Immer häufiger suchen koreanische Unternehmen die Zusammenarbeit mit Künstlern bzw. treten als ihre Förderer auf. Entweder zur Umsetzung der Firmenphilosophie oder zur Steigerung des Markenwerts. So wird zur Entwicklung von Kunst beigetragen, Künstlern bei der Umsetzung ihrer kreativen Ideen geholfen und unser Alltag durch neue Kunsterlebnisse aufgefrischt.
A Guest in Paradise. Jeon Byeong Sam. 2023. Projektionsmapping auf konzentrischen Schichten aus Fotos. Durchmesser: 300 cm.
Dieses Werk, das auf dem 2023 Paradise Art Lab Festival ausgestellt wurde, zeigt einen dreimilliardenfach vergrößerten außerirdischen Mikroorganismus mit einem Durchmesser von etwa drei Metern. Das Paradise Art Lab ist eine von der Paradise Cultural Foundation organisierte Veranstaltung, um ein Podium für Werke zu bieten, die Kunst und Technologie miteinander in Verbindung setzen.
© Paradise Cultural Foundation
Der Begründer der Videokunst Nam June Paik sagte einmal: „Kurz ist die Kunst und lang das Leben“. Gemeint war wohl, dass der Fortschritt der Technologie Medienkunst in kürzester Zeit wieder obsolet macht. Anders ausgedrückt: Es gibt keine Technologie oder Kunst, die für sich alleine stehend ewig währen würde. Heute reicht die Technologie der Kunst die Hand, und die Kunst stützt sich auf die Technologie. Im Namen der Medienkunst werden Genre-Grenzen überschritten, Branchen-Barrieren aufgelöst. Und oft beteiligen sich Unternehmen an solchen künstlerischen Innovationen.
Unternehmensphilosophie
Das Paradise City auf der Insel Yeongjong-do in Incheon ist ein Resort der Extraklasse. Im September 2023 ist es hier inmitten eines überdachten Platzes, der als Einkaufspassage bzw. Eventhalle dient, zu einem „Meteoriteneinschlag“ gekommen. Die Besucher können via VR-Brille mit einer Meteoriten-Plastik interagieren oder Licht- und Tonsignale auf Basis der Analyse der von den Meteoritenkristallen erzeugten Wellen erleben. Dies ermöglichen die Installationen wie Echosphere des Künstlerteams Roomtone, Meteorite Appraisal von Park Keun-ho oder Transmitting Wave Signals into the Cosmos von Yun Je-ho. Neben ihnen gab es noch viele weitere Künstler, die am 2023 Paradise Art Lab Festival teilgenommen haben.
Seit 2018 betreibt die Paradise Cultural Foundation das Paradise Art Lab, ein Projekt, das Erkundung der Gegenwartskunst, Entwicklung von Zukunftsvisionen sowie Unterstützung der Schaffung und Verbreitung von interaktiven Werken zum Ziel hat. Die Paradise Group vertritt die Philosophie, dass Erholung nicht allein Vergnügung und Entspannung bedeuten. Sie ist fest davon überzeugt, dass künstlerische Erlebnisse an Urlaubs- und Erholungsorten Menschen inspirieren und anrühren können.
Neue Erlebnisse
Meteorite Appraisal. Park Keun-ho (Chamsae). 2023. Kristallperlen, Stahlrahmen, Motoren und LEDs. 600 × 240 × 240 cm.
Dieses beim 2023 Paradise Art Lab Festival ausgestellte Werk zeigt einen auf die Erde gefallenen Meteoriten. Der Künstler Park Keun-ho (Chamsae) ist bekannt für seine Medienarbeiten, die den Raum mit physischen Eigenschaften füllen. Um festzustellen, wie der Meteorit Energie emittiert, installierte Park Module aus Kristallen und Licht, die mit Energieteilchen in Resonanz treten.
© Paradise Cultural Foundation
Echosphere. ROOMTONE. 2023. VR- und Videoinstallation. 4 Minuten.
Dieses Werk des Künstlerduos ROOMTONE (Kim Dong-wook/Jeon Jin-kyung) stellt durch die Verwendung metaphorischer Bilder und Erzählungen die Verbundenheit von Mensch und Universum sowie den Sinn der Existenz dar. Die Künstler nutzen virtuelle Realität und digitale Spiele als Medium, um immersive Erlebnisse aus der Interaktion zwischen realen und virtuellen Sinnen zu schaffen. Dieses Werk war ebenfalls Teil des 2023 Paradise Art Lab Festival.
© Paradise Cultural Foundation
In diesem Jahr fanden im COEX Center in Gangnam-gu, Seoul, die globalen Kunstmessen Frieze Seoul und KIAF Seoul statt. Unter den vielen hochpreisigen Werken gab es ein Werk, das mit seiner Strahlkraft besonders ins Auge fiel. Es handelte sich um das Punktgemälde 14-III-72 #223 von Meister Kim Whanki (1913–1974), das mittels eines OLED-Fernsehers von LG eine Wiedergeburt erlebt hatte. Das Werk, bestehend aus unzählig vielen roten Punkten, die konzentrische Kreisen bilden, entfaltete auf dem ultragroßen, hellleuchtenden Bildschirm seine ganze Wirkung und erweckte beim Betrachter das Gefühl, direkt in das Bild eintauchen zu können. Kim Whanki, den die durch Farben und Formen erzeugten Wellen, Geräusche und Bewegungen stets fasziniert hatten, wäre beim Anblick dieses Werkes bestimmt angetan gewesen.
LG OLED von LG Electronics nahm an der diesjährigen Frieze Seoul als Hauptpartner teil. Ein ungewöhnlicher Schritt, denn meist sind es große, internationale Banken, die als Sponsoren berühmter Kunstmessen wie die Art Basel oder Frieze auftreten. Denn es sind schließlich ihre VIP-Kunden, für die Kunstwerke auch als Investitionsgegenstand interessant sind. In den letzten rund zwanzig Jahren war es dann auch die Deutsche Bank gewesen, die als Hauptsponsor die Frieze Art Fair unterstützt hatte. Dass ihr Platz nun ein Elektronik- und Technologieunternehmen einnahm, hängt viel mit der vierten Industriellen Revolution zusammen, die einen großen Wandel in der verarbeitenden Industrie mit sich gebracht hat.
„Ein Unternehmen, das nur Produkte verkauft, kann nicht überleben. Heute geht es vielmehr um den Verkauf der spezifischen Kultur eines Unternehmens. Ökonomen sagen sogar, dass produktfokussierte Unternehmen bald zu Zulieferern der Kulturanbieter degradiert werden“, so die Meinung von Suh Jin-suk, der nach der Mitwirkung an der Eröffnung des auf Medienkunst spezialisierte Ulsan Art Museum nun das Busan Museum of Art leitet. Er vertritt die Ansicht, dass wir jetzt im Zeitalter des Neo-Bauhauses leben. Er meint, das Bauhaus, das am Anfang des 20 Jhs. die ästhetische Kunst mit Funktionalität zu verbinden versuchte, jetzt wieder auflebt, und betont: „Wird Technologie in Form von physischen Geräten realisiert, erfüllt sie eine technische bzw. funktionale Rolle, aber verbunden mit einer Sensibilität für das Künstlerische kann sie noch tiefer auf unser Leben einwirken.“ Technologische Entwicklung schafft lediglich den funktionalen Rahmen, erst die Kunst schafft ein kulturelles Umfeld. Deshalb werben Unternehmen heute auch lieber mit „neuen Erfahrungen“, anstatt auf den neuesten Stand der Entwicklung zu pochen.
Die OLED-Displays von LG kamen auch im National Museum of Korea in Yongsan-gu, Seoul, zum Einsatz. Zwischen Mai und Oktober fand hier die Ausstellung Companions on the Eternal Journey: Earthenware Figurines and Vessels from Ancient Korea statt, in der Grabbeigaben aus der alten Silla- und Gaya-Zeit zu sehen waren. Wenn auf den Bildschirmen, die mit einer Dicke von gerade mal 17 mm täuschend echt Glasvitrinen ähneln, das Leben der Menschen von vor rund 1.600 Jahren erleuchtete, staunten Erwachsene und Kinder, rückten neugierig näher an die Displays heran. Dank der OLED-Technologie ist in der Ancient Greece and Rome Gallery des Museums auch zu sehen, wie eine Büste von Zeus dramatisch zwischen Wolken und Blitzen erscheint.
LG Electronics, das mittels Konvergenz von Spitzentechnologie und Kunst eine Steigerung des Markenwerts anstrebt, hat mit dem Solomon R. Guggenheim Museum für den Zeitraum bis 2027 die Art and Technology Initiative abgeschlossen und den LG Guggenheim Award ins Leben gerufen. Jedes Jahr soll ein Künstler, der innovative Kunstwerke mithilfe neuer Technologien präsentiert, mit einem Geldpreis in Höhe von 100.000 US-Dollar ausgezeichnet werden.
Evolutionäre Entwicklung des Umfelds
Besucher der SHOUT Art Hub & Gallery im Einkaufszentrum Hysan Place in Honkong schauen sich auf der digitalen Kunstausstellung The Frame Digital Art Gala um, bei der die Lifestyle-TV-Geräte „The Frame“ von Samsung Electronics verwendet wurden. Die auf Zusammenarbeit zwischen Samsung Electronics und SHOUT Art Hub & Gallery basierende Ausstellung fand im Jahr 2022 statt.
© Samsung Electronics
Vibration Club 2020. Oh Do-hahm. 2020. PVC-Airball, taktiler Wandler, Bass-Shaker, Verstärker mit variabler Dimension.
Der Künstler Oh Do-hahm, der in verschiedenen Bereichen wie Musik, Planung von Aufführungen und Bildender Kunst tätig ist, hat ein Gerät entwickelt, mit dem man Musik taktil genießen kann. Oh ließ sich von einer gehörlosen Person inspirieren, die Musik durch die Vibration einer an einem Lautsprecher befestigten Matratze wahrnahm. Dieses Werk wurde im Open Studio von ZER01NE, einer von der Hyundai Motor Group im Jahr 2020 gesponserten Plattform für kreative Talente, präsentiert.
© ZER01NE
Samsung Electronics ermöglicht es, sich berühmte Meisterwerke direkt ins Wohnzimmer zu holen. Zu sehen sind sie durch den Abonnementdienst „Samsung Art Store“ auf den Samsung Lifestyle-TV-Geräten „The Frame“. Rund 2.300 Werke aus Kunstmuseen und Galerien wie dem spanischen Museo del Prado oder der Österreichischen Galerie Belvedere sowie Erzeugnisse verschiedener Genres wie Fotografie, Illustration und digitale Kunst werden in 4K-Auflösung angeboten. Die hochentwickelte TV-Technologie verbessert also den Zugang zur Kunst und bringt sie direkt in den Alltag der Menschen.
Ein weiteres Technologieunternehmen mit Medienkunst-Ambitionen ist der Automobilhersteller Hyundai Motor Company. Es unterhält das sog. „Artlab“, das dem Austausch Staatsgrenzen transzendierender Perspektiven und den Diskursen über den Zeitwandel dienen soll. Es werden Projekte wie LACMA Art + Technology Lab in Zusammenarbeit mit dem Los Angeles County Museum of Art und ART + TECHNOLOGY gemeinsam mit Bloomberg Media durchgeführt. Auch der VH AWARD zur Förderung des Schaffens und Ausstellens, die Plattform für kreative Talente ZER01NE und Hyundai Blue Prize Art+Tech zur Unterstützung der Kuratoren der Medienkunst gewinnen immer mehr an Bekanntheit. Über dieses Engagement sagt eine Vertreterin des Unternehmens: „Technologie ist kein reines Werkzeug mehr, sie bestimmt mehr und mehr unser Umfeld. Die neue Zeit erfordert eine Neudefinierung der Beziehung zwischen Mensch und Maschine.“ Weiter meint sie: „Angesichts des jüngsten Fortschritts der künstlichen Intelligenz ist die Fähigkeit, kreative Fragen zu stellen, wichtiger geworden. An der Schnittstelle von Kunst und Technologie gilt es, die Gegenwart zu überprüfen und Wege für Zukunft der Menschheit zu finden.“
Für Unternehmen ist heutzutage ein Wandel im Denken angesagt. Professorin Han Yeo-hoon, die an der Hongik Universität Verbraucherpsychologie im Zusammenhang mit kunstbezogenen Aktivitäten der Unternehmen forscht, erklärt: „Vor 2000 konkurrierten die Unternehmen um technologische Leistung. Inzwischen sind die Technologieunterschiede jedoch so gering, dass ein Vorsprung nur noch durch ‚vollkommene Innovation‘ möglich ist.“ Sie meint: „Zeitgenössische Künstler sind nicht mehr um die technisch geschickte Wiedergabe des Objekts bemüht, sondern sie nutzen die Technologie, um ihre Philosophie und Weltanschauung in einer neuen Kunstform darzustellen. Und gerade dadurch kommen sie mit dem Begriff der Innovation eines Unternehmens in Berührung. Auch die OLED-Technologie gewinnt ein viel größeres Potenzial in Kombination mit einem Kunstwerk.“ Sie fügt noch hinzu: „Damit die technologische Innovation ein attraktives Gewand erhält, sind Vorstellungskraft und Schaffensprozesse vonnöten, die sich der Technologie bedienen. Durch die Arbeit von Künstlern ließe sich die Nutzungsmöglichkeit der Technologie quasi ins Unendliche treiben.“ Das ist der Grund, warum ein Zusammenwirken von Kunst und Technologie so wertvoll ist.