메인메뉴 바로가기본문으로 바로가기

Features > 상세화면

2024 SUMMER

SEONGSU-DONG: ZURÜCK IN DIE ZUKUNFT

Rote Backsteine: Ein Medium zwischen Alt und Neu

Seongsu-dong steht beispielhaft für die erfolgreiche Wiederbelebung eines Viertels. Sein besonderer Charme ist nicht zuletzt auf die roten Backsteine der ehemaligen Fabrikgebäude zurückzuführen, die sich zwischen den 1970ern und 1990ern hier einrichteten. Ihr Erhalt trägt zur Bewahrung eines Stückes Geschichte bei und sorgt für ein unverwechselbares Stadtbild.

Das Duo für Design und Handwerk Fabrikr (Kim Dong-gyu und Kim Seong-jo) drückt Kontext und Materialeigenschaften durch eine sehr eigene Gestaltungssprache aus. So fügt sich das Café onion in Seongsu-dong nahtlos in seine Umgebung ein, indem dafür gesorgt wurde, dass sein abgenutztes Äußeres erhalten blieb.
© Heo Dong-wuk

Die Verwendung von Ziegelsteinen im großen Stil begann in Korea mit der Öffnung der Häfen für die Außenwelt 1876, was wiederum den Bedarf an Neubauten rapide anwachsen ließ. Backsteine galten als ideales Baumaterial, da sie feuer- und witterungsbeständig, einfach herzustellen sowie leicht zu transportieren und zu verlegen waren. Dann kam der Stahlbeton, und Ziegelsteine wurden v. a. für die Verkleidung der Gebäudehülle eingesetzt. Je nach Stapelmethode, Mörtelmischung oder Verlegungsart der standardisierten Steine konnten unterschiedlichste Wirkungen erzielt werden.

Bummelt man durch die Straßen von Seongsu-dong, dem derzeit angesagtesten Viertel von Seoul, erkennt man leicht, wie präsent die roten Backsteingebäude hier sind. Sie prägen das Straßenbild, das von einer langen Entstehungsgeschichte zeugt.

Erhaltung des einzigartigen Flairs

Rote Backsteingebäude machen etwa 30 Prozent der gesamten Bauten in Seongsu-dong aus. Dieser hohe Anteil ist auf die Sonderstellung des Viertels zurückzuführen, das seit der Moderne als Industriegebiet gestaltet und durch den Erlass des Stadtplanungsgesetzes im Jahr 1962 als Halbindustriegebiet ausgewiesen wurde. Mit einem 1966 durchgeführten Projekt zur Stadterneuerung entstand das heute so typische gitterartige Straßensystem des Viertels. Im Zuge der Entwicklung zu einem Leichtindustriegebiet in den 1970er Jahren errichteten hier viele kleine Unternehmen Fabriken und Lagerhäuser aus roten Backsteinen, und in den 1980er bis 90er Jahren kamen durch die Erweiterung der Wohngebiete massenweise kleine Häuser mit demselben Baumaterial hinzu. In dieser Zeit wurde Rot zur dominantesten Farbe in ganz Seongsu-dong.

In den 2000er Jahren kam die nächste Wende. Die koreanische Industriestruktur durchlief einen Wandel, was sich auch auf die verarbeitende Industrie in Seongsu-dong auswirkte und viele der Fabriken und Lagerhäuser schließen mussten. Die leerstehenden Räumlichkeiten zogen wiederum Fotografen und Designer an, die sie, ohne groß zu renovieren, als Studios oder Showrooms nutzten. Das sorgte für Aufsehen, sodass sich der Blick auf Seongsu-dong änderte, welches nunmehr als „hippes“ Kultur- und Kunstviertel galt.

Es gab auch eine auf der Ebene der Behörde herbeigeführte Änderung. Ein Großteil der bestehenden Gebäude in Halbindustriegebieten sollten abgerissen werden. Eine solche Maßnahme können leicht die Spuren der Vergangenheit verwischen und das Stadtbild vereinheitlichen. Doch Seongsu-dong unterscheidet sich von anderen Vierteln darin, dass auf der Grundlage seines industriellen Erbes neue Werte geschaffen werden konnten. Das für Seongsu-dong zuständige Bezirksamt erließ 2017 die „Verordnung über die Erhaltung und Unterstützung von Gebäuden aus roten Backsteinen in Seongdong-gu der Stadt Seoul“ mit dem Willen, den historischen Kontext dieses Gebietes und die dadurch geschaffene Einzigartigkeit des Viertels zu bewahren. So konnte ein Weg der Stadterneuerung gewählt werden, bei dem beides berücksichtigt wurde: eine Modernisierung und gleichzeitige Wahrung der Eigenart.

Seongsu WAVE. Ein ehemaliges Mehrfamilienhaus, das von JYA-RCITECTS in ein Geschäftsgebäude umgewandelt wurde. Die kurvige, wellenförmige Fassade vermittelt ein Gefühl der Offenheit und zollt gleichzeitig der Identität des Viertels Respekt.
© Hwang Hyochel

Erhalt und Ausbau

Daelim Changgo steht stellvertretend für den Aufstieg von Seongsu-dong. In den 1970er Jahren als Reismühle erbaut, diente das Gebäude später lange Zeit als Lagerhaus, bevor Ende der 2000er Jahre schließlich ein Fotograf sein Studio dort einrichtete. Dieses gewann durch Mundpropaganda immer mehr an Bekanntheit und konnte ab 2011 durch große Modenschauen, Rockkonzerten und Ausstellungen einige Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Ähnlich verhält es sich mit dem Gebäude des 2016 eröffneten Café onion, das die Spuren von über 50 Jahren als Supermarkt, Restaurant, Wohnung, Reparaturwerkstatt und Fabrik bis heute in sich trägt.


Das Gebäude, das heute Daelim Changgo beherbergt, diente ursprünglich als Reismühle und dann lange als Lagerhaus. Das alte Erscheinungsbild blieb unverändert, nur der Innenraum wurde zu einem Café mit Galerie umgestaltet. Es ist ein repräsentatives Beispiel für die Stadterneuerung in Seongsu-dong und hat sich zu einem der Wahrzeichen des Viertels etabliert.
© Lee Min-hee

Das LCDC SEOUL, 2021 ins Leben gerufen, stellt verschiede Räumlichkeiten zur Verfügung und ist in einer alten, ca. 1650 großen Autowerkstatt untergebracht. Das Gebäude wurde renoviert und insofern ausgebaut, als dass die Backsteinwände des bestehenden Gebäudes teilweise mit Beton verkleidet wurden und ein gänzlich aus Beton gefertigter Anbau hinzugefügt wurde, um einen Kontrast und zugleich eine Überlappung von Vergangenheit und Gegenwart zu schaffen. Der für den Entwurf verantwortliche Architekt beantwortete die Frage, wie man die Ordnung des bestehenden Gebäudes beibehalten kann, mit einem Wort: „Konservierung“.

Für das im letzten Jahr fertiggestellte Zentrum Seoul Urban Manufacturing Hub, das sog. Seongsu Silo, hatte es 2018 einen öffentlich ausgeschriebenen Wettbewerb gegeben. Die Vorgaben sahen eine Erweiterung des Gebäudes bei gleichzeitigem Erhalt eines Teils des Bestandsgebäudes einschließlich der roten Backsteinfassade vor. Auf diese Weise versuchte man im Rahmen der politischen Möglichkeiten, alte Baustrukturen in Seongsu-dong zu erhalten und zu fördern. Das ehemalige Fabrikgebäude besaß eine Rahmenstruktur aus Beton, aufgefüllt mit Ziegelsteinen. Zur Schaffung einer „neuen Art von Fabrik“, platzierte das Architektenteam an der Front des Gebäudes Raumelemente, die an Silos erinnern sollen. Darunter der sog. Shoes Silo, dessen Rückwand aus Ziegelsteinen, die Fassade jedoch aus Glas besteht, um einen Ausdruck von sowohl Offenheit als auch Unabhängigkeit zu gewährleisten. Darüber hinaus wurden beim Boden inner- und außerhalb des Gebäudes durch den Einsatz gleichartiger Ziegelsteine ein Kontinuum geschaffen, das einen fließenden Übergang von außen nach innen schafft.

Shoes Silo verfügt über eine Fassade aus Glas und eine Rückwand aus Ziegelsteinen, wodurch ein offener und zugleich unabhängiger Raum entsteht. Die Society of Architecture (SoA) hat die alte Fabrik so umgebaut, dass Produktion, Planung, Vertrieb, Marketing und Konsum in ein und demselben Raum stattfinden. Für das Gebäude wurden rote Backsteine verwendet, um sich der charakteristischen Landschaft von Seongsu-dong anzupassen.
© SoA; Foto: Kyungsub Shin

Möglichkeiten erkunden

In Seongsu-dong werden derzeit auch bei Neubauten rote Backsteine verwendet. Die 2021 eröffnete Denkfabrik ist eines der zahlreichen Knowledge Industry Centers in Seongsu-dong und verfügt über eine Gesamtfläche von mehr als 66,000 . Da man den architektonischen Kontext des alten Fabrikkomplexes fortsetzen wollte, entschied man sich bewusst für den Einsatz roter Ziegel. Die unteren Stockwerke der Bürogebäude und das gesamte Geschäftsgebäude sind mit roten Backsteinen verkleidet, sodass eine visuelle Verbindung zwischen den Gebäuden entsteht. Zudem wurde Innerhalb eines der Gebäude eine zwei Stockwerke hohe Wand mit roten Backsteinen verkleidet, die nach oben hin mehr und mehr durch Glaselemente abgelöst werden, was den Übergang von Vergangenheit und Zukunft impliziert.

Das Knowledge Industry Center Denkfabrik kombiniert ein Geschäftsgebäude mit zwei Bürogebäuden. Um die Kontinuität zwischen den drei Bauten zu wahren, entschied sich das Design- und Architekturbüro dmp für rote Backsteine, mit denen das Geschäftsgebäude und die unteren Stockwerke der Bürogebäude verkleidet wurden. Das Foto zeigt den Innenbereich des Geschäftsgebäudes Seongsu NakNak.
© Yoon Joon-hwan 

Auf diese Weise tragen Gewerbe- und Büroräume sowie öffentliche Räume, für die auf unterschiedliche Weise und mit unterschiedlichen Strategien die roten Ziegel genutzt wurden, als physisches Medium zwischen Alt und Neu zur erfolgreichen Stadterneuerung bei. Dies ist insofern von Bedeutung, als dadurch der historische Kontext der Stadt verstanden bzw. respektiert und die einzigartige Sprache des Ortes weitergepflegt wird. Die Gefahr in der Nostalgie besteht allerdings darin, dass man, wie Leatherbarrow und Mostafavi in dem Buch Surface Architecture anmerken, die Augen für die Möglichkeiten anderer Materialien und Bauweisen verschließen könnte. Daher ist es auch wichtig, die alte Anwendungsmethode der Backsteine als Baumaterial und ihre Möglichkeiten weiter zu erforschen. Dann wird die Verbindung zwischen der Vergangenheit und Gegenwart von Seongsu-dong nicht nur als oberflächliches Image verbleiben, sondern auch zu einer nachhaltigeren Stadterneuerung führen. 


Park Semi Architekturjournalistin

전체메뉴

전체메뉴 닫기