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2023 AUTUMN

TRADITIONELLE MÄRKTE: NEUES IM ALTEN

Der Markt als Inspiration

Die Bilder der Künstlerin Choi Eun-sook sind bekannt für die Darstellung traditioneller Märkte als Räume der alltäglichen Gegenwart, die collagenartig von Figuren der Gegenwart und Vergangenheit bevölkert sind. Ihr gelingt die Schaffung einer ganz eigenen Utopie, losgelöst von Ort und Zeit; und mittels Besonderheiten traditioneller koreanischer Malkunst. Bei einem Treffen in der BGN Gallery in Sincheon-dong, Seoul, geht sie näher auf ihre Arbeit ein.
1난 그들과 함께 있었다,장지위에 혼합채색,130X388cm,2012.jpg

Ich war bei ihnen. 2012. Mischfarben auf Papier. 130 × 388 cm.

Choi Eun-sooks Kunst kombiniert Tusche und Acrylfarbe, also östliche und westliche Grundmaterialien, um auf Basis traditioneller Maltechniken unter Hinzufügung moderner Elemente Genrebilder zu schaffen. Das beherrschende Thema ihrer Werke sind traditionelle Märkte – Orte, die für sie voller Kindheitserinnerungen sind. Die Markt-Szenen von heute koexistieren dabei mit Figuren aus Genrebildern der Joseon-Zeit (1392 – 1910) und führen den Betrachter in geheimnisvolle, aber friedliche virtuelle Zufluchtswelten.

Wie kam es zum Studium Traditioneller Malerei?

Während meines Designstudiums lernte ich zufällig auch das Material der traditionellen Malerei, die Tusche, kennen und war von ihr bezaubert. Ich begriff, wie man durch Kontrolle der Wassermenge auf andere Weise als bei westlichen Aquarellen für Farbabstufungen und Tiefe sorgen kann. Ich wechselte zum Studium der Traditionellen Malerei und machte anschließend den Master- und PhD-Abschluss an der Graduate School der Hongik Universität. Bei meiner Arbeit kombiniere ich gerne Tusche mit Acrylfarben. Ich liebe diese unglaublichen Farbverläufe, die entstehen, wenn wasserlösliches Material auf Wasser trifft.

Wie entstand Ihr Interesse für traditionelle Märkte?

Meine Mutter schickte mich als kleines Kind öfters für Besorgungen dorthin. Was meine Freunde lästig fanden, war für mich ein Vergnügen, denn auf dem traditionellen Markt gab es so viel zu sehen. Alleine die entlang der Marktgassen aufgereihten Sonnenschirme ließen mein Herz schneller schlagen, und die bunten Früchte in den Körben waren eine echte Augenweide. Meine Mutter hatte es bestimmt eilig, wenn sie mich Tofu holen ließ, aber der Markt übte eine solche Faszination auf mich aus, dass ich immer vergaß, schnell nach Hause zurückzukehren.

Bei Ihren Werken fühlt man sich in die Kindheit zurückversetzt.
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Ein beliebtes Thema in Choi Eun-sooks Werken sind traditionelle Märkte, die für sie voller Kindheitserinnerungen sind. Sie schafft ihr eigenes Utopia, das collagenartig die verschiedensten Zeiten und Räume koexistieren lässt.
© Heo Dong-wuk

Das war auch meine Intention. Es rührt mich geradezu, wenn Menschen beim Betrachten meiner Werke ähnlich empfinden, wie ich während meiner Kindheit. Falls je einer nach einer Definition des so schwer erklärbaren Wortes „Jeong“ fragt, würde ich einfach den Besuch eines traditionellen Marktes empfehlen. Hier herrscht eine Ursprünglichkeit vor, die das den Koreanern eigene Konzept zwischenmenschlicher Gefühle in seiner gesamten Komplexität erfahrbar macht.

  In den Werken der Koexistenz-Reihe haben Sie Figuren aus Genrebildern der Joseon-Zeit neben moderne Menschen eingesetzt. Was war Ihre Absicht?

Einmal während des Studiums erlebte ich bei dem Besuch des Namdaemun Marktes eine optische Täuschung, als sich urplötzlich Figuren aus alten Genrebildern in die Marktszenerie mischten. Da kam mir der Gedanke, dieses Erlebnis auch künstlerisch umzusetzen. Und diese Arbeit dauert bis heute an. Da der Eindruck entstehen sollte, als wäre die Zeit stehen geblieben, sind bei manchen Bildern die Figuren aus der Vergangenheit farbig und die aus der Gegenwart schwarzweiß dargestellt. Ich wollte Zeit und Raum transzendierende Gestalten schaffen, was auch die alle meine Werke durchziehende Grundthematik ist. Die Figuren der Vergangenheit hole ich oft aus den Genregemälden der berühmten Joseon-Maler Shin Yun-bok (1758 – ?) und Kim Hong-do (1745 – ?).

 Können Sie uns den Arbeitsprozess näher schildern?

Zuerst besuche ich den Markt, den ich malen möchte und mache Fotos. Diese werden dann nachbearbeitet und indem ich dem Bild hier und da Figuren aus alten Genrebildern hinzufüge, versuche ich eine Geschichte zu erzählen. Wenn die Handlung steht, wird das Bild auf ein großes und dickes Hanji-Blatt (Hanji: traditionelles koreanisches Maulbeer-Papier) gepinselt und koloriert. Davor behandele ich das Papier aber mit einer Mischung aus in Wasser aufgelösten Leim und Alaun, damit die Tusche nicht willkürlich verläuft.

 Welches Material wurde bei den Gemälden mit der schimmernden Oberfläche verwendet?

Es handelt sich um Steinmehl aus gemahlenem Kristall. Wenn man die Mischung von diesem Pulver und in Wasser gelöstem Leim aufträgt, wird auf dem Papier eine glänzende Wirkung erzeugt. Derartig natürliche Pigmente sind häufig in der Ostasiatischen Malerei zu finden.

 Beruhen die Märkte auf Ihren Bildern alle auf real existierenden?
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Landschaft der Gedanken. 2020. Mischfarben auf Papier. 53 × 45 cm.

Ja. Jedoch entsprechen sie nicht exakt der Realität. Das Gemälde Landschaft der Gedanken zeigt z. B. einen Ausschnitt von einem Markt in Hongkong, aber die Löwenstatue über dem Obstladen stammt ursprünglich von dem MGM-Hotel in Macau. Die Basis meiner Arbeit ist die Realität, aber auf ihr ordne ich eine Mischung verschiedener Zeit- und Ortselemente neu an.

 Da sind auch Bilder, bei denen verschieden dickes Papier aufeinandergeschichtet wurde, wodurch der Hintergrund teilweise Unschärfen aufweist.
4어느 가을날 그들과 함께30X120cm장지위에 혼합채색2011.jpg

Ein Herbsttag mit ihnen. 2011. Mischfarben auf Papier. 30 × 120 cm.

Dies sollte für eine mysteriöse Atmosphäre sorgen. Dafür male ich auf große und dicke Hanji-Blätter die Hintergrundlandschaft von traditionellen Genrebildern und lege dünne bzw. transparente Hanji-Blätter mit Bildern gegenwärtiger Landschaften darüber. Erstaunlicherweise erkannten einige der Ausstellungsbesucher trotzdem die Ursprungsorte der Gemälde wieder, obwohl ich sie ja eigentlich manipuliert hatte. Einem genügte sogar der Anblick von auf dem Boden liegender Kamelien, um auszurufen: „Das ist ja der Markt in Gurye in der Provinz Jeollanam-do!“

 Wahrscheinlich hat niemand so oft traditionelle Märkte besucht wie Sie, oder?
5공존의 시간들 130x162cm 장지위에 혼합채색 2011 -.jpg

Zeiten der Koexistenz. 2011. Mischfarben auf Papier. 130 × 162 cm.

In den letzten zehn Jahren bin ich viel herumgereist und habe Märkte besucht. Doch in Korea gibt es so viele von ihnen, dass ich noch längst nicht alle gesehen habe. Jeder von ihnen rühmt sich besonderer Spezialitäten, angefangen von Chilis bis hin zu einheimischem Rindfleisch, und präsentiert sich je nach Jahreszeit von einer immer neuen Seite. Dem Besucher wird also stets ein neuer Eindruck vermittelt. Es ist traurig, mitanzusehen, wie traditionelle Märkte im Verschwinden begriffen sind oder ihre ursprüngliche Gestalt verlieren. Daher ist es mir ein Anliegen, möglichst viele Werke zu hinterlassen, die sich ihnen widmen.

 Was sind Ihre Pläne für die Zukunft?

Vor kurzem habe ich neue Werke veröffentlicht, die zum Glück auf positive Resonanz gestoßen sind. Ich versuche meinen Bildern im Kopf künstlerischen Ausdruck zu verleihen, indem ich inner- und außerhalb von quadratischen Würfeln Lebewesen und Landschaften anordne. Zwar fehlt der Marktbezug, aber nach wie vor geht es bei mir um die Ergründung der koreanischen Seele.

Kang Bo-raFreiberufliche Schriftstellerin

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