Im Juli 2022 wurde Hanbok Saenghwal in die Liste des Nationalen Immateriellen Kulturerbes aufgenommen. „Hanbok Saenghwal“, eine Zusammensetzung aus „Hanbok“ (traditionelle koreanische Tracht), und „Saenghwal“ (Lebensstil), bezieht sich auf eine ganze Bandbreite gesellschaftlicher Bräuche und Gepflogenheiten, die mit der traditionellen Landestracht in Zusammenhang stehen.
Ein Dangui, wie ihn die Frauen des Joseon-Reichs über ihrem Jeogori trugen. Bei ihren Palastbesuchen hatten die adligen Frauen der strengen Hofetikette entsprechend den Dangui zu tragen. Im Hof selbst war der Dangui Alltagskleidung. Stoffe und Farben variierten zwar je nach Jahreszeit, am häufigsten wurden jedoch grüne oder gelbgrüne Dangui getragen. Je höher der Status einer Frau, desto prachtvoller die Muster und Verzierungen auf ihrer Kleidung.
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Die meisten Länder bzw. Völker haben traditionelle Trachten, die ihre jeweiligen geographischen oder geschichtlichen Besonderheiten sowie Religion und Werte widerspiegeln. Repräsentative Beispiele sind der japanische Kimono, der chinesische Qipao oder Hanfu, der mongolische Deel, das vietnamesische Áo dài und der indische Sari.
Korea hat den Hanbok. Wie bei traditionellen Kleidungsstücken und Kleidungskultur anderer Länder der Fall, so hat auch der Hanbok im Laufe der Zeit in Bezug auf Form, Herstellung und Verbreitung viele Veränderungen erfahren. Was einst als Alltagskleidung galt, wird heutzutage nur noch zu speziellen Anlässen getragen. Dennoch ist der Alltag der Koreaner auch heute noch von der unverwechselbaren kulturellen Identität geprägt, die vom Hanbok Saenghwal, der Tradition des Hanbok-Tragens, herrührt.
Von der Wiege bis zur Bahre
Die Geschichte des Hanbok dürfte etwa 2.000 Jahre zurückreichen. In den 1.500 Jahre alten Wandgemälden aus den Königsgräbern von Goguryeo (37 v. Chr.-668 n. Chr.) oder den Tonfiguren der Silla-Zeit (57 v. Chr.-935 n. Chr.) finden sich Spuren des Hanbok. Die Grundform soll sich während der Zeit der Drei Königreiche (57. v. Chr.-668 n. Chr.) befestigt haben. In der darauf folgenden Zeit des Vereinigten Silla-Reichs (676-935), des Goryeo-Reichs (918-1392) und des Joseon-Reichs (1392-1910) sowie der daran anschließenden japanischen Kolonialherrschaft (1910-1945) veränderte sich der Hanbok auf verschiedene Weise. Während der mittleren und späten Joseon-Zeit kam der Archetyp des traditionellen Hanbok, wie wir ihn heute kennen, auf. Der Begriff „Hanbok“, eine Zusammensetzung aus „Han“ (koreanisch) und „Bok“ (Kleidung), soll ursprünglich verwendet worden sein, um den einheimischen Hanbok von der im späten 19. Jh. eingeführten Kleidung westlichen Stils, dem „Yangbok“ (Yang: Westen), zu unterscheiden. Es ist jedoch unbekannt, wer diese Bezeichnung erstmals verwendete und seit wann sie gebräuchlich ist.
Beim Hanbok unterscheiden sich Art und Form nicht nur nach Geschlecht, Alter und Jahreszeit, sondern auch nach Anlass. So besteht der Alltags-Hanbok für Männer aus Baji (Hose) und Jeogori (Oberteil), für Frauen aus Chima(Rock) und Jeogori (boleroartiges Oberteil). Je nach Ort und Anlass kann er mit einer Außenrobe kombiniert werden. Unabhängig von Typ oder Stil zeichnet sich der Hanbok durch die Harmonie von geraden und geschwungenen Linien sowie prächtigen und eleganten Farben aus, die sich zu einem insgesamt anmutig wirkenden Erscheinungsbild vereinen. Eine weitere Besonderheit ist, dass die Kleidungsstücke nicht eng anliegen, was die Körperlinien kaschiert.
Obwohl der Hanbok seit Anbruch der Moderne immer weniger getragen wird, weist nach wie vor vieles darauf hin, dass er immer noch fester Bestandteil der kulturellen Identität der Koreaner ist. Anlässlich entscheidender und wichtiger Momente in ihrem Leben, angefangen bei der Geburt über Hochzeiten bis hin zu Beerdigungen, tragen die Koreaner nach wie vor Hanbok. Auch an den traditionellen koreanischen Feiertagen wie dem Lunar-Neujahrsfest Seollal oder dem Erntedankfest Chuseok tragen sie die traditionelle Kleidung, um Zeremonien abzuhalten oder Volksspiele zu spielen.
Das erste Kleidungsstück, das ein Neugeborenes trägt, heißt Baenaet Jeogori. Es ist ein aus Baumwolle gefertigtes Oberteil das zwecks Schonung der zarten Babyhaut kaum Nähte aufweist. Den ersten Geburtstag eines Kindes (Dol) feiern die Koreaner mit einer großen Zeremonie, bei der das Kind in die Dolbok genannte traditionelle Tracht gekleidet ist. Sie ist mit Schriftzeichen und Mustern verziert, die Abwehr böser Geister symbolisieren und für den Wunsch nach Gesundheit und Langlebigkeit stehen.
Auch bei Hochzeiten darf der Hanbok nicht fehlen. Zwar tragen die meisten Bräute und Bräutigame heutzutage Hochzeitskleider und Anzüge westlichen Stils, aber es ist nach wie vor üblich, dass die Eltern und auch manche Verwandte und Gäste Hanbok tragen, um Zeremoniell und Etikette gerecht zu werden bzw. Höflichkeit zu bezeugen. Paare, die sich für eine traditionelle Hochzeitsfeier entscheiden, tragen selbstverständlich Hanbok.
Wenn Koreaner sterben, wird der Leichnam in das traditionelle Totenhemd Suui gekleidet. Heutzutage sind die Suui Fertigware, aber in der Vergangenheit wurden sie von den Frauen des Trauerhaushalts per Hand genäht. Eine Besonderheit dieser Totenhemden ist, dass die Fäden beim Nähen nicht verknotet werden. Dahinter steht der alte Glaube, dass Knoten die Seele des Verstorbenen daran hindern, mit den Nachkommen zu kommunizieren. Suui werden manchmal schon zu Lebzeiten hergestellt, weil man glaubte, dass dies ein gesundes und langes Leben garantiere. Auch bei den Ahnenverehrungszeremonien wird Hanbok getragen.
Tonfiguren, die 1986 bei der Ausgrabung eines alten Grabes (spätes 7. bis frühes 8. Jh.) in Yonggang-dong, Gyeongju, Provinz Gyeongsangbuk-do, gefunden wurden. Die realistische Darstellung von Haartracht und Gewändern gibt Einblick in die Aufmachung der Zeit.
© Cultural Heritage Administration
Hanbok heute
Früher besorgten die Koreaner vor wichtigen Feiertagen Stoffe und fertigten daraus zu Hause neue Hanbok an. Die an speziellen Tagen getragenen Hanbok haben unterschiedliche Namen: Seolbim heißt der an Seollal, dem ersten Tag des Jahres nach Mondkalender getragene Hanbok; Danobim der Hanbok für den Dano-Tag, der auf den fünften Tag des fünften Mondmonats fällt, und Chuseokbim der Hanbok für das Chuseok-Erntedankfest, das am 15. August nach Mondkalender gefeiert wird. Wie daran ersichtlich wird, ist der Hanbok über bloße Festtagskleidung hinaus ein wichtiges Element, das den sehnlichen Wunsch nach Frieden und Wohlergehen der Familiengemeinschaft vermittelt.
Seit dem Einzug der Moderne hat das Hanbok-Tragen einen deutlichen Rückgang erlebt. Heute ist er aus dem Alltag verschwunden und wird nur noch zu besonderen Anlässen getragen. Darüber hinaus wird er kaum noch zu Hause genäht. Man kauft ihn direkt von der Stange bzw. lässt ihn maßschneidern. Auch das Design hat sich in Anpassung an Zeit und Trends gewandelt. Waren früher bestimmte Farben und Muster an sozialen Status, Geschlecht und Alter gebunden, so ist heute nur noch der individuelle Geschmack ausschlaggebend. Auch bieten viele Hanbok-Marken modernisierte, an den heutigen Lebensstil angepasste Varianten an, die praktischer zu tragen sind.
Das Interesse an Bewahrung und Weitergabe der Hanbok-Tradition bleibt jedoch unverändert. Insbesondere die jüngere Generation betrachtet das Hanbok-Tragen als Stilmittel zum Ausdruck von Individualität und Geschmack bzw. als interessante Erfahrung oder eine Art Spiel. In den Gassen der alten Seouler Viertel wie Insa-dong oder Bukchon sind immer wieder junge Leute und auch ausländische Touristen im Hanbok zu sehen, den sie meist in einem der vielen auf Hanbok-Verleih spezialisierten Geschäfte ausleihen. Darüber hinaus präsentieren Modedesigner Kreationen, die die Kernmerkmale des Hanbok aus moderner Perspektive neu interpretieren.
Spaziergang am Neujahrstag in Seoul (1921), ein Holzschnitt der britischen Künstlerin Elizabeth Keith. Er zeigt eine in „Seolbim“ gekleidete Frau mit ihren beiden Kindern bei einem Ausflug. Nach ihrem ersten Koreabesuch im Jahr 1919 kehrte Keith mehrmals zurück, um in ihren Holzschnitten Bräuche und Alltagsleben der Koreaner einzufangen.
© National Folk Museum of Korea
Weitere Entwicklung
Prominente, die einen großen Einfluss auf junge Menschen haben, ziehen mit Auftritten im Hanbok die Aufmerksamkeit auf sich. So sorgten weltberühmte K-Pop-Gruppen wie BTS und Blackpink für eine Sensation, als sie bei Konzerten und in Musikvideos modifizierte Hanbok trugen. Dies weckte bei K-Pop-Fans in aller Welt großes Interesse und machte den Hanbok auf globaler Ebene bekannter. K-Dramen spielen diesbezüglich ebenfalls eine große Rolle. Inzwischen interessieren sich auch die ausländischen Medien verstärkt für den Hanbok und die koreanische Kultur. In einem Artikel vom April 2022 beleuchtete die New York Times die Veränderungen des Hanbok anhand der Apple TV+ Serie Pachinko. Der Artikel begann mit der Feststellung: „Die Entwicklung des koreanischen Hanbok gibt Einblick in die Geschichte des Landes“. Anschließend stellte man Geschichte und Varianten des Hanbok vor und kommentierte, dass der Hanbok „ebenso schön wie funktionell“ sei. Von diesem Kleidungsstück, das im Laufe seiner langen Geschichte zum Spiegel verschiedener Stile wurde, „lassen sich auch heute noch zeitgenössische Designer inspirieren“, hieß es weiter.
Die koreanische Regierung setzt sich durch verschiedene Politiken dafür ein, die Tradition des Hanbok-Tragens zu erhalten und weiterzupflegen. 1996 erklärte das Ministerium für Kultur, Sport und Tourismus den 21. Oktober zum „Hanbok-Tag“. Seitdem bietet es jedes Jahr verschiedene Veranstaltungen an, um das Interesse der Öffentlichkeit am Hanbok zu wecken, einen Eindruck von seiner Vortrefflichkeit zu vermitteln und seinen industriellen sowie kulturellen Wert weiter bekannt zu machen. Auch die Gebietskörperschaften haben sich dieser Bewegung angeschlossen und locken mit Anreizen wie z. B. kostenlosen Zugang zu berühmten Sehenswürdigkeiten, um das Tragen des Hanbok zu fördern.
Es ist unvermeidlich, dass die Kultur an sich, die alle Aspekte der Lebensweise der Menschen umfasst, dem Wandel der Zeit und des Umfelds unterliegt. Das gilt auch für die Tradition des Hanbok-Tragens. So wie sich der Hanbok im Laufe der Geschichte auf vielfältige Weise verändert hat, so erfährt er heutzutage wieder einen Wandel und wird sich auch in Zukunft weiterentwickeln.
Junge, in moderne Hanbok gekleidete Frauen erkunden das Hanok-Dorf in Jeonju. In der Nähe der Königspaläste in der Seouler Innenstadt und in traditionellen Dörfern in den Provinzen finden sich viele Läden, die mit Blick auf den Geschmack junger Leute neu gestylte Hanbok ausleihen.
© Korea Tourism Organization
Doh Jae-keeJournalist, Tageszeitung Kyunghyang Shinmun