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2022 AUTUMN

Von der Wall Street in die Gassen von Seoul

Als der Amerikaner Mark Tetto vor zwölf Jahren für Fusions- und Übernahmegeschäfte nach Korea kam, hätte er sich nie vorstellen können, dass ein Hanok-Haus sein Leben verändern würde.

Der Einzug in ein Hanok weckte Mark Tettos Interesse an koreanischer Kunst und Kultur. Durch seine Interviews mit KünstlerInnen lernt er ständig mehr über die koreanischen Vorstellungen von Schönheit.

In den Augen der Koreaner mag Mark Tetto als voll und ganz erfolgreicher New Yorker erscheinen. Nach dem Bachelor-Abschluss an der Princeton University machte er seinen MBA-Abschluss an der Wharton Business School und arbeitete im Investment-Banking bei Morgan Stanley an der Wall Street. Daher wird man sich fragen, warum er dieses Leben und seine Wohnung in Manhattan gegen eine neue Laufbahn in Korea und ein traditionelles koreanisches Hanok-Haus, das in Seoul am Ende einer steil ansteigenden Gasse liegt, eintauschte.

2010 kam Tetto als frisch rekrutierter Mitarbeiter für ein neu organisiertes globales Fusions- und Übernahmeteam bei Samsung Electronics in Korea an. „Ich dachte, es würde eine Art Abenteuer werden. Ich war davor schon mal in Korea und mochte Kultur und Küche, was schon mal beruhigend war“, erinnert er sich. Er arbeitete und lebte im Viertel Gangnam am Fluss Han-gang und genoss das Essen, das Nachtleben und die dynamische, moderne Kultur der Stadt Seoul. Eigentlich war er davon ausgegangen, nach einigen Jahren heimzukehren, aber unerwarteterweise schlug ihn die traditionelle koreanische Kultur in ihren Bann.

Heute beherrscht Tetto Koreanisch erstaunlich fließend in Sprache und Schrift, was ihn zu einem inoffiziellen Experten für alles Koreanische macht. 2018 wurde er zum Ehrenwächter des Palastes Gyeongbok-gung ernannt, ein Jahr später zum Ehrenbürger der Stadt Seoul. Er sagt, dass alles mit seinem traditionellen Hanok-Haus in Bukchon (Nördliches Dorf) begonnen habe. Das Hanok sei sein „Tor zu einem tieferen Wissen und Interesse an der koreanischen Kunst und Kultur“ gewesen.


Drei Ziele, neuer Weg
Schon gleich nach seiner Ankunft in Korea setzte sich Tetto drei Ziele, auf die er unabhängig von der Länge seines Aufenthaltes hinarbeiten wollte: Berufsexpertise entwickeln und gute Leistungen erbringen, Koreanisch lernen und viele interessante koreanische Freunde aus verschiedenen Berufsfeldern finden.

„Irgendwie dachte ich, dass sich noch ansprechendere Möglichkeiten ergeben würden, wenn ich in diesen drei Dingen gut wäre“, sagt er. Fünf Jahre später kamen die Dinge ins Rollen. Zusammengefasst: „Ich wechselte die Firma, zog um und war plötzlich im Fernsehen.“

Zuerst wechselte Tetto zu TCK Investments, wo er jetzt Co-CEO ist. Das Unternehmen wurde von Ohad Topor gegründet, der ähnliche Zukunftsvisionen wie Tetto verfolgte: von Seoul aus globale Finanzgeschäfte tätigen. Neben globalen Investitionen ist Tetto auch im Risikokapitalbereich aktiv.

Zweitens, er zog in ein neues Haus, besser gesagt, in ein altes Haus. Eine der interessanten Personen, der Tetto begegnete, war Nani Park, die ein Buch über Hanok verfasst hatte und vorschlug, ihm einige Hanok in Bukchon zu zeigen. „Ohne groß nachzudenken bin ich ihr hierher gefolgt. Eigentlich hatte ich keinen Umzug geplant, aber sie hat mir dieses Haus gezeigt und nun lebe ich hier“, sagt er. Das Haus, bei dessen Renovierung ein neues Souterrain angelegt wurde, trägt den Namen „Pyeonghaengjae“: Haus, in dem sich das Leben parallel entfaltet.

Während all das geschah, wurde Tetto gebeten, in der von JTBC ausgestrahlten TV-Unterhaltungssendung Abnormal Summit (auch als Non-Summit bekannt) aufzutreten. In dieser Show tauschen fließend Koreanisch sprechende Ausländer aus verschiedenen Ländern ihre Meinungen aus und bieten dabei bedeutsame Einblicke in andere Kulturen und Denkweisen. Wenn es bei den Diskussionen um Tradition ging, erzählte Tetto von seinem Haus. In den Köpfen der Zuschauer hat sich Tetto daher als „Ausländer, der sich mit der koreanischen Kultur ziemlich gut auskennt“, eingeprägt.

Tatsächlich begann Tetto nolens volens damit, traditionelle koreanische Möbel und Kunst zu studieren. Denn er stellte fest, dass weder seine alten Möbelstücke noch neue, die in Geschäften angeboten werden, sich für sein Hanok eignen. „Ich dachte: Wenn ich schon hier lebe, dann aber auch angemessen eingerichtet. Also habe ich beschlossen, etwas über diesen Raum zu lernen, und dafür musste ich etwas über das Joseon-Reich (1392-1910) lernen und darüber, welche Möbel die Menschen dieser Zeit in ihren Häusern hatten“.

Vom Kunstkenner zum Sammler
Was mit der einfachen Suche nach einem Wohnzimmertisch begann, verwandelte Tetto in einen Kunstkenner, Sammler, Schriftsteller und Referenten. Schließlich zimmerte er inspiriert von traditionellen Gittertüren eigenhändig einen achteckigen Tisch. Dabei visualisierte er im Kopf bereits andere Möbel für das Haus: „Soll ich hier eine Bandaji (Schranktruhe) oder dort ein Dojagi (Keramikgefäß) aufstellen?“ Er begann, Museen zu besuchen und Nachforschungen anzustellen.

„Zuerst beschäftigte ich mich mit Joseon-Baekja (weißes Porzellan), dann mit Cheongja (jadegrünes Seladon) aus dem Goryeo-Reich (918-1392) und schließlich mit Togi (Tongefäß) aus dem Silla-Reich (57 v. Chr.-676 n. Chr.). Dabei geht man in die Vergangenheit zurück, gleichzeitig aber auch vorwärts, was ich nicht erwartet hatte. Als ich im Internet nach Dal-Hangari (reinweiße Mondtopf-Keramik) suchte, tauchten plötzlich die Namen moderner koreanischer Künstler wie Koo Bohnchang und Kang Ik-Joong auf. Da stellte ich fest, dass das Muster der weißen Porzellankrüge auch in der modernen koreanischen Kunst Anwendung finden kann“, bemerkt er.

So steht auf der Küchenarbeitsplatte ein weißes Porzellangefäß aus der Goryeo-Zeit, Kaffee wird in bunt lackierten Kupfertassen von Huh Myoung-wook serviert. Im Wohnzimmer befindet sich ein Wandschirm mit Koo Bohnchangs wundervollen Fotoaufnahmen von Cheonghwa Baekja (weißes Porzellan mit kobaltblauem Dekor). Eine Silla-Töpferware ziert eine Holztruhe aus der Joseon-Zeit, darüber hängt ein modernes monochromes Gemälde. Aus einem Wandschrank holt Tetto ganz nebenbei eine antike hölzerne Lunchbox und eine Dach-Endziegelform aus dem Vereinigten Silla-Reich (676-935), die er uns zeigt.

Im unteren Stockwerk schiebt er die Türen des von ihm selbst entworfenen Kleiderschranks auf, hinter denen sich Regale und Ständer verbergen, die von Chaekgado (Stillleben mit Büchern und Utensilien) aus der Joseon-Zeit inspiriert wurden. Hier hängen seine Kleider wie Sammelobjekte. An der Wand gegenüber dem Bett im Gästezimmer findet sich eine Aufnahme des Fotografen Kim Hee-won, die auf traditionelles Hanji-Maulbeerbaumpapier gedruckt wurde. Sie zeigt zum Garten hin geöffnete Gitterfenster, die den Innenraum zu erweitern scheinen, indem der Außenraum ins Haus geholt wird.

Tettos Sammlungen sind eine Mischung aus Altem und Neuem, und jedes Stück hat seine eigene Geschichte. Alle modernen Werke stammen von Künstlern, die er bei Interviews für die Zeitschrift Living Sense getroffen hat. Er erklärt: „Wenn man die Geschichte eines Künstlers hört, erscheint sein Werk noch bedeutsamer. Es ist kein bloßes Objekt mehr, sondern steht in einer Beziehung zu mir.“ Als Beispiel führt er das Geschirr von Töpfer Ji Seung-min an: „Diese Teller sind nicht einfach Teller. Ich kenne den Künstler persönlich. Ich habe ihn und seine Frau vor der Heirat getroffen. Sie haben mich zu ihrer Hochzeit eingeladen. Deswegen bergen diese Objekte jetzt ihre eigenen Geschichten in sich.“

Tettos „Pyeonghaengje“ getauftes Hanok ist mit Gegenständen dekoriert, die genau zum Haus passen, darunter alte Möbel, Keramiken, antike und moderne Kunstwerke und sogar ein von ihm eigenhändig entworfener Tisch.

Leben in Korea: Kapitel zwei
In den letzten vier Jahren hat Tetto etwa 50 Künstler getroffen. Das war für ihn eine wertvolle Unterweisung in koreanischer Kunst und ermöglichte es, Vorträge über das Gelernte zu halten. Als er zum ersten Mal gebeten wurde, über die koreanische Kunst aus der Perspektive eines Ausländers zu referieren, fragte er sich: „Bin ich überhaupt dafür qualifiziert?“ Er nahm seine Interviews und sein Haus gründlich unter die Lupe und entdeckte dabei drei Merkmale, die der traditionellen koreanischen Kunst und der modernen gemeinsam sind: die Ästhetik der Leere, die Ästhetik der Natur und Herzenswärme.

„Als Ausländer sehen wir die Dinge etwas anders. Ein Punkt, den ich teilen kann, ist, wie erstaunlich uns diese typisch koreanischen Dinge erscheinen“, sagt er. „Es macht mir große Freude, koreanische Kunst und Künstler bekannt zu machen. Ich habe weder eine Kunstschule besucht noch Kunst, Kunstgeschichte oder Kunstkritik studiert. Aber bei jeder einzelnen Begegnung mit den Künstlern habe ich viel über das koreanische Verständnis von Schönheit gelernt.“

Tetto genießt nun die Zeit, die er selbst als „zweites Kapitel meines Lebens in Korea“ bezeichnet. „Der Mark von heute ist nach fünf Jahren Hanok-Leben ein völlig anderer. Allein schon das Sitzen in diesem Raum hat mich vieles gelehrt und mich verändert.“

Aus Dankbarkeit für die Möglichkeiten, die ihm geboten wurden, hat er sich der Philanthropie zugewandt, um der Gesellschaft etwas zurückzugeben. Er hat sich Young Friends of the Museum, der Spenderorganisation des Nationalmuseums, angeschlossen und gemeinsam eine Sammelaktion gestartet, um zwei wertvolle buddhistische Artefakte der Goryeo-Zeit aus Japan zu kaufen und sie dem Nationalmuseum von Korea (NMK) zu spenden. Er persönlich erwarb von einem amerikanischen Sammler 21 Dach-Endziegel aus der Zeit des Vereinigten Silla-Reiches, die er ebenfalls dem NMK stiftete. Neben dem NMK unterstützt er auch das National Museum of Contemporary Art (MMCA) und das Koreanische Nationalballet.

 

Neue Perspektiven
In diesem Jahr wurde Tetto gebeten, für die Mitte Mai abgehaltene Museumswoche 2022 als Botschafter zu dienen. Seine Rolle bestand im Wesentlichen darin, die Menschen zum Besuch von Museen und Kunstgalerien zu motivieren, dafür eine Reihe von Veranstaltungen zu organisieren und Inhalte für die sozialen Medien zu erstellen. In New York gibt es zwar einige der weltweit berühmtesten Museen, aber er habe sie kaum besucht, sagt er. Doch jetzt haben Museen und ein altes Hanok-Haus sein Leben verändert.

Tetto hat etwa 177.000 Follower auf Instagram und an den dort hinterlassenen Kommentaren lässt sich ablesen, dass seine Perspektive auf die koreanische Kunst und Kultur viele Menschen dazu veranlasst hat, einen zweiten Blick auf das, was sie umgibt, zu werfen. Wenn er auf dem Weg von seinem Büro in Gwanghwamun durch die Gassen nach Hause läuft, genießt er die Atmosphäre der Nachbarschaft. In seinen Schriften über die koreanische Kultur bezeichnet er diese Gassen als das Gesicht von Seoul, wo sich das wahre Leben der Stadt entfaltet. Kommt er nach Hause, wacht beim Schuheausziehen ein Beamter des Joseon-Reichs auf einem hängenden Rollbild am Eingang – Tetto ermittelt noch dessen Identität – über ihn.

Viele Koreaner sehnen sich nach New York, aber Tetto sagt: „Ich habe in Korea ein sehr aufregendes und abwechslungsreiches Leben gefunden. Wenn ich in den USA wäre, würde ich Tag für Tag auf der Arbeit verbringen und dann nach Hause gehen. Das wär’s dann auch schon.“ Und wahrscheinlich würde er auf Möbeln von Walmart sitzen und von dort gekauften Tellern essen, sinniert er.

Dieses Portät eines Hofbeamten des Joseon-Reichs, der über den Eingang zu wachen scheint, stammt wahrscheinlich aus dem frühen 20. Jh.

 

Cho Yoon-jungFreiberufliche Schriftstellerin, Übersetzerin
Fotos Lee Min-hee

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