünstlers Kim Deok-ho und seiner Frau Lee In-hwa auf der Ausstellung The Mind Pond, die von Juni bis Juli 2022 in der Lkate Gallery in Seongbuk-dong, Seoul, stattfand. Teo Yang ist davon fasziniert, wie sich das Duo von traditionellen Elementen inspirieren lässt.
© Kim Deok-ho, Lee In-hwa

Für die letzte Messe hatten sich so viele Teilnehmer beworben, dass man zwei Auswahldurchgänge einrichten musste. Es war sehr herausfordernd. Manche denken vielleicht: „Schon wieder diese Person?“ Aber auch das Kunsthandwerk braucht Stars. Und wir sollten sie so gut es geht fördern. Denn so wird das Interesse bei den Menschen geweckt. Kunsthandwerker wie Kim Deok-ho und Lee In-hwa z. B. verdienen mehr Bekanntheit. Ihre Werke sind nicht von dieser Welt. Wobei ich den Wert anderer Werke natürlich nicht schmälern möchte.

Welches Projekt bleibt besonders in Erinnerung?
Ich habe mit Kim Deok-ho und Lee In-hwa auf der letzten Craft Trend Fair und auch für das Café Blue Bottle in Myeong-dong zusammengearbeitet. Sie haben Türschild und Logo aus Keramik entworfen. Ich werde auch in Zukunft mit Kunsthandwerkern zusammenarbeiten. Demnächst werden auch schon Produkte aus Kooperationen auf den Markt kommen.

Für mich als Designer ist es ein wichtiges Anliegen, mehr Kunsthandwerker bekannt zu machen und ihnen bei der Erweiterung ihrer Arbeitswelt behilflich zu sein. Deshalb war mir das Blue Bottle-Projekt ein besonderes Vergnügen.