Fünf Paläste aus der Joseon-Zeit, alle nur einen Fußweg voneinander entfernt, befinden sich in Seoul. Angefangen mit dem Gyeongbok-gung kann ein jeder von ihnen auf eine bewegte Vergangenheit zurückblicken, an der sich die Geschichte des gesamten Reiches ablesen lässt.
Die Thronhalle Injeong-jeon, das Hauptgebäude des Palastes Changdeok-gung, diente der Abhaltung von Krönungszeremonien oder anderen Staatsakten. Von außen wirkt das Bauwerk zweistöckig, doch bei einem Gang ins Innere wird einem gewahr, dass man in einem einzigen großen Raum mit einer prächtigen, hohen Decke steht. Der Hof vor der Halle ist von einem langen Korridor umgeben.
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Jongmyo ist der konfuzianische Ahnenschrein, in dem sich die Ahnentafeln der Könige und Königinnen von Joseon befinden. 1995 wurde er zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt. Das langgestreckte Gebäude weist eine einfache Struktur auf und ist frei von Verzierungen oder farbenfrohen dekorativen Gemälden, wodurch die andächtig-pietätvolle Atmosphäre betont wird.
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Paläste in Ostasien teilen aufgrund ihrer Bauweise viele Gemeinsamkeiten. Dennoch sind je nach Epoche und Region auch distinktive Merkmale erkennbar. So prägte jede Herrscher-Dynastie auf der koreanischen Halbinsel auf besondere Weise die Gestaltung ihrer Machtzentren, was auch für die Paläste der rund 500 Jahre währenden Joseon-Zeit gilt.
In diesem Zusammenhang kommt häufig die Frage auf, warum es so viele Paläste in Seoul gibt. Die Antwort scheint simpel, sagt aber einiges über historische Entwicklungen aus. Die Anzahl von Palästen in Seoul begründet sich in der überaus langen Geschichte Joseons unter einem Herrscherhaus. Bedingt durch große Ereignisse wie Erbfolgestreitigkeiten, Überfälle fremder Mächte und Kriege war es kaum möglich, nur mit einem Palast auszukommen.
Aufstieg und Niedergang
In der Thronhalle Geunjeong-jeon im Palast Gyeongbok-gung kann der aufwendig dekorierte Königsthron bewundert werden, der auf einem hohen Podium stehend Würde und Autorität des Königs repräsentiert. Im Hintergrund ein Paravent mit dem Bild Ilwol-obong-do aus Sonne, Mond und fünf Berggipfeln, die den König symbolisieren.
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Die heute noch erhaltenen Joseon-Paläste weisen unterschiedliche Bauzeiten auf. Die des Gyeongbok-gung ging mit der Reichsgründung einher, nicht einmal zehn Jahre später folgte der Changdeok-gung, und der Changgyeong-gung entstand Ende des 15. Jhs. Der Palast Gyeonghui-gung wurde im frühen 17. Jh. errichtet und die eigentliche Nutzung des Deoksu-gung begann gegen Ende des 19. Jhs. Darüber hinaus gab es noch viele Neben-Paläste.
In Joseon existierten meist zwei oder drei Paläste gleichzeitig. Zu Beginn waren dies der Gyeongbok-gung, Changdeok-gung und Changgyeong-gung. Nach ihrer Zerstörung während der japanischen Imjinwaeran-Invasion (1592 – 1598) stellte man nur die letzten beiden wieder her und erbaute zusätzlich den Gyeonghui-gung. Mit der Renovierung des Gyeongbok-gung in der zweiten Hälfte des 19. Jhs. verlor dieser seine Palastfunktion, wobei auch der Gyeongbok-gung wenig später durch den Deoksu-gung abgelöst wurde.
Mehrere Paläste zu haben ist von Vorteil, da so besser auf Brände und Epidemien reagiert werden kann. Nach einer wechselhaften Geschichte bestehen heute alle fünf Joseon-Paläste in ihrem kulturellen Erbe nebeneinander fort. Die alten Paläste Gyeongbok-gung, Changdeok-gung und Changgyeong-gung befinden sich im Zentrum von Seoul, nördlich der Straße Jongno und dem Bach Cheonggyecheon. Unweit davon, aber im Westen und Südwesten des Baches, lassen sich der Gyeonghui-gung und Deoksu-gung finden.
Der erste Joseon-Palast
Gangnyeong-jeon war die Residenz des Königs im Gyeongbok-Palast. Zwischen der Großen Holzdiele und der korridorartigen Holzveranda sind Türen angebracht, die nach oben geklappt an der Decke befestigt werden können.
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Der Gyeongbok-gung wurde 1395, drei Jahre nach der Gründung Joseons, fertiggestellt. Der Gründerkönig Taejo (reg. 1392 – 1398) machte Hanyang (Seoul) zur Hauptstadt und ließ neben dem Palast auch den königlichen Ahnenschrein Jongmyo und den Altar Sajik errichten. Die Mauer rund um Hanyang vollendete schließlich das Aussehen eines konfuzianischen Staates.
Der Gyeongbok-gung wurde auf einem relativ flachen Gelände mit Nord-Süd-Ausdehnung gebaut. Die Achse, die sich vom Haupttor Gwanghwa-mun im Süden über die Hallen Geunjeong-jeon, Gangnyeong-jeon und Gyotae-jeon hinweg bis zum Garten Amisan und dem Pavillon Hyangwonjeong in nördliche Richtung erstreckt, bildet eine architektonische Anordnung nach ostasiatischem Standard. Die gedachte Linie verläuft weiter durch die Stadt nach Süden an Regierungsgebäuden vorbei bis zum Tor Sungnye-mun und nach Norden bis zu den eindrucksvollen Berggipfeln des Bugak-san.
Der Gyeongbok-gung wurde als Hauptpalast der Joseon-Zeit gebaut und war Schauplatz staatlicher Zeremonien, weshalb er unter König Sejong (reg. 1418 – 1450) entsprechend neugestaltet wurde. Jedoch fiel er während der Imjinwaeran-Zeit dem Feuer zum Opfer und wurde für die nächsten drei Jahrhunderte nicht wiederaufgebaut. Der Gyeongbok-gung existierte lediglich dem Namen nach, bis ihn sich Gojong (reg. 1863 – 1907) nach einer Renovierungszeit von 1865 bis 1867 wieder zu Nutzen machte.
Nach einem von ausländischen Mächten initiierten Mordanschlag an der Königin Myeongseong 1895 gab man den Palast auf und während der japanischen Besatzungszeit (1910 – 1945) wurde er so stark beschädigt, dass die Renovierungsarbeiten bis heute andauern.
Der langlebigste Palast
Der Changdeok-gung entstand 1405 als Neben-Palast. Zwar gab es schon den Gyeongbok-gung, aber es wird angenommen, dass König Taejong (reg. 1400 – 1418) ihm abgeneigt war, da er der Schauplatz der Thronfolgestreitigkeiten zwischen ihm und seinen Brüdern gewesen war, oder weil sein von ihm zum Rücktritt gezwungener Vater Taejo noch am Leben war. Mit dem Changdeok-gung begann jedenfalls die Zeit der Nutzung von mehreren Palästen.
Dem Changdeok-gung steht wenig Platz zur Verfügung, da er im Norden von einem Berg und im Süden durch das Stadtgebiet begrenzt wird. Außerdem verhinderte der stark geneigte Baugrund eine ähnliche Ordnung wie beim Gyeongbok-gung. Das Innere des Palastes erreicht man nach Passieren des Haupttors Donhwa-mun somit erst nach einigem Abbiegen. Gebäude und Innenhöfe fielen kleiner aus als im Gyeongbok-gung, dennoch ließen sich aufgrund des Platzmangels nicht viele bauen. Zum Ausgleich erschuf man einen groß angelegten Garten auf dem Hügel nördlich des Palastes, der als Meisterwerk königlicher Gartenbaukunst gilt.
Der Changdeok-gung hatte, kurz unterbrochen durch die Imjinwaeran-Invasion, am längsten Bestand und beherbergte die meisten Könige. In der späten Joseon-Zeit ersetzte er den Gyeongbok-gung als königlichen Hauptpalast bis zum Ende der Reichsgeschichte. Man schätzt seine unvergleichliche Architektur und Landschaftsgestaltung, die die Merkmale der Joseon-Paläste besonders gut zum Ausdruck bringen. 1997 wurde er zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt.
Höhen und Tiefen
Myeongjeong-jeon, die Thronhalle des Palastes Changgyeong-gung, ist kleiner als die der Paläste Gyeongbok-gung und Changdeok-gung, steht ihnen jedoch architektonisch gesehen in nichts nach. Unter den drei Hallen, die allesamt mehrmals niederbrannten und wieder aufgebaut wurden, besitzt Myeongjeong-jeon die längste Geschichte.
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Der Changgyeong-gung wurde 1483 von König Seongjong (reg. 1469 – 1494) fertiggestellt. Er hatte gleich für drei ehemalige Königinnen zu sorgen, aber seine Residenz Changdeok-gung bot zu wenig Platz. So beherbergte der zentrale Bereich des neu gebauten Changgyeong-gung Schlafkammern für die Königinnen. Aber auch Arbeitsräume für den König sowie Räumlichkeiten für Kronprinzen wurden eingerichtet, so dass die Anlage die Form und Funktion eines eigenständigen Palasts besaß. König Jeongjo (reg. 1776 – 1800), der auf tragische Weise seinen Vater, Kronprinz Sado, verloren hatte, bewohnte ihn ebenfalls, und ließ gegenüber des Palastes zum Andenken des Vaters einen Schrein errichten.
Unterhalb des Changgyeong-gung befindet sich der konfuzianische Schrein Jongmyo mit den Ahnentafeln der Herrscher und deren Gemahlinnen. Das Haupttor des Palastes ist daher anders als bei anderen Palästen nach Osten gerichtet. Im Westen bildet ein Hügel eine natürliche Grenze zum Changdeok-gung. Dennoch gibt es eine Verbindung, so dass die beiden Paläste wie ein Palast genutzt wurden und aufgrund ihrer Lage östlich vom Gyeongbok-gung zusammengenommen Donggwol (Ost-Palast) genannt wurden. Im Changgyeong-gung weisen die meisten Gebäude nach Süden und nur einige wenige nach Osten. Insgesamt befinden sich die Räumlichkeiten für politische Zwecke auf der Ostseite und die Wohnbereiche auf der Westseite des Geländes, was eine vergleichsweise ungewöhnliche Anordnung darstellt.
Während der japanischen Kolonialzeit musste der Changgyeong-gung einem Zoo und einem botanischen Garten weichen. Der Zoo wurde mittlerweile verlegt, ein gläsernes Gewächshaus existiert jedoch noch immer. Wie der Changdeok-gung und Changgyeong-gung einmal ausgesehen haben, zeigt das Gemälde Donggwoldo (Bild des Ost-Palastes). Dieses kolorierte perspektivische Bild ist fast sechs Meter breit und besticht durch seine Detailtreue. Den Gyeonghui-gung hingegen, von dem heute nur wenig erhalten ist, kann man im Seogwoldoan (Zeichnung des West-Palastes) bewundern. Von den jeweiligen historischen Besonderheiten der Joseon-Paläste kann man sich heute aber auch bei einem persönlichen Besuch ein Bild machen.