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2020 SUMMER

Spezial

Vor K-Pop: Populäre Musik nach dem KoreakriegSpezial 2Die Eighth-Army-Shows und die Entwicklung der koreanischen populären Musik

Mit der Unterzeichnung des Waffenstillstandsabkommens im Juli 1953 wurden die Kriegshandlungen eingestellt und die Militärische Demarkationslinie teilte fortan die koreanische Halbinsel. US-Truppeneinheiten blieben im Süden stationiert. Mit Blick auf diese spezielle Zielgruppe entwickelte sich daraufhin ein neuer Trend in der Unterhaltungsindustrie. In den „Eighth-Army-Shows“, die in den Clubs der 8. US-Armee zur Unterhaltung ihrer Soldaten aufgeführt wurden, traten viele koreanische Musiker auf, die wiederum den Wandel in der koreanischen populären Musik vorantrieben.

Hollywood-Star Marilyn Monroe singt für in Südkorea stationierte US- und UNO-Truppen. Während ihres viertägigen Besuchs im Februar 1954 absolvierte die Monroe zehn Auftritte in Militärcamps im ganzen Land, darunter Camps in Seoul, Dongducheon, Daegu und im Landkreis Inje-gun. Trotz Minustemperaturen stand sie in einem hautengen Trägerkleid auf der Bühne und verzauberte die Zuschauer. © gettyimages

Die Beliebtheit von K-Pop, die über Asien hinaus die ganze Welt erfasst hat, wirft auch einige Fragen auf: Welche Charakteristika des K-Pop haben eigentlich zu dieser Popularität geführt? Über welches kulturelle Potential verfügt ein Land, dessen Musik so einflussreich ist? Welche Veränderungen hat diese Musik im Laufe der Geschichte erfahren, um zu diesem Punkt zu kommen? Die grundlegendste Frage dürfte jedoch die nach den eigentlichen Ursprüngen des K-Pop sein.

Eine der gängigen Meinungen diesbezüglich ist, dass K-Pop auf die Eighth-Army-Shows der 1950er Jahre zurückgeht. Danach soll die koreanische populäre Musik stark von der amerikanischen Popmusik beeinflusst worden sein, die sich über diese Shows verbreitete. Dass damit auch ein Auditioning-System zur Suche nach neuen Talenten aufkam und Unterhaltungsagenturen enstanden, wird ebenfalls als Beleg dafür gewertet.

Diese Behauptungen sind sicherlich nicht völlig unbegründet, aber wohl eine allzu starke Vereinfachung. Denn zwischen den Eighth-Army-Shows und dem K-Pop von heute besteht ein zeitlicher Abstand von 30 Jahren, und die Wegstrecke, die die koreanische populäre Musik in diesem Zeitraum zurückgelegt hat, ist von ebenso großer Bedeutung wie der Wandel der Populärmusik-Szene, zu dem diese Shows beigetragen haben.

Waffenstillstand und Stationierung der US-Truppen
Das 20. Jh. war ein Zeitalter der Kriege, und zwar der „totalen Kriege“, für die umfangreiche Truppenkontingente und Ressourcen mobilisiert wurden. Und es war zu Beginn des 20. Jh., dass die Regierungen damit begannen, durch den Einsatz von Unterhaltungskünstlern Moral und Patriotismus der Soldaten zu stärken. Die US-Regierung plante diese Art der Truppenbetreuung an der Front schon während des Ersten Weltkriegs, im Zweiten Weltkrieg nahmen die Planungen schließlich in Form der United Service Organizations (USO), einer gemeinnützigen Organisation, konkrete Gestalt an. Auch nach Korea kamen unter Federführung der USO während und nach dem Koreakrieg namhafte Stars wie Marilyn Monroe, Louis Armstrong und Nat King Cole.

Die Anfänge des Entertainment-Geschäfts für die US-Truppen in Korea finden sich in der Zeit direkt nach der Befreiung von der japanischen Kolonialherrschaft 1945. Das 24. Korps der US-Armee führte im Süden der koreanischen Halbinsel eine Militärregierung, was die Nachfrage nach Vorführungen in den Clubs für die US-Soldaten anregte. Damals gab es in Seoul mehrere koreanische Show-Truppen und Unterhaltungskünstler, die bereits seit der japanischen Kolonialherrschaft aktiv waren. Sie standen in ihren Büros oder einem Kaffeehaus auf Abruf für Auftritte vor den US-Truppen bereit. Ihr Einsatz war möglich, weil sie bereits mit der amerikanischen Popmusik vertraut waren. Schon seit den 1920ern hatte sich die westliche populäre Musik wie die lateinamerikanische Musik, Chansons und Jazz unter den Koreanern v. a. in den städtischen Gebieten verbreitet.

Außerordentlich erfolgreich war zu Beginn vor allem Kim Hae-song mit seiner Musiktheatergruppe KPK. Kim war bekannt als Ehemann der Sängerin Lee Nan-young und Vater von Sue und Aija, die zur Mädchenband Kim Sisters gehörten. Er hatte seine Karriere 1935 als Sänger und Komponist gestartet und sich schon bald einen Namen als einer der besten Jazz-Musiker Koreas gemacht. Dass die Unterhaltungsshows für die US-Soldaten den Startschuss für den Einzug der amerikanischen Popmusik in Korea gaben, ist von daher eine vorschnelle Behauptung.

Die Eighth-Army-Shows starteten richtiggehend durch, als die ursprünglich in Japan stationierte Eighth United States Army (8. US-Armee) 1957 ihr Hauptquartier in das Seouler Stadtviertel Yongsan verlegte und die United States Forces Korea (USFK; US-Streitkräfte in Korea) aufgestellt wurden. Amerikanische Stützpunkte wurden nicht nur in Yongsan, sondern landesweit eingerichtet, darunter in den Städten Pyeongtaek und Dongducheon in der Provinz Gyeonggi-do und der Stadt Daegu in Gyeongsangbuk-do. Gleichzeitig stieg in ihrer Umgebung die Zahl von Clubs zur Unterhaltung der Soldaten stark an, sodass die Nachfrage nach Unterhaltungsprogrammen entsprechend in die Höhe schoss. Mitte der 1950er soll es allein in Hauptstadtnähe und den Gebieten an der Militärischen Demarkationslinie 264 Clubs des US-Militärs gegeben haben. Daher war es nicht mehr möglich, die Nachfrage nach Live-Entertainment nur durch die sporadischen Auftritte von aus den USA gesandten Berühmtheiten oder koreanischen Sängern zu decken.

Entertainment im amerikanischen Stil
Die Eighth-Army-Shows wurden in Folge der steigenden Nachfrage und des zunehmenden Angebots zunehmend systematischer organisiert. 1957 wurde mit Hwayang in Korea die erste Unterhaltungsagentur gegründet, gefolgt von Universal und Gongyeong, womit alles Organisatorische einschließlich Entsendung der Künstler, Vorführungsplanung, Management und Training von Talenten sowie Vorbereitung für Auditions professionalisiert wurde. In dem vom Krieg verwüsteten Land waren Auftritte in den Army-Clubs wie das große Los im Lotto. Die USFK bezahlte Anfang der 1960er pro Jahr etwa 1,5 Mio. US-Dollar an die koreanischen Künstler. Die Unterhaltungsagenturen wuchsen rasant. 1962 berichtete eine Zeitung, dass diese von „nicht-fachmännischen Schaustellern“ gegründeten Agenturen 1.000 Unterhaltungskünstler, die zu 25 Show-Truppen und 60 Bands gehörten, managten.

Je mehr Entertainer die Unterhaltungsbühnen der US-Soldaten anvisierten, desto härter wurde die Konkurrenz. Zu ihren Hauptaufgaben zählte die Vorbereitung auf die Auditions, die alle drei bis sechs Monate vor einer aus dem US-Verteidigungsministerium gesandten Jury, die die Künstler benoteten, abgehalten wurden. Das Honorar hing von der Note ab: Nur ein „AA“ garantierte hohe Gagen, während Künstler mit schlechteren Bewertungen für ihre Auftritte auf dem Land in Militärlastwagen von einem Stützpunkt zum anderen ziehen mussten. Note „D“ bedeutete „nicht bestanden“.

Diese Auditions wurden damals von den Vertretern des US-Militärs zwar zur Sicherung der Show-Qualität eingeführt, die dabei geltenden Anforderungen dienten den koreanischen Künstlern aber auch als eine Art Richtlinie. Nur bestimmte Musikgenres, Performance-Stile, Sounds sowie Art und Weise des Auftretens wurden gefördert, während alles davon Abweichende ausgeschlossen wurde. Musik im koreanischen Stil oder Originalität wurden abgelehnt, umgekehrt war die Belohnung um so größer, je originalgetreuer der amerikanische Entertainment-Stil nachgeahmt wurde. Die angelegten Kriterien wie „korrekte Aussprache des Englischen“, „Fähigkeit, Gefühle auf natürliche und stilvolle Weise auszudrücken“, „eindrucksvolle Darstellungskunst“ usw. brachten die koreanischen Künstler dazu, die Besonderheiten des amerikanischen Unterhaltungsstils zu internalisieren und ihre eigenen kulturellen Vorlieben und Geschmacksrichtungen entsprechend anzupassen.

Obwohl sie umständehalber ihre Originalität nicht musikalisch zum Ausdruck bringen konnten, waren die Unterhaltungskünstler der Eighth-Army-Shows doch stolz auf ihre Karriere. [...]

Zudem galt die von ihnen gespielte populäre Musik im amerikanischen Stil als kultiviert und urban.

1. The Korean Kittens bei einer Aufführung für US-Soldaten in der Bob Hope USO Christmas Show in Tan Son Nhat, Vietnam, im Jahr 1966. Yoon Bok-hee (geb. 1946, Mitte), die Leaderin der 1964 gegründeten Gruppe, debütierte bereits in jungen Jahren in den Shows der Eighth U.S. Army und wurde zum Megastar. © AP Photo von Horst Faas
2. Ein Foto von Kim Hui-gap (geb. 1936), einem berühmten Komponisten, der ab den späten 1960er Jahren eine Reihe Hits herausbrachte. Kim startete seine Karriere als Gitarrist in den Eighth-Army-Shows im Jahr 1955, direkt nach seinem Oberschulabschluss. © Kim Hyeong-chan

Allround-Talente
Anfangs umfasste das Repertoire meist beliebte Jazz-Hits und koreanische Lieder, die im Jazz-Stil arrangiert wurden. Doch nach der Einführung des Audition-Systems bestand es nur noch aus amerikanischer Popmusik mit Ausnahme von einigen bekannten asiatischen Liedern wie dem koreanischen Volkslied Arirang oder dem japanischen Popsong Shina no yoru (China Nights). Als Vorbereitung auf ein Audition galt es daher, mit Hilfe der Jukeboxen auf den Militärbasen der US-Armee, des Radiodienstes des Senders AFKN (American Forces Network Korea), amerikanischer Liederbücher wie The Song Folio oder mittels Notenblättern die aktuellsten Songs einzustudieren. Dadurch wandelten sich die koreanischen Entertainer kulturell gesehen zu „Amerikanern“.

Die zunehmende Nachfrage äußerte sich in einer Spezialisierung der Clubs je nach Klientel: So entstanden Clubs exklusiv für Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften sowie „weiße“ und „schwarze“ Clubs. Je nach Art der Dienstleistung wurde zudem zwischen Service-Clubs und normalen Clubs unterschieden. Die Service-Clubs waren eher Konzertsäle, während mit „normalen Clubs“ kleinere Lokale mit Alkoholausschank-Genehmigung gemeint waren. Sie unterschieden sich auch im Musikstil: Während die Clubs für Offiziere auf die weiße Klientel über 30 abzielten und ein Repertoire aus meist Classic Pop, gehobener Unterhaltungsmusik und Jazz anboten, lief in den Pendants für Unteroffiziere und Soldaten vorwiegend Rock and Roll, Jazz, R&B und Country-Musik .

Koreanische Unterhaltungskünstler mussten also alle Genres beherrschen. Spezialisierung auf eine Musikrichtung bedeutete automatisch weniger Arbeitsgelegenheiten. Dieses Phänomen ging darauf zurück, dass die Eighth-Army-Shows als eine Art Ersatz für die amerikanische Kultur das Heimweh der Soldaten lindern und ihren Patriotismus stärken sollten. Die koreanischen Unterhaltungskünstler, die in diesen Shows auftraten, wurden nolens volens zu „gesichtslosen Technikern“ oder lebenden Jukeboxen, die für die US-Soldaten Klänge und Gefühlswelt der Heimat heraufbeschwörten. Um über das reine Imitieren hinaus eine eigene Musikwelt schaffen zu können, bedurfte es einer anderen Art von Bühne.

Ihre Glanzzeit erlebten die Eighth-Army-Shows von 1957 bis 1965, kurz bevor die US-Streitkräfte in Korea wegen des Vietnamkrieges stark reduziert wurden. Etwa zeitgleich erfuhr die amerikanische Popmusik durch den Trendwandel von Swing und Classic Pop zu Rock and Roll einen Umbruch. Die Eighth-Army-Shows reagierten schnell: Ab Ende der 1950er Jahre erschienen auch in Korea zahlreiche Sänger und Bands nach dem Vorbild von Elvis Presley und den Beatles, wobei die meisten jedoch nicht über das Niveau von Cover-Sängern bzw. -Bands hinauskamen.

Komprimiertes Wachstum
Obwohl sie umständehalber ihre Originalität nicht musikalisch zum Ausdruck bringen konnten, waren die Unterhaltungskünstler der Eighth-Army-Shows doch stolz auf ihre Karriere. Viele von ihnen hatten sogar einen Hochschulabschluss, was zu der Zeit bei Entertainern eine Seltenheit war. Generell war eine höhere Bildung aber von Vorteil, da die Shows auf Englisch moderiert wurden. Auch die hohen Gagen und die fortgeschrittene amerikanische Kultur waren für die koreanische Elite attraktiv. Zudem galt die von ihnen gespielte Populärmusik im amerikanischen Stil als kultiviert und urban, während die v.a. in ländlichen Regionen und bei den einfachen Stadtbürgern beliebte Trot-Musik in lautmalerischer Nachahmung ihres typischen Zweiertakt-Rhythmus herabsetzend als „Ppongjjak“ bezeichnet wurde. Der kulturelle Status der Trot-Musik sank noch weiter, als das Lied Fräulein Kamelie (Dongbaek agassi) der Sängerin Lee Mi-ja 1965 als „japanisch beeinflusst“ verboten wurde. Im Gegensatz dazu konnte die populäre Musik amerikanischen Stils den Mainstream erobern, da die Mitte bis Ende der 1960er gegründeten privatrechtlichen Fernsehsender zahlreiche Musiker der Eighth-Army-Shows für ihre Programme engagierten.

Wie dieser Wandel hin zur populären Musik amerikanischen Stils mit dem K-Pop von heute zusammenhängt, ist noch unklar. So wie es in zahlreichen anderen Ländern der Welt, in denen keine US-Truppen stationiert waren, der Fall war, so dürfte auch die populäre Musik in Korea keine wesentlich andere Entwicklungsrichtung eingeschlagen haben. Unbestritten ist jedoch, dass diese Shows den Entwicklungsprozess bis zum heutigen Stand der koreanischen populären Musik stark verkürzt haben. Und es ist sicherlich interessant, dass die „komprimierte Modernisierung“, die als größte Besonderheit des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wachstums in Korea gilt, auch im Bereich der populären Musik erkennbar ist. 

The Kim Sisters erobern Las Vegas

Zhang Eu-jeong Musikhistorikerin, Professorin für Allgemeine Bildung an der Dankook University

 

Auftritte in der Ed Sullivan Show und Dean Martin Show, die erste asiatische Girlgroup, die es nach Las Vegas schaffte – das sind einige der Bravourstücke der koreanischen Mädchenband The Kim Sisters, die schon rund 60 Jahre vor dem großen Durchbruch der Boygroup BTS die amerikanischen Bühnen eroberte. Die Band bestand aus Sue Kim (Kim Suk-ja) und Aija (Kim Ai-ja), den Töchtern des Komponisten Kim Hae-song und der Sängerin Yi Nan-yeong, die die Anfänge der koreanischen Populären Musik stark geprägt hatte, sowie Mia Kim (Kim Min-ja), der Tochter des Komponisten Lee Bong-ryong, dem älteren Bruder von Lee Nan-young. Nach ihrem Karrierestart 1953 erlangten die Kim Sisters mit ihrem Talent für verschiedene Instrumente, Gesang und Tanz so große Beliebtheit in den Shows für die Eighth Army (in Korea stationierte amerikanische Truppeneinheit), dass sie 1959 zu Aufführungen in die USA eingeladen wurden.

2016, dem 100. Geburtsjahr von Lee Nan-young, hatte ich zweimal die Gelegenheit, mit Sue Kim, der Leiterin der Gruppe, zu sprechen, die heute in Henderson, Nevada, lebt. Hier eine edierte Version des Interviews von damals:

The Kim Sisters im Mai 1970 bei einer Homecoming Show im Seouler Rathaus. Es war ihr erster Korea-Besuch nach zwölf Jahren. Ihre an vier Tagen präsentierten Shows waren Riesenerfolge. Von links: Mia, Sue und Aija Kim. © Newsbank

Wie kam es zur Gründung der Kim Sisters?
Meine Mutter hat die Band gegründet. Mein Vater wurde zu Beginn des Koreakrieges nach Norden verschleppt, sodass meine Mutter für den Lebensunterhalt der Familie sorgen musste. Zunächst trat sie dafür alleine in den Eighth-Army-Shows auf. Doch als ihr das zu viel wurde, schlossen sich meine ältere Schwester Yeong-ja und ich ihr an. Ich erinnere mich noch, dass wir Stepp getanzt und dazu ein spanisches Lied gesungen haben. Aber dann machte Yeong-ja plötzlich einen Wachstumsschub. Ihren Platz nahmen daher meine jüngere Schwester Aija und unsere Cousine Min-ja (Mia) ein. Aus uns dreien wurden dann die Kim Sisters.

Seit wann bekamen Sie Musikunterricht und was haben Sie gelernt?
Schon in jungen Jahren haben wir von Vater Musikstunden bekommen. Ich war damals sechs. Wenn Vater irgendwo plötzlich auftauchte und „Eins, zwei, drei!“ rief, mussten wir sieben Geschwister sofort einen Kanon schmettern oder in Harmonie singen. Machte einer einen Fehler, bekamen wir auch schon mal die Rute zu spüren. Er nahm uns gelegentlich zu seinen Treffen mit Freunden und Bekannten mit, wo er uns dann folgendermaßen vorstellte: „Ich mag zwar nicht viel Geld haben, aber meine Kinder sind mein Vermögen.“ So sehr liebte er uns und war stolz auf uns. Aber er war sparsam mit Zärtlichkeiten, sodass mir, wenn ich an ihn denke, zuerst seine strenge Miene einfällt. Ich erinnere mich noch ganz genau daran, wie Mutter damit drohte, ihre Sachen zu packen und das Haus zu verlassen, weil sie mit seinen Lehrmethoden nicht einverstanden war.

Meine Mutter war ganz anders. Um uns auf die Bühne der Shows in den Clubs der US-Soldaten zu bringen, lernte Mutter die englischen Lieder zunächst selbst und brachte sie uns dann – anders als Vater – mit liebevoller Aufmerksamkeit bei. Im Übungsraum gab es immer einen mit einem weißen Tuch bedeckten Korb voller Obst wie Bananen, die damals nur schwer zu bekommen waren. Mutter versprach, uns eine zu geben, aber erst, wenn wir das neu zu lernende Lied beherrschten, weshalb wir uns natürlich eifrigst bemühten.

The Kim Sisters und die Sängerin Lee Nan-young (1916-1965; Mitte) bei einem Auftritt in der Ed Sullivan Show im Jahr 1963. © Newsbank

Wann gingen Sie zum ersten Mal in die USA und wie waren die Reaktionen?
1958 unterzeichnete Mutter mit einem amerikanischen Agenten einen Vertrag. Es ging aber nicht sofort in die USA, sondern im Winter zunächst einmal auf die japanische Insel Okinawa, wo wir vor US-Soldaten aufführten. Erst danach flogen wir im Januar 1959 nach Las Vegas. Wir hatten einen Vertrag für vier Wochen bekommen. Da wir damals aber in einer Situation waren, in der eine Rückkehr nach Korea unmöglich war, haben wir wirklich unser Bestes gegeben. Glücklicherweise war bereits unser erster Auftritt ein großer Erfolg und unser vierwöchiger Vertrag wurde immer wieder verlängert. Wir traten dann sogar 22 Mal in der beliebten Ed Sullivan Show auf, in der damals nur die bekanntesten Sänger wie Elvis Presley oder Louis Armstrong zu sehen waren. Die Entscheidung über Auswahl und Arrangement der Lieder und Kostüme lag in meiner Hand.

Ihre Mutter muss sich große Sorgen gemacht haben, als sie ihre noch jungen Töchter in die weit entfernte USA geschickt hat. Gab es irgend etwas, das sie Ihnen besonders ans Herz legte?
Sie hat uns nur um zwei Dinge gebeten: „Vertragt euch miteinander“ und „Lasst euch nicht auf Liebeleien ein“. Mutter wollte, dass wir drei zusammenhalten und gut miteinander auskommen. Sie riet uns, uns von Männern fernzuhalten, da es zu einem Bruch zwischen uns kommen könnte, wenn ein Mann auf der Bildfläche erschiene. In Korea hatte keine von uns einen Freund gehabt, und auch in den USA hatte keine das Bedürfnis, Männerbekanntschaften zu machen.

Ist Ihnen aus der damaligen Zeit in den USA etwas besonders in Erinnerung geblieben?
Wir vermissten das koreanische Essen sehr. Aijas Sehnsucht nach Kimchi war so groß, dass sie sogar einmal Gelbsucht bekam. Damals waren die Arbeitsbedingungen noch schlecht. Nach einem Auftritt konnten wir uns nur kurz auf einem Bett neben der Bühne ausruhen, bevor der nächste Auftritt anstand. Eines Tages brach Aija dann weinend zusammen und sagte, dass sie unbedingt Kimchi essen müsse. Schließlich schickte man uns ein Paket Kimchi aus Korea zu, es brauchte Ewigkeiten, bis es ankam. Als ich es dann abholen ging, war es aber nicht mehr da. Die Kimchibrühe war ausgelaufen, sodass man es weggeworfen hatte.

Wie sah das Leben der Kim Sisters in den USA danach aus?
Im März 1967 heiratete Aija, im April dann Mia. Ich fühlte mich danach sehr einsam. Im April 1968 heiratete ich meinen jetzigen Mann John. Er war ein großer Fan von mir und hatte unsere Show acht Mal gesehen. 1973 lösten sich The Kim Sisters auf, aber 1975 kam meine große Schwester Yeong-ja dazu und wir traten bis 1985 auf. Nachdem Yeong-ja ausgeschieden war, haben Aija und ich mit unseren Brüdern Yeong-il und Tae-seong unter dem Namen „The Kim Sisters & The Kim Brothers“ weitergemacht. Als Aija 1987 an Krebs starb, trat ich mit Yeong-il und Tae-seong als „Sue Kim & The Kim Brothers“ auf. 1994 verletzte ich mir dann bei einem Verkehrsunfall den Rücken, sodass ich nur noch selten auftrat. Ich bereitete mich auf die Immobilienmaklerprüfung vor, die ich im achten Anlauf bestand. Seitdem arbeite ich schon über 20 Jahre als Maklerin. 

Lee Kee-woong Forschungsprofessor für das Projekt Humanities Korea, Institute for East Asian Studies an der SungKongHoe University

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