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2022 WINTER

Andong, der Geist Koreas

Alte Häuser und Resorts, alte Läden und hippe Restaurants, eine Holzbrücke und hochmoderne Boote – in jeder Ecke der Stadt entdeckt man ein Gemisch aus Vergangenheit und Gegenwart, das allerdings harmonisch erscheint. Spaziert man, verführt von der vertrauten und zugleich fremden Landschaft, durch die Stadt, erreicht man das Dorf Hahoe mit seinen alten Häusern und den Seowon (Bildungseinrichtungen der Joseon-Zeit). Folgt man dort den Fußstapfen der Vorfahren, wird einem bewusst, warum Andong „Hauptstadt der Geisteskultur“ des Landes genannt wird.

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Am Eingang des Dorfes Hahoe habe ich ein Banner mit folgender Aufschrift entdeckt: „Wir werden den Tag, an dem Königin Elisabeth II. im Jahr 1999 Andong besuchte, nie vergessen.“ Mir war, als würde ich eine Zeitreise machen. Bei ihrem Koreabesuch auf Einladung von Präsident Kim Dae-jung (1924-2009) hatte sich die Königin gewünscht, „die koreanischsten Seiten von Korea zu sehen“. Die Antwort darauf war „Andong“.

Königin Elisabeth II., die an ihrem 73. Geburtstag in Andong ankam, besuchte in Begleitung des koreanischen Schauspielers Ryu Si-won das alte Haus Damyeonjae. Dort erwartete sie ein traditionelles koreanisches Geburtstagsmahl aus Andong Guksi (Andong-Nudeln), Pyeonyuk (gekochtes, Pressfleisch), Jjim (gedünstete Gerichte), Tang (Suppe mit reichlich Einlagen) und Andong Soju (traditioneller Reisschnaps aus Andong). Dass das Damyeonjae das Geburtshaus von Ryu Si-won ist und dieser ein Nachfahre der 13. Generation von Ryu Seong-ryong (1542-1607), dem berühmten Gelehrten und Hofbeamten der mittleren Joseon-Zeit, habe ich damals durch die Medien erfahren.

Die Königin, die einen blauen Hut trug, sah sich die Maskentanz-Aufführung Hahoe Byeolsingut Talnori sowie die Herstellung von Gochujang (Chilipaste) und Kimchi an. Als sie das Chunghyodang (Haus der Loyalität und kindlichen Pietät), das Stammhaus des Ryu-Familienclans von Pungsan, besuchte, zog sie zur Überraschung aller ihre Schuhe aus, um die koreanische Etikette zu respektieren. Und als sie im Tempel Bongjeong-sa auf den Steinhaufen vor der Halle Geungnakjeon (Halle der höchsten Glückseligkeit), die gegen Ende der Goryeo-Zeit (918-1392) errichtet wurde und als ältestes noch erhaltenes Holzgebäude in Korea gilt, einen Stein legte, hielten alle besorgt den Atem an und hofften, dass die Steine nicht ins Rutschen kommen würden. Man erklärte der Königin, dass sie beim Auflegen eines Steins einen Wunsch äußern und um Segen dafür bitten dürfe. Was sie sich damals wohl gewünscht haben mag?


Konfuzianisches Erbe
Um Andong zu verstehen, muss man sich bewusst sein, dass das Element, das das Joseon-Reich während seiner 500-jährigen Geschichte prägte, der Konfuzianismus war. Mit der Annahme des Konfuzianismus als zentrale Staatsideologie verbanden sich unzählige soziale Regeln und Umgangsformen die als „typisch koreanisch“ bezeichnet werden können. Zu nennen sind z. B. die männerzentrierte „patriarchalische Kultur“ und die Altershierarchie, die durch Ehrerbietung gegenüber den Älteren zum Ausdruck gebracht wird.

Andong ist der Geburtsort von Yi Hwang (1502-1571) und Ryu Seong-ryong (1542-1607), den großen Gelehrten der Yeongnam-Schule (eine philosophische Schule des Neokonfuzianismus, die sich während der Joseon-Zeit in der Region Yeongnam entwickelte), und zugleich eine Stadt, die die Urform des koreanischen Konfuzianismus bewahrt. In Andong findet sich auch die größte Konzentration von UNESCO-Welterbestätten in Korea. Die Stadt gilt als Quintessenz des koreanischen Geistes, was auch die anfangs erwähnte „Andong-Route“ von Königin Elisabeth belegt. Und das Dorf Hahoe war als Startpunkt der Andong-Reise die richtige Antwort.

Ein Foto von Königin Elizabeth II. bei ihrem Besuch in Andong im Jahr 1999. An ihrem 73. Geburtstag in der Stadt angekommen, ließ sie sich zu einem traditionellen koreanischen Geburtstagsessen nieder, erkundete das Dorf Hahoe sowie den Tempel Bongjeong-sa und wohnte einer Aufführung des Hahoe Byeolsingut Talnori bei.
© ANDONG-CITY

Gosanjeong, ein von Geum Nan-su (1530-1599), einem Gelehrten des Joseon-Reiches und Schülers von Yi Hwang gebauter Pavillon. Dieser wunderschön in seine natürliche Umgebung eingebettete Bau ist ein Paradebeispiel für einen Joseon-Pavillon.

Essenz des koreanischen Geistes
Hahoe, das als Wichtiges Folkloristisches Kulturgut Nr.122 bestimmt wurde, ist ein volkstümliches Dorf, in dem sich zwei Nationalschätze, vier Schätze und elf Folkloristische Kulturgüter befinden. Der Name bedeutet „Dorf, das von Wasser umflossen ist“ und erklärt sich dadurch, dass Hahoe vom Fluss Hwa-cheon, dem Oberlauf des Flusses Nakdong-gang, S-förmig umschlungen wird. Das Dorf, das an das Taegeuk-Motiv der koreanischen Nationalflagge oder eine auf dem Wasser schwimmende Lotusblühte erinnert, gilt seit alten Zeiten nach der traditionellen Geomantiklehre Pungsujiri als verheißungsvoller Ort.

Die alten koreanischen Dörfer ähneln einander mehr oder weniger stark, aber Andong wirkt besonders reizvoll, da es nicht nur ein riesiges Freiluftmuseum ist, in dem die Zeit stehengeblieben zu sein scheint, sondern auch ein Ort, in dem bis heute Menschen leben. Folgt man den Wegweisern zu den alten Häusern wie dem Hwagyeongdang (Haus der Harmomie und des Respekts) oder dem Yangjindang (Haus der Kultivierung der Wahrheit), sieht man Milch-Kühltaschen an den Haustüren hängen und Felder, auf denen Rettich und Salat in ordentlichen Reihen angepflanzt sind.

Nicht weit entfernt von Hahoe liegt Byeongsan Seowon, die bereits erwähnte, Ryu Seong-ryong gewidmete neokonfuzianische Bildungseinrichtung. Seowon waren private Bildungseinrichtungen. Um es für die junge Generation, die mit Konfuzius oder Menzius wenig vertraut sein dürfte, anschaulicher zu erklären: Die Seowon waren quasi die besten privaten Lerninstitute mit erstklassigen Star-Lehrern.

Neben dem Byeongsan Seowon, einem wissenschaftlichem Zentrum der Schüler von Ryu Seong-ryong, gibt es noch das Dosan Seowon, wo sich die Schüler von Yi Hwang, einer ebenfalls bedeutenden Figur der Yeongnam-Schule, dem Studium des Neokonfuzianismus widmeten.

Das Byeongsan Seowon gilt als Höhepunkt der koreanischen Seowon-Architektur. Der Mandaeru, ein offener, erhöht liegender, verandaartiger Raum mit Holzboden am Eingang, bietet einen herrlichen Blick auf den gemächlich fließenden Fluss Nakdong-gang und die ihn wie ein Paravent umgebenden Berge.

Größenmäßig gesehen übertrifft das Dosan Seowon das Byeongsan Seowon um ein Mehrfaches. Eine Besonderheit des Dosan Seowon ist, dass sich in dieser Anlage sowohl die Seodang (Schule), in der Yi Hwang unterrichtet hatte, als auch das Seowon, das die Schüler von Yi nach seinem Tod errichteten, um die wissenschaftlichen Leistungen und die Tugend ihres Lehrers zu ehren, befinden. Betritt man das Dosan Seowon durch das Haupttor, ist als erstes das Nongunjeongsa, das Wohnheim der Schüler von Yi, zu sehen. Steigt man vom Eingang weiter geradeaus die Treppen hinauf, gelangt man zum Hauptgebäude Jeongyodang, wo einst die Gelehrten und Schüler für Vorlesungen oder Versammlungen zusammenkamen. Heute kann sich der Besucher hier hinsetzen und die friedliche Landschaft von Andong genießen.

Wer genügend Zeit hat, dem ist zu empfehlen, auf der Website des Dosan Seowon Seonbi Culture Center das Programm zum Erleben der Seonbi-Kultur zu buchen. Es ist ein beliebtes zweitägiges Kursprogramm, bei dem die Teilnehmer die traditionelle Kleidung der jungen konfuzianischen Gelehrten der Joseon-Zeit tragen, das Seowon erkunden, das Toegye-Jongtaek (Stammfamilienhaus des Clans von Yi Hwang) und das Yi Yuk-sa Literaturmuseum besuchen, um anschließend im sanften Mondlicht einen Spaziergang auf dem Toegye-Meditationsweg zu machen.



Byeongsan Seowon, eine konfuzianische Akademie, die 1572 zu Ehren von Ryu Seong-ryong erbaut wurde, gilt als Inbegriff der konfuzianischen Architektur Koreas. 2019 wurde sie in Anerkennung ihrer architektonischen Schönheit und Harmonie mit der spektakulären umgebenden Landschaft zusammen mit acht weiteren Akademien in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes aufgenommen.

Das am Eingang des Dorfes Hahoe gelegene Hahoe Maskenmuseum wurde 1995 eröffnet. Es beherbergt 250 koreanische Masken, darunter auch welche für den Hahoe Byeolsingut Talnori, den im Dorf tradierten Maskentanz, sowie eine Sammlung von 250 Masken aus aller Welt.

Stadt der Gaumenfreuden
Ich selbst besuche auf meinen Reisen immer einen Markt in der Gegend des Zielortes. Denn die Atmosphäre eines Marktes gibt Aufschluss über die Vitalität der Stadt. In Andong gibt es mehrere große Märkte, darunter auch den Gusijang (Altmarkt), der für seine Gourmetgassen wie die Galbi-Gasse und die Jjimdak-Gasse sowie für die alteingesessene Bäckerei Mammoth Confectionery bekannt ist.

Für Feinschmecker ist Andong ein „Pilgerort“ für traditionelles Essen, dessen man selbst nach mehrtägigem Aufenthalt nicht satt wird. Ich persönlich mag Andong Guksi. Die Nudeln sind dünner als bei normaler Kalguksu (mit dem Messer geschnittene Nudeln in Brühe) und schwimmen daher leicht auf der Suppe. Der einzige Nachteil bei diesem Gericht ist, dass man mehr als ratsam essen kann, da die Nudeln quasi die Speiseröhre hinunterrinnen. Doch dieser Gaumenfreude ist nur schwer zu widerstehen. Gukbap (Reis in heißer Suppenbrühe) ist ein Gericht, mit hohem Stellenwert in der koreanischen Esskultur. Die Andong-Gukbap-Version, zubereitet mit Rettich der Saison und koreanischem Rindfleisch, ist bekannt für ihren großartigen Geschmack, weshalb sie sich unabhängig von Geschlecht und Alter großer Beliebtheit erfreut.

Da es in Andong viele Stammfamilien (Jongga) gibt, waren und sind Ahnengedenkrituale (Jesa) häufig, was zu dem Brauch führte, mit den Resten der Jesa-Tafel Goldongban (Reis mit diversen Gemüsen und Fleisch, gemischt mit Chilipaste), heute bekannt als Bibimbap, zuzubereiten. Auch an Tagen, an denen kein Jesa stattfindet, wird Bibimbap aus Zutaten, die wie Jesa-Speisen vorbereitet werden, gegessen. Dieses Gericht wird als Heotjesatbap bezeichnet, was soviel wie „Pseudo-Jesa-Essen“ bedeutet.

Eins der unter Touristen bekanntesten Gerichte ist Andong Jjimdak (Schmorhähnchen á la Andong). Der Altmarkt Gusijang ist auch für seine Jjimdak-Gasse bekannt, die ursprünglich eine Hähnchen-Gasse war. Als in den 1980er Jahren Franchise-Restaurants für frittierte Hähnchen in einem Mantel aus süß-scharfer Soße populär wurden und die Hähnchen-Gasse in Existenznöte geriet, entwickelten die Ladenbesitzer als Selbstrettungsmaßnahme ein Schmorhähnchengericht mit scharf-salziger Sojasoße, glänzenden Glasnudeln und verschiedenen Gemüsen: Andong Jjimdak. Das Gericht löste landesweit eine „Andong Jjimdak Welle“ aus. Gesalzene Makrele, eine weitere Spezialität von Andong, ist das Resultat der angehäuften Weisheit der Vorfahren, um Fische zu konservieren und bis ins weit vom Meer liegende Inland zu transportieren, ohne dass sie verderben.

In Gusijang, dem alten Marktviertel im Zentrum von Andong, gibt es eine Gasse mit über 30 Restaurants, die den Originalgeschmack von Andong jjimdak, eins der authentischen Gerichte der Stadt, servieren.

Es gibt zwar eine Reihe von lokalen Spezialitäten, die man leicht über mehrere Tage genießen kann, doch es locken auch völlig neue Kreationen von jungen Köchen, darunter z. B. Andong Makrele Pasta oder Salzmakrelen-Burger, die die Gaumenfreude aufs Höchste steigern. Der Charme von Gusijang ist, dass Altes und Neues ohne Stillstand auf verschiedenste Art und Weise ineinanderfließen.

Nach einer herzhaften Mahlzeit empfiehlt sich ein Spaziergang über die nahe gelegene Brücke Woryeonggyo. Diese Brücke erzählt die Geschichte der Mutter von Won, die genauso ans Herz rührt wie das sich in der Finsternis auf der Flussoberfläche sanft zerstreuende Licht. Neben der in modernen Zeiten gebauten Brücke wurde nämlich ein Brief entdeckt, den Wons Mutter, die während der Joseon-Zeit (1392-1910) lebte, an ihren verstorbenen Mann schrieb. Die Zeilen zeugen von Leid, Sehnsucht und Gram der Witwe gegenüber ihrem Mann, der diese Welt verließ, bevor ihr Kind Won geboren wurde.

Besucht man Andong zusammen mit Freund oder Freundin, empfiehlt sich eine Fahrt mit dem Moon Boat, um die Brücke Woryeonggyo und das sich dort bietende Panorama zu genießen. In der Gegend um die Bücke finden sich Unterkünfte verschiedenster Art wie neu errichtete Hotels und Hanok Resorts, aber auch Themenparks wie Zootopium oder Confucian Land, die eine andere Atmosphäre als das ruhige Viertel der Stadt mit seinem Charme alter Hanok-Häuser bieten.

Der Pavillon auf der Woryeonggyo, der längsten Holzbrücke Koreas, bietet einen wunderbaren Blick auf den Andong-Staudamm. Auf dem Wasser entspannen sich Touristen auf den als „Moon Boats“ bekannten, farbenfrohen traditionellen Segelbooten.

Zusammenspiel von Tradition und Moderne
Vor Kurzem habe ich Las Vegas besucht. Es war, als würde mir dort Aufstieg und Fall einer einst glamourösen Stadt vor Augen geführt. Die Vulkan Show und die Springbrunnen Show, die sich in nichts von denen der Vergangenheit unterschieden, wirkten wie der einsame Rücken eines erschöpften Mannes mittleren Alters und auch das Caesars Palace Hotel und das Bellagio Hotel, einst Inbegriffe der Pracht, erschienen ausgelaugt. Las Vegas wimmelte zwar nach wie vor von Touristen, erschien jedoch rasch gealtert, was mir das frische Gesicht von Andong erneut bewusst machte.

Vor rund 20 Jahren, als ich das Dorf Hahoe zum ersten Mal besuchte, gab es meiner Erinnerung nach noch keine touristischen Einrichtungen wie Eintrittskartenschalter oder einen Shuttlebus zwischen Schalter und Dorfeingang. Inzwischen ist das Dorf jedoch völlig touristenfreundlich umgestaltet, sodass „Dynamic Korea“, der Slogan der Korea Tourism Organization, im wahrsten Sinne des Wortes nachvollziehbar ist. Insbesondere das Hahoe Mask Museum vor dem Dorfeingang wirkt wie eine appetitanregende Vorspeise. Dekoriert mit den für ihre lachenden Gesichter bekannten Hahoe Masken (Nationalschatz Nr. 121), die den Koreanern wohlvertraut sind, sowie verschiedenen volkstümlichen Masken aus aller Welt, zieht es das Interesse der Besucher auf sich.

Während ich mich in Andong umsah, dachte ich, dass gerade dies ein Merkmal Koreas ist: immer in Bewegung sein und nie stehen bleiben, nach neuen Geschichten suchen und Verbesserungsvorschläge finden. Es ist die Dynamik, die die alten Läden und modischen Restaurants, die sich entlang der historischen Straßen harmonisch aneinander reihen, ausstrahlen, die Dynamik, mit der die alten, mit dem Bau des Andong-Staudamms vom Versinken bedrohten Hanok-Hotels verlegt und als moderne Hanok-Hotels wiederbelebt wurden. Dass Korea ein Ort ist, der keinen Schlaf kennt, kann je nach Kontext unterschiedlich interpretiert werden. Ich persönlich glaube, dass damit die Kraft gemeint ist, die dieses kleine, friedliche Land in Ostasien zur zehntgrößten Volkswirtschaft der Welt aufsteigen ließ. In diesem Sinne ist Andong eine Stadt, in der die Tradition immer noch lebendig ist.

 



Baek Young-okSchriftstellerin
Fotos Lee Min-hee

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