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Webtoons werden schnell zu begehrtem Quellenmaterial für Filme, Spiele und anderen Unterhaltungsmedien. Mit dem Aufkommen globaler Content-Plattformen wie Netflix wird sich der Wert von Webtoons als „Super IP (Intellectual Properties)“ nur noch weiter erhöhen.

Bis Mitte der 2000er Jahre waren intermediale Adaptionen von Webtoons auf wenige Genres beschränkt: Nur einige Werke von Kang Full wie Love Story wurden zu Theaterstücken umgearbeitet, aus Kang Do-has The Great Catsby (2004-2005) entstand ein Musical. Erst ab den 2010er Jahren wurde der Wert von Webtoons als Quellencontents für andere Medien wie Film, Drama, Game und Animation anerkannt.

Der im Jahr 2010 uraufgeführte Film Moss von Regisseur Kang Woo-suk war z. B. eine Verfilmung des gleichnamigen Thriller-Webtoons von Yoon Tae-ho. Während Webtoon-Verfilmungen bis dahin nie zu Kinokassenschlagern geworden waren, überstieg Moss mit einer kumulierten Kinobesucherzahl von 3,35 Mio. die Gewinnschwelle und wurde mit mehreren Preisen ausge-zeichnet, darunter dem Preis für die beste Regie, dem für die besten Hauptdarsteller und dem für die beste Kinematographie.

Dies kurbelte die Crossmedia-Adaption von Webtoons stark an. Insbesondere Cho Seoks Webtoon The Sound of Your Heart (2006-2020), der 14 Jahre lang auf Naver Webtoon lief und damit zur längsten Serie in Korea wurde, inspirierte zu Adaptionen für verschiedene Medien. Dieser Webtoon, der Alltagsepisoden von Personen aus dem Umfeld des Autors beleuchtet, wurde 2016 in eine fünfteilige Serie im Sitcom-Stil umgearbeitet und später im Fernsehen ausgestrahlt. 2018 wurde das Werk mit neuer Besetzung verfilmt und unter dem Titel The Sound of Your Heart: Reboot als 20-teilige Netflix-Serie präsentiert. 2016 kam eine Mobile-Game-Version mit Figuren aus dem Originalwerk heraus, und im selben Jahr lief eine 26-teilige Animationsserie auf mehreren Kinderkanälen an.

Laut der interaktiven All Webtoon Ausstellung 2016, die die Koreanische Nationalbibliothek unter dem Thema „Das Zeitalter der Webtoon-Plattformen: Webtoons als IP (Geistiges Eigentum) im Fokus“ veranstaltete, gab es bis dahin etwa 19 Filme, 36 TV-Serien, 19 Spiele, 17 Animationen, 65 Theaterstücke und 14 Musicals, die auf Webtoons basieren.

Eine Szene aus dem Film Moss, eines 2010 unter der Regie von Kang Woo-suk veröffentlichten Mystery-Thrillers, der auf dem gleichnamigen Webtoon von Yoon Tae-ho beruht. Der Protagonist reist zu dem Dorf, in dem sein Vater lebte, und deckt dort die seltsamen Geheimnisse der Dorfleute auf.

Film- und Webtoon-Versionen einer Szene aus Moss, in der der Scherge des Dorfoberhaupts versucht, in das Haus des Protagonisten zu schleichen.

Misaeng: Incomplete Life, serialisiert von Daum Webtoon und 2014 als 20 Episoden umfassende TV-Serie herausgebracht, wurde ein Riesenhit. Der junge Protagonist Jang Geu-rae kann sich nur schlecht an das Büroleben gewöhnen.

Katalysator
Im Januar 2019 feierte die erste Staffel der Netflix Originalserie Kingdom Weltpremiere, was hinsichtlich Produktionsumfang und Qualität einen Wendepunkt in der intermedialen Adaption von Webtoons markierte. Der Zombie-Horrorstreifen, zurzeit bis zur zweiten Staffel veröffentlicht, basiert auf dem Manhwa-Cartoon The Kingdom of the Gods (Das Land der Götter), herausgegeben von dem Webtoon-Produktionsunternehmen YLAB. Um Originalität und Reiz der Dramatisierung der Vorlage zu akzentuieren, wurde Kingdom zu einer neuen Webtoonserie umgearbeitet und eine Woche vor Beginn des Netflix-Streamings auf Naver gestartet.

Das Skript sowohl für den Webtoon als auch für die TV-Serie wurde von der Autorin des Originawebtoons Kim Eun-hee verfasst, sodass die Dramaserie die Grundhandlung und Geschichten-Welt des Originalwerks besonders gut widerspiegelt. Die in 190 Ländern veröffentlichte Serie Kingdom rangierte auf IMDb (Internet Movie Database), einer amerikanischen Datenbank zu den beliebtesten Filmen und Fernsehserien, auf Platz 9, die New York Times listete die Serie in ihrer New Top 10 Liste der Best International TV Shows. Die dritte Staffel ist in Produktion.

Dank dieses Erfolgs schoss die Zahl der Crossmedia-Adaptionen von Webtoons nach oben. Außerdem wurde dadurch das Vertriebsnetzwerk über Fernsehanstalten und OTT (over-the-top)-Plattformen hinaus erweitert und an globale Plattformen wie Netflix und Tencent (China) angeschlossen.

Die Netflix- Originalserie Kingdom ist eine originalgetreue Adaption des Webtoons The Kingdom of the Gods. Die Geschichte handelt von einem Kronprinzen, der gegen Zombies und Anschuldigungen, ein Verräter zu sein, kämpft.

Im Januar 2019 feierte die erste Staffel der Netflix-Originalserie Kingdom Weltpremiere, was hinsichtlich Produktionsumfang und Qualität einen Wendepunkt in der intermedialen 1 Adaption von Webtoons markierte.

Eine Geschichten-Welt, unterschiedliche Geschichten
Unter „Transmediale Erzählung“ (Transmedia Storytelling) versteht man die Strategie, eine Basis-Story für verschiedene Medien, Plattformen und Genres zu erweitern und zu vertiefen. Dabei werden zwei Herangehensweisen verfolgt: Entwicklung von Crossover- Contents, nachdem sich das Originalwerk als enorm erfolgreich erwiesen hat, oder von vornherein strategische Planung von Werken für verschiedene Medien, Plattformen und Genres.

Misaeng: Incomplete Life (2012-2013) von Yoon Tae-ho ist ein Beispiel für die erste Strategie. Nachdem der Webtoon auf dem Internetportal Daum ein Hit wurde, folgte 2013 der Web-Film Incomplete Life: Prequel, der der im Webtoon nicht thematisierten Vergangenheit der Protagonisten nachspürt. 2014 strahlte der koreanische Kabelsender tvN die 20 Folgen umfas sende TV-Dramaserie Misaeng: Incomplete Life aus, in der Yim Si-wan wieder in der Hauptrolle zu sehen war. Yoon Tae-ho brachte noch während der Ausstrahlung dieser Serie eine 5-teilige Webtoon-Sonderserie heraus, in der er der Vergangenheit von Abteilungsleiter Oh, einer der Hauptfiguren, nachging.

Die Webtoon-Folgeserie Misaeng 2 war von 2015- 2018 auf Daum und KakaoPage zu sehen. Während in der ersten Staffel das mühsame Durchkämpfen von Vertragsangestellten in einem Großunternehmen geschildert wird, erzählt Staffel 2 von einem kleinen Unternehmen, das es mit einem Großunternehmen aufzunehmen versucht. Webtoon, Webfilm und Serie erzählen jeweils eine andere Geschichte, sind aber alle Teile des „Misaeng-Universums“.

Itaewon Class (2016-2018) von Kwang Jin ist ein Beispiel für die Crossmedia-Adaption eines Webtoons auf internationaler Ebene. 2017, noch während der Serienausstrahlung in Korea, wurde der Webtoon unter dem Titel Roppongi Class in leicht lokalisierter Form auf der Webtoon-Plattform Piccoma präsentiert, die von Kakao Japan, einer Tochterfirma der Kakao Corp., betrieben wird.

Anfang 2020 wurde der Webtoon Itaewon Class, von dem südkoreanischen Kabelfernsehsender JTBC, in eine Dramaserie umgearbeitet ausgestrahlt. Danach wurde die Serie über Netflix auch in Japan präsentiert, wo sie dermaßen populär wurde, dass auch der Original-Webtoon, Roppongi Class auf Japanisch, erneut an Aufmerksamkeit gewann. Itaewon Class kletterte in der Gesamtrangliste von Netflix in Japan auf Platz 2 und der durch den Webtoon Roppongi Class erzielte Umsatz schnellte im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 454% in die Höhe.

Vermittler für intermediale Adaptionen
What’s Wrong with Secretary Kim (2016-2018) zeigt, wie eine Webtoonserie als Storytelling-Brücke zwischen Webroman und Dramaserie fungieren und dabei auch an Popularität gewinnen kann. Diese koreanische Webtoonserie, eine Adaption des gleichnamigen, 2013 publizierten Webromans von Jeong Gyeong-yun, hat Themen und Motive des Originals sehr gut aufgefangen und erfolgreich in ein anderes Medium übertragen. Auf den großen Erfolg des Webtoons folgte 2018 auf tvN die 16-teilige Fernsehserie What’s Wrong with Secretary Kim, die sich ebenfalls als Hit entpuppte. Daraufhin erschien der ursprüngliche Webroman fünf Jahre nach seiner Publikation als Einzelausgabe in Buchform.

Space Sweepers, ein Science-Fiction-Film unter der Regie von Jo Sung-hee, der seit dem 5. Februar 2021 auf Netflix zur Verfügung steht, erzählt die Geschichte von Victory, eines Raumschiffs zur Weltraummüllentsorgung, dessen Besatzung Dorothy, einen humanoiden, als Massenvernichtungswaffe bekannten Roboter in Kindergestalt entdeckt. Bereits in der Planungsphase kam die Strategie des transmedialen Erzählens zur Anwendung: Während die Investitions- und Filmvertriebsfirma Bidangil Pictures den Film produzierte, schuf Kakao Entertainment Corp. zeitgleich den Webtoon. Die Webtoonserie wurde bis Episode 19 (Mai bis Sept. 2020) veröffentlicht, danach erschien der gleichnamige Film auf Netflix.

Nach der Filmveröffentlichung wurde der Webtoon in Korea ab Folge 20, und in Japan, Nordamerika, Indonesien und Frankreich ab Folge 1 veröffentlicht. Im Gegensatz zu einem Spielfilm, der das Narrativ innerhalb eines bestimmten Zeitrahmens darstellen muss, kann der Webtoon die einzelnen Figuren detaillierter entwickeln.

Der Film und der Webtoon Space Sweepers bieten den Zuschauern bzw. Lesern eine für das jeweilige Medium optimalisierte Erzählung an, was als Beispiel für eine fortgeschrittene Strategie des transmedialen Erzählens gesehen werden kann. Dadurch, dass Film und Webtoon zur Gestal-tung der gemeinsamen Geschichten-Welt rund um das „Raumschiff Victory“ mit den Mitteln des jeweiligen Mediums beitragen, schaffen sie eine für den Zuschauer bzw. Leser optimierte Erzählwelt. Durch einen Tugendkreis des Konsums, bei dem die Filmzuschauer zu Webtoon-Lesern werden und umgekehrt, wurden Diversifikation der Einnahmequellen und Gewinnmaximierung erzielt.

Itaewon Class verzeichnete die höchsten Einschaltquoten für eine TV-Adaption eines Webtoons. Die Geschichte spielt in Itaewon, einem multikulturellen Bezirk in Seoul, und erzählt vom Kampf eines jungen Start-up- Gründers gegen ein großes Lebensmittelunternehmen. Die Szenen aus Webtoon und TV-Serie zeigen die Protagonisten Park Saeroyi und Jang Dae-hee, den CEO des Lebensmittelunternehmens. Webtoon-Autor Kwang jin verfasste auch das Skript für die TV-Serie.

Courtesy of Netflix

Space Sweepers unter der Regie von Jo Sung-hee, erzählt von dem Raumschiff Seungri-ho (Victory), das Weltraummüll einsammelt, und den dramatischen Ereignissen, die ins Rollen kommen, als die Besatzung einen humanoiden Kinderroboter an Bord entdeckt. Der Film, ein bemerkenswertes Beispiel für transmediales Erzählen, wurde von der Produktionsfirma Bidangil Pictures produziert, wobei die Filmaufnahmen und die Webtoon-Produktion von Kakao Entertainment Corp. zeitparallel liefen.

Ziel: Super-IP
Die führenden Unternehmen der koreanischen Webtoon- Industrie wie Naver Webtoon, Kakao Entertainment Corp. und YLAB machen verschiedene Versuche zur Entwicklung sog. Super-IPs. Der Begriff „Super-IP“ wurde von dem chinesischen IT-Unternehmen Tencent eingeführt und bezeichnet IP (geistiges Eigentum) wie Spiele, Webtoons und Filme, die sich mit Blick auf Gewinnmaximierung unbegrenzt in andere Unterhaltungsformate umsetzen lassen.

YLAB z. B. präsentiert eine Sonderseite von Naver Webtoon für das IP Super String, wo sich Figuren aus verschiedenen YLAB Webtoons zusammenschließen, um die Mächte des Bösen zu bekämpfen und die Welt zu retten. YLABs erstes Crossover-Werk Terror vs. Revival, lässt seit Januar 2012 die Hauptfiguren von Terror Man und Reawaken Man gegeneinander antreten.

Auf diese Weise wird sich die Strategie des transmedialen Erzählens durch Nutzung diverser Medien künftig in Richtung „Geschichten-Universum (story universe)“ weiterentwickeln, wo gemeinsame Geschichten-Welten geteilt werden und die Erzählung auf verschiedene Genres, Plattformen und Medien ausgeweitet wird.