Heute, drei Jahrzehnte nachdem er mit Taekwondo begann, ist Anton Scholz ein gefragter Koreaexperte, der sich als Journalist, Geschäftsmann und TV-Berühmtheit aus Gwangju einen Namen gemacht hat.
Mit 16 klopfte Anton Scholz an die Tür eines Taekwondo-Studios. Man mag es Schicksal nennen oder eine durch sein Asieninteresse motivierte Handlung. Er sagte, es war sein Karma. Heute, 32 Jahre später, ist Scholz einer der bekanntesten Korea-Experten Deutschlands.
„Schon in meiner Jugend habe ich mich sehr für die Östliche Welt interessiert, für ihre Philosophie, Religion und Kultur“, sagte er in Erinnerung an seine Teenagerjahre in Hamburg. „Mein Taekwondo-Meister, Sim Bu-yeong, hat seinen Schülern nicht nur Kampftechniken beigebracht, sondern auch, wie man nach dem Do strebt, also dem Weg der geistigen Kultivierung.“
Das Taekwondo-Training weckte sein Interesse am Buddhismus. 1994, sechs Jahre nach dem folgenreichen Klopfen an der Tür des Taekwondo-Studios, erhielt Scholz von einem buddhistischen Mönch aus Korea, der Deutschland besuchte, einen Rat. Er folgte diesem Rat und reiste zum ersten Mal nach Korea. „Eigentlich wollte ich nach einem Jahr oder so wieder zurück, aber jetzt habe ich schon fast die Hälfte meines Leben hier verbracht“, erzählte er.
Während der ersten Jahre seines Aufenthaltes lernte er Koreanisch an der Seoul Nationaluniversität und beschäftigte sich eingehend mit Ostasienstudien, insbesondere mit Themen wie Meditation, den Acht Trigrammen der Weissagung („Bagua“ auf Chinesisch, „Palgwae“ auf Koreanisch) aus dem altchinesischen I Ching (Buch der Wandlungen) und der taoistischen Gedankenwelt von Lao-Tse. Danach kehrte er nach Deutschland zurück, um an der Universität Hamburg zu studieren, einer der wenigen deutschen Hochschulen, die zu der Zeit Koreanistik als Studienfach anboten. Im ersten Jahr war er der einzige, der im Hauptfach Koreanistik studierte. Im Studiengang „Ostasien“ waren Japanologie und Sinologie beliebter.
Nach seiner Rückkehr nach Korea arbeitete Anton Scholz abwechselnd bzw. gleichzeitig als Berater, Journalist und Universitätslektor. Ein Großteil seiner Arbeit besteht darin, Ausländern bei Geschäftsunternehmungen in Korea zu unterstützen und Koreaner in Bezug auf Deutschland zu beraten.
Anton Scholz vor seinem Haus, das er vor drei Jahren in Jangdeok-dong, Gwangju, baute. Scholz, der von 2003 bis 2011 an der Chosun University unterrichtete, ließ sich zu der Zeit mit seiner Familie in Gwangju nieder.
Kulturelle Brücke
Scholz gründete eine One-Stop-Service-Agentur, die ausländischen Unternehmen bei Niederlassung und Aufnahme von Geschäftsaktivitäten in Korea behilflich ist. Seine Agentur hat auch internationalen Teilnehmern der Yeosu Expo 2012, der Leichtathletik-WM 2011 in Daegu und der FIFA Fußball-Weltmeisterschaft Korea/Japan 2002 zur Seite gestanden. Scholz eröffnete zudem ein Medienunternehmen, das sich um Dolmetsch- und Übersetzungsdienstleistungen sowie Unterbringung und Transport für ausländische Journalisten kümmerte.
Von 2003 bis 2011 unterrichtete Scholz an der Chosun University Deutsch und Interkulturelle Kommunikation. Während dieser Zeit ließ er sich mit seiner Familie in der im Südwesten Koreas gelegenen Stadt Gwangju, wo die Universität ihren Sitz hat, nieder.Scholz, der auch als offizieller Producer für die öffentliche Rundfunkanstalt ARD arbeitete, ist derzeit als freier Journalist tätig. Er tritt regelmäßig als Podiumsdiskutant in Fernsehdebatten und Talkshows auf und verfasst Meinungskolumnen für Zeitungen. Auf seiner Visitenkarte steht „Ehrenamtlicher Repräsentant der Freien Hansestadt Hamburg“.
„Mein Glück liegt in der Arbeit. Ich bedauere oft, dass ein Tag nur 24 Stunden hat“, meinte Scholz. Die Verbindung dieses Mannes, der sich selbst als „Workaholic“ bezeichnet, mit Korea, einem Land, das für seine langen Arbeitszeiten bekannt ist, war wohl vom Schicksal bestimmt. Wenn die innerkoreanischen Beziehungen weltweites Interesse auf sich ziehen und internationale TV-Nachrichtenteams ihn um Hilfe bitten, hat er alle Hände voll zu tun.
Die Zusammenarbeit mit ausländischen Fernsehteams bietet Scholz eine weitere Chance, als inoffizieller Botschafter zu agieren, so z.B. 2002, als Korea und Japan die Fußball-WM gemeinsam ausrichteten. Damals bemerkten Teammitglieder gewisser Rundfunk- und Fernsehsender, dass sie Japan bevorzugen würden, und klagten darüber, dass die Koreaner sich oft nicht an Vereinbarungen hielten und ihr Verhalten zu wünschen übrig ließe. „Ich machte ihnen verständlich, dass dieser Eindruck auf einem Missverständnis beruhe“, sagte Scholz. „An den Wochenenden habe ich ihnen dann historische Stätten gezeigt und die koreanische Kultur erklärt. Nach der WM meinten meine deutschen Freunde, dass ihnen Korea jetzt besser gefalle.“
Scholz, der freiberuflich als Journalist und Berater tätig ist, am Computer in seinem Arbeitszimmer. Als bekannter Koreaexperte agiert er als inoffizieller Botschafter des Landes.
Offene Kritik
Scholz zögerte nicht, sein Gastland zu kritisieren, insbesondere die Medien und das Bildungssystem. Er äußerte Bedenken in Bezug auf die Nachrichtenberichterstattung, bei der bestimmte Reporter bestimmten Regierungsbehörden oder Chaebeol (auch „Jaebeol“. Familienkonglomerate) fest zugeteilt werden. Seine Kritik läuft darauf hinaus, dass „die Medien den Quellen zu nahe stehen und Außenseitern gegenüber zu verschlossen sind“.
Ein weiterer Problempunkt sei der Wahrheitsgehalt von Presseberichten. Scholz verwies auf die Berichterstattung über die 550 jemenitischen Flüchtlinge, die 2018 auf der Insel Jeju-do ankamen. Das Asylgesuch der Flüchtlinge löste Kontroversen in der koreanischen Gesellschaft aus und entfachte Debatten darüber, ob die Regierung ihnen legalen Flüchtlingsstatus zuerkennen solle. „Die Gegner verbreiteten Falschnachrichten, um eine ablehnende Stimmung in Bezug auf die Flüchtlinge zu verbreiten“, sagte Scholz. „Selbst einige etablierte Medien brachten diese Storys ohne vorherigen Faktencheck auf ihren Social-Media-Seiten. Später stellten sich nicht wenige dieser Geschichten als falsch heraus.“
Die Diskussion über die Integrität der Nachrichtenmedien führte natürlich zu Jürgen Hinzpeter (1937-2016). Der deutsche Fernsehjournalist hatte die brutale Niederschlagung des Gwangju-Aufstands für Demokratie durch Regierungstruppen im Mai 1980 gefilmt. Seinem Mut ist es zu verdanken, dass die Welt über die Lage in der südkoreanischen Stadt, die vom Rest des Landes durch die Verhängung des Kriegsrechts isoliert worden war, erfuhr. „Ich habe Respekt vor Hinzpeter. Er war ein großer Journalist“, sagte Scholz. „Ich glaube, auch heute gibt es noch viele Reporter, die ihr Leben für berichtenswerte Themen riskieren.“
Scholz arbeitete an einem Dokumentarfilm über Hinzpeter mit. Er hatte auch eine kleine Rolle in dem Film A Taxi Driver (2017), der die Geschichte von Kim Man-seop erzählt. Der Filmcharakter basiert auf dem mittlerweile verstorbenen Taxifahrer Kim Sa-bok, der Hinzpeter bei seiner Berichterstattung über Gwangju zur Seite stand.
Anton Scholz (zweiter von links) bei der Teilnahme an der Sektion „Wirtschaftskrieg: Was ist zu gewinnen?” des im Juni 2019 im Hotel Shilla Seoul veranstalteten 10. EDAILY Strategy Forum.
© EDAILY
Anton Scholz bei einem Auftritt in der KBS-Talkshow Journalism Talk Show J in der Diskussionsrunde zum Thema „Ex-Präsident Roh Moo-hyun und Medienreform”. Scholz, allgemein anerkannt wegen seiner scharfsinnigen Analysen und offenen Bemerkungen, ist häufig zu Gast in TV-Sendungen über aktuelle Themen. Foto aus Journalism Talk Show J
Ratschläge für die Wiedervereinigung
Zum Thema der Wiedervereinigung Deutschlands übergehend betonte Scholz, dass West- und Ostdeutschland nachdrücklich auf die Wiedervereinigung hingearbeitet hätten, wobei ihnen eine gute Portion Glück und perfektes Timing zur Hilfe kamen. „Ich glaube, dass Süd- und Nordkorea es ebenfalls schaffen können, auch wenn die Situation auf der koreanischen Halbinsel, die von Großmächten mit unterschiedlichen Interessen umgeben ist, komplizierter sein dürfte.“
Eine Wiedervereinigung der beiden Koreas dürfte schwer in absehbarer Zeit zu erreichen sein. Scholz verwies dennoch darauf, dass die beiden Koreas sich wie China und Hongkong auf das Prinzip „ein Land, zwei Systeme“ oder andere Wiedervereinigungsszenarien einigen könnten. Die deutsche Lösung sollte nicht die einzige Option sein, betonte er.
In diesem Zusammenhang äußerte er sein Bedauern über die Neigung der Koreaner, kritische Ratschläge einfach abzutun. „Viele Koreaner sagen: ‚Sie können unsere Situation nicht verstehen‘. In Wirklichkeit verstehen viele Ausländer die koreanische Situation durchaus gut, doch die Koreaner scheinen recht unwillig, unterschiedliche Meinungen und Lösungsvorschläge anzunehmen“, sagte Scholz.
Bezüglich des koreanischen Bildungssystems findet Scholz, dass der Fokus falsch gesetzt wird: „Mir scheint, dass in Sachen Bildung statt Qualität eher Quantität betont wird, sodass den Schülern nicht genügend Raum für Kreativität bleibt.“ „Abgesehen vom Friedensnobelpreis ging bislang kein anderer Nobelpreis an Korea. Dafür gibt es einen Grund: Die Kinder müssen mehr spielen und weniger pauken. Lernen sollte also stärker auf echtes Lernen fokussiert sein und nicht auf reines Auswendiglernen für eine Prüfung.“
Nach Jahrzehnten in Korea genießt Scholz seine zweite Heimat, ist aber auch offen für neue Herausforderungen, die sich ergeben, neue Türen, an die er klopfen könnte. „Die Zukunft wird es zeigen“, meinte er.