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2022 SUMMER

Motoren brummen …

An der Südspitze der Koreanischen Halbinsel gelegen, ist Geoje-do nach Jeju-do die zweitgrößte Insel Koreas. Hier, wo die japanische Invasion Imjinwaeran (1592-1598) und der Koreakrieg (1950-1953) schmerzhafte Narben hinterließen, finden sich nicht nur wunderschöne Meeres- und Naturschönheiten, sondern auch die Wohnstätten und Ateliers von Künstlern.

© GEOJE CITY

Als im letzten Frühling die Wettervorhersage meldete, dass die Kirschbäume im Süden des Landes bereits in voller Blüte standen, taute mein winterstarres Herz von selbst auf. Lebhafte Erinnerungen an eine Küstenstraße auf der Insel Geoje-do stiegen in mir auf. Und mir schoss der Gedanke durch den Kopf, dass, wenn ich den richtigen Zeitpunkt verpasste, weder den Blütentunnel noch die Blütenschatten darunter genießen können würde. Ich setzte mich also eiligst meine Sachen packte und mich noch vor Sonnenaufgang ans Lenkrad. Der Navigator informierte mich, dass die Fahrt von Seoul nach Geoje-do rund viereinhalb Stunden beanspruchen würde, d. h., mit Rastpausen sechs Stunden. Zum Glück stand mir eine reichhaltige Musikauswahl zur Verfügung. Unter den Songs auf meiner Playlist gehört Gran Torino zu meinen Favoriten. Er handelt davon, einen Gran Torino, einen zwar alten, aber noch funktionstüchtigen Muscle-Car, zu fahren, um ein müdes und einsames Herz zu trösten.

Motoren brummen und bittere Träume wachsen.
Mein Herz, eingesperrt in einen Gran Torino,
Schlägt in einsamen Rhythmus die ganze Nacht hindurch.


Das Lied ist Teil des Original-Soundtracks des gleichnamigen Films und wenn ich es mir anhöre, habe ich das Gefühl, dass mein Wagen ein Gran Torino wäre und mich tröstete.
Der im Film von Clint Eastwood gespielte Walt Kowalski ist ein Koreakriegsveteran. Er ist ein sehr konservativer und kantiger Typ, der wegen seines Kriegstraumas keinen an sich heranlässt. Ob er die Insel Geoje-do kannte?


 

Mit der Fertigstellung der Geoga-Brücke hat sich die Entfernung zwischen Busan und Geoje-do dramatisch von 140 km auf 60 km reduziert, die Fahrzeit ist von zweieinhalb Stunden auf 30 bis 40 Minuten geschrumpft.
© gettyimagesKOREA

Historic Park of Geoje POW Camp
Geoje-do liegt liegt zwischen der Metropole Busan im Osten und der Stadt Tongyeong im Westen. Es ist zwar eine Insel, aber schon seit Langem auf dem Landweg erreichbar: Westlich von Tongyeong liegen die 1971 eröffnete Geoje-Brücke und die 1999 eingeweihte Neue Geoje-Brücke nebeneinander. 2010 wurde mit der Fertigstellung der Geoga-Brücke, eines 8,2 km langen Brückentunnels im Osten, auch eine Überlandverbindung nach Busan eingerichtet.

Die schmale Meerenge unter den beiden Brücken nach Tongyeong ist für ihre zahlreichen Riffe und schnellen Meeresströmungen berühmt. 1592, während der ersten japanischen Invasion, lockte Admiral Yi Sun-shin die japanischen Eindringlinge in die Gewässer vor der Insel Hansan-do. Seine zahlenmäßig unterlegene Kriegsflotte bewegte sich in Kranichflügelformation und brachte dem Gegner eine vernichtende Niederlage bei. Die Große Schlacht vor der Insel Hansan-do war eins der drei wichtigsten Gefechte während der Imjinwaeran-Invasion. Und wenn es um die Kriegsgeschichte von Geoje-do geht, darf ihre Rolle als Massenlager für Zehntausende von Kriegsgefangenen nicht unerwähnt bleiben.

Im September 1950 führten die UN-Truppen unter dem Kommando von General Douglas MacArthur die Landeoperation bei Incheon durch, um die in den Süden der Koreanischen Halbinsel vorgerückten nordkoreanischen Streitkräfte zurückzuschlagen. Der Erfolg dieser Operation brachte eine Wende, sodass viele nordkoreanische Soldaten in Gefangenschaft gerieten. Um sie unterzubringen, wurden auf einer insgesamt 12.000 Quadratmeter großen Fläche in den Inselbezirken Gohyeon und Suwol Kriegsgefangenenlager (POW Camp) eingerichtet. Im Februar 1951 begann die Verbringung von Gefangenen: 150.000 nordkoreanische Soldaten, 20.000 chinesische kommunistische Soldaten und 3.000 Freiwillige wurden interniert, darunter auch 300 Frauen.

Exponate wie Barracken, Uniformen und andere Objekte, die Licht auf das Leben der Gefangenen werfen, machen den Geschichtspark des Geoje POW Camps zu einer Bildungsstätte und Touristenattraktion der Insel Geoje-do.

Der Film Swing Kids, der 1951 während des Koreakriegs spielt, folgt einem Stepptanz-Ensemble, das eigens zusammengestellt wurde, um im größten POW Camp Südkoreas auf der Insel Geoje-do aufzutreten.
© NEW

Gleich nach dem Betreten des Historischen Parks des POW Camps trifft man auf den Text der Genfer-Konventionen, einer Reihe zwischenstaatlicher Abkommen, die internationale rechtliche Standards für die humanitäre Behandlung in Kriegszeiten enthalten. Insbesondere das 1949 abgeschlossene Genfer Abkommen IV, das erstmals während des Koreakriegs zur Anwendung kam, regelt die grundlegenden Menschenrechte von Kriegsgefangenen. In der Halle am Eingang des Historischen Parks sind verschiedene Materialien ausgestellt, die die Bemühungen um den Schutz der Menschenrechte der Kriegsgefangenen unterstreichen. Es heißt, dass die Verpflegung im Lager weit besser gewesen sein soll als die der Frontsoldaten. Die Versorgung mag gut gewesen sein, aber Krieg bleibt Krieg. Eingesperrt auf einer Insel, von der sie nicht wussten, wie weit entfernt sie von zu Hause lag, mussten die Gefangenen tagtäglich unter strengster Überwachung Zwangsarbeit verrichten. Manchmal wurden sie zu Propagandazwecken dazu gezwungen, so zu tun, als führten sie ein friedliches und zufriedenes Lagerleben.

Der Schriftsteller Choi Su-chol veröffentlichte den Romanzyklus Tanz der Kriegsgefangenen (2016), nachdem er auf ein Foto gestoßen war, das die Kriegsgefangen des Geoje-Camps beim Tanzen von Square Dance zeigt. Regisseur Kim Tae-hyung adaptierte denselben Stoff für sein Musical Ro Gi-su (2015), das wiederum als Vorlage für Kang Hyoung-chuls Film Swing Kids (2018) diente. Ob die kommunistischen Kriegsgefangenen den Volkstanz eines Feindeslandes freiwillig geübt und getanzt haben? Auf einem von Werner Bischof, einem Mitglied der weltberühmten, unabhängigen Fotoagentur Magnum, aufgenommenen Foto von 1952 sind Kriegsgefangene zu sehen, die mit seltsam großen Masken auf dem Truppenübungsgelände tanzen. Dahinter dürfte die Absicht gestanden haben, zu verbergen, den Tanz des Feindes gelernt zu haben. Vielleicht befürchteten sie, von Mitgefangenen, die als hartnäckige Anhänger des Kommunismus sehnlichst auf den Tag ihrer Repatriierung warteten, gelyncht zu werden, oder wollten sich und ihre Familien vor einer etwaigen Verfolgung bewahren, falls die Fotos in falsche Hände gerieten. In Tanz der Kriegsgefangenen, Ro Gi-su und Swing Kids finden sich solche Deutungen.

An schwarze Perlen erinnernde Kieselsteine bedecken die Strände der Insel Geoje-do. Das Geräusch des bei Ebbe über die Kiesel spülenden Wassers (beschrieben mit der Lautmalerei „jageul jageul“) wurde als einer der besten 100 Naturklänge Koreas ausgewählt.
© gettyimagesKOREA

Man könnte fragen, was man für diejenigen, die einst Gewehre auf einen richteten, noch mehr tun sollte, wie man sie kontrollieren und aufklären sollte. Das ist ein sehr heikles Thema und als Angehöriger einer Generation, die nie einen Krieg erlebt hat, kann ich nichts dazu sagen, sondern nur aus tiefstem Herzen hoffen, dass Krieg oder ähnliche Bedrohungen und Gewalttaten aus der Welt verschwinden mögen.

Ich machte mich zur nahe gelegenen Insel Chilcheon-do auf, dem Ort, wo Korea bei den zahlreichen Seeschlachten während der Imjinwaeran-Invasion die einzige große Niederlage einstecken musste. Vor der Schlacht war Admiral Yi Sun-sin seines Amtes als Flottenadmiral enthoben worden, weil er in Bezug auf die zu verfolgende Strategie anderer Meinung als König Seonjo gewesen war. Auf dem Hof der Gedenkstätte seufzte ich und seufzte noch einmal, als ich auf die Meeresströmung hinunterblickte. Zwanzig Minuten entfernt liegt Okpo, der Ort, an dem der Seeflotte des Joseon-Reichs unter dem Kommando von Admiral Yi der erste Sieg über die Japaner gelang. Nach der Invasion von 1592 hatte es einen Waffenstillstand gegeben, 1597 folgte die zweite Invasion. Im Jahr darauf zogen sich die Japaner endgültig von der Koreanischen Halbinsel zurück. Mein Gran Torino führte mich zu weiteren Spuren des Krieges.

 

Haegeumgang, eine Insel mit zwei felsigen Gipfeln, liegt im Hallyeohaesang Nationalpark. Der Anblick der über den Löwenfels aufgehenden Sonne ist ein Spektakel, das nur im März und Oktober bewundert werden kann.
© gettyimagesKOREA

Mongdol-Strand
Auf Geoje-do gibt es viele mit Mongdol (Kieseln) bedeckte Strände. Einer davon ist der Hakdong Schwarzperlenstrand auf der südöstlichen Seite von Geoje-do, der das ganze Jahr über viele Touristen anzieht. Die Wellen, die über lange Zeit an die Felsen schlugen, haben diese zu Brocken und anschließend zu faustgroßen Kieseln erodiert. Als ich bedachte, wie lange das dauerte, erschien mir das Menschenleben wie ein flüchtiger Augenblick. Kriege sind folglich auch etwas, das während dieses Augenblicks geschieht.

An den wellenüberspülten Stellen werfen die glatten, wie schwarze Perlen glänzenden Kieselsteine das Sonnenlicht zurück. Jedes Mal, wenn die Wellen heranbrechen, reiben die Kiesel geräuschvoll aneinander. Auf diese Weise wird die raue Kraft der Wellen durch die Steine verstreut. Anders als Sandstrände schützen Kieselsteinstrände die Küstenbewohner.

Nach volkstümlicher Überlieferung sollen eines Tages, als die Wellen heftig wüteten, alle Kieselsteine verschwunden und nur noch Sand übrig geblieben sein. Diese mysteriöse Begebenheit versetzte die Einwohner in Angst und Schrecken, aber am Tag darauf waren wie von Zauberhand alle Kiesel wieder da. Diese Geschichte zeigt, wie sehr die Menschen dort ihre schwarzen Kieselsteine lieben und schätzen. Sie bemühen sich auch, Touristen davon abzuhalten, ein, zwei Steine als Souvenir einzustecken. Zu diesem Zweck ist auf den Hinweisschildern aller Kieselstrände folgende Geschichte zu lesen:

2018 traf im Büro Ost des Hallyeohaesang Nationalparks, das dem Korea National Park Service untersteht, ein Päckchen ein. Es enthielt zwei Kieselsteine und einen Brief. Ein dreizehnjähriges amerikanisches Mädchen hatte die Steine als Andenken an ihre Koreareise mitgenommen. In ihrem Brief schrieb sie entschuldigend: „Meine Mutter hat es später herausgefunden und mir erklärt, wie lange die Natur gebraucht hat, um diese schönen Steine hervorzubringen. Deshalb möchte ich die Steine zurückgeben.“ Diese Aufrichtigkeit des Mädchens dürfte auf alle potentiellen Souvenirjäger eine nachdrücklichere Wirkung haben als alle Schilder mit Straf- oder Bußgelddrohungen.

Nach meinem Strandbummel fuhr ich mit der Fähre Richtung Haegeumgang, einer aus zwei Gipfeln bestehenden Felsinsel, die bereits 1971 zur Landschaftlich reizvollen Stätte Nr. 2 gekürt wurde. Unter Koreas insgesamt 129 mit diesem Titel ausgezeichneten Stätten gibt es nur 15 Insel- und Küstengebiete, zwei davon liegen im Geoje-Gebiet des Hallyeohaesang Nationalparks – ein deutlicher Beweis für die atemberaubende Schönheit der dortigen Meereslandschaft. Neben Haegeumgang liegt das Observatorium Sinseondae. Eine lange Treppe führt von der Küstenstraße aus zur Aussichtsanlage, von wo aus man einen schönen Blick auf das kobaltblaue Meer und das in Blau und Gelb getauchte felsige Gelände hat.

 

Yang Dal-seok (1908-1984), berühmt für seine idyllischen, unschuldigen Darstellungen der ländlichen Gegenden Koreas, wurde „Maler von Kühen und Hirten“ genannt.

Die Cheongma Memorial Hall wurde am Geburtsort von Yu Chi-hwan errichtet, einer der führenden Figuren der modernen koreanischen Literatur. Das Gebäude beherbergt Aufzeichnungen, die über Leben und Werk des Dichters Aufschluss geben, der unter dem Schriftstellernamen „Cheongma (Blaues Pferd)“ bekannt ist.

Künstler aus Geoje-do
Die majestätische Szenerie der Insel Haegeumgang tief in mir eingeprägt, kehrte ich zum Hafen zurück, um mich erneut auf den Weg zu machen. Diesmal wollte ich Yang Dal-seok (1908-1984), einen der Pioniere der westlichen Malerei, und den virtuosen Poeten Yu Chi-hwan (1908-1967) kennenlernen. Sind diese beiden Künstler nach ihrem Tod vielleicht zu den himmelstrebenden Felsen von Haegeumgang geworden?

Mein erster Stopp war Seongnae, der Heimatort von Yang Dal-seok. Das Dorf mit seinen Yangs Gemälden entliehenen Wandmalerei-Motiven zu betreten war gleichsam wie das Betreten einer Bilderbuchwelt. Auf vielen Bildern sind Kühe und Hirten zu sehen, dazwischen laufen unschuldige Kinder mit heruntergerutschten Hosen und entblößtem Hinterteil herum. Einige machen Handstand, andere betrachten, den Körper vornübergebeugt, die Welt durch den Hosenschritt. Ihr Verhalten und ihre Mimik sind humorvoll zum Ausdruck gebracht. Kühe grasen gemächlich, die ganze Landschaft ist in Grün gehüllt, alles ist friedlich. Wie konnte die von Yang gemalte Welt nur so lyrisch und schön sein?

Der früh verwaiste Yang soll ab seinem achten Lebensjahr als Knecht bei seinem Onkel gedient haben und daher mit Kühen vertraut gewesen sein. Eines Tages kam er ohne die Kuh, die er zum Grasen auf die Weide gebracht hatte, zurück, was ihm einen ordentlichen Rüffel einbrachte. Auf der Suche nach ihr durchkämmte er die ganze Nacht die Berge. Als er die Kuh schließlich fand, soll er sich an eins ihrer Beine geklammert und lange geweint haben. Vielleicht haben ihn schmerzhafte Erinnerungen wie diese zu einem Künstler gemacht, der von einer sorgen- und kummerfreien Welt träumte.

In der Cheongma Memorial Hall kann man einem weiteren, vom Nirwana träumenden Künstler aus Geoje-do kennenlernen: Yu Chi-hwan, dessen Gedichte trotz zermürbender Lebensumstände von Hoffnung und Entschlossenheit durchdrungen sind. Sein repräsentativstes Gedicht Fahne beschreibt eine im Wind flatternde Fahne. Es enthält einen Ausdruck, den jeder Koreaner schon einmal gehört haben wird: „der stumme Schrei“. Im Literaturunterricht wird diese Formulierung als repräsentatives Beispiel für ein Paradoxon zitiert.

Im Hof vor der Gedenkhalle steht ein Monument, in das Yus Gedicht Geojedo Dundeokgol eingraviert ist, das die harte Realität seines Heimatdorfes schildert. In der letzten Zeile schwört Yu: „Bei Sonne das Feld pflügend werde ich aufrichtig leben, bis dass der Tod kommt“ – was auf einen Menschen hindeutet, der äußerst gelassen und tolerant war. Ich stelle mir vor, wie das Blaue Pferd, Cheongma (Yus Schriftstellername) Berge und Felder der Insel durchstreift.

Motoren brummen … Mich auf den Heimweg machend, summte ich aus Gewohnheit das Lied. Und ich fragte mich: „Was kann ich versprechen? Besitze ich wenigstens Gelassenheit von der Größe eines Kieselsteins?“ Mein Gran Torino antwortete mir mit brummendem Motor: Häng dich gar nicht erst an solchen Fragen auf!

 



Kim Deok-heeSchriftsteller
Fotos Han Jung-hyun

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