Im Kunsthandwerk verdichtet sich regionale Kultur. Denn Orte mit hochwertigem Material ziehen kunsthandwerkliches Treiben an und die Geschichte und Kultur einer Region färbt auf die Werke ab. Regionalität ist ein weltweiter Trend und so rückt auch das dort verwurzelte Handwerk wieder in den Fokus.
Eine Matte weben von Kim Hong-do. Ende des 18. Jhs. Tusche und leichte Farben auf Papier. 28 cm × 23,9 cm.
Auf dem Gemälde liest der junge Sohn laut aus einem Buch, während der Vater eine Matte webt und die Mutter Fäden spinnt. In der Joseon-Zeit verdiente man mit dem Kunsthandwerk seinen Lebensunterhalt.
© National Museum of Korea
Schmiede von Kim Hong-do. Ende des 18. Jhs. Tusche und leichte Farben auf Papier. 27,9 cm × 24 cm.
Das Gemälde stellt Arbeiter da, die fröhlich auf das Metall auf dem Amboss einhämmern. In einer Schmiede wurden alle Arten von Metallwerkzeugen hergestellt. Davon existieren heute nur noch wenige auf traditionellen Märkten in kleinen ländlichen Städten.
© National Museum of Korea
Das Gyuhap chongseo (Enzyklopädie für Frauen, frühes 19. Jh.) ist ein Lexikon mit Informationen zur Haushaltsführung. Separate Erwähnung hochwertiger Güter aus ganz Korea in diesem Buch gewährt historisch wertvolle Einblicke in das damalige Konsumverhalten. Einige der von der Verfasserin Yi Seon-jeong (Beiname: Bingheogak) aufgelisteten Kunsthandwerksorte beklagten im Zuge der Modernisierung einen Schwund ihrer Tradition, aber viele konnten ihren Ruf bis heute erhalten.
Ein Kunsthandwerk wurzelt ausnahmslos in einer bestimmten Region. Denn die Region ist das Fundament gelebter Gemeinschaft, die Wissen und Weisheiten angehäuft hat. Die eigenhändige Herstellung von Haushaltsgegenständen für sich und die Mitglieder der Gemeinschaft war ein schwieriges Unterfangen, das stetige Verfeinerung des handwerklichen Geschicks erforderte. In einer traditionellen Gesellschaft stellte man üblicherweise Produkte aus Materialien her, die leicht zugänglich waren. Hwamunseok (Blumenmustermatte) von Ganghwa-do, Mosi (Ramie) von Hansan, Bambusprodukte von Damyang und Najeon Chilgi (Lackarbeiten mit Perlmuttintarsien) von Tongyeong sind beste Beispiele. Nur selten stellen Handwerksmeister Güter mit ortsfremden Materialien her. Besondere Werke erhalten daher als Gütesiegel zusätzlich den Namen des Materialortes.
Gemeinschaftsarbeit
Tonvase mit Phönix- und Rankenmuster und Perlmutt-Intarsien von Kim Bong-ryong. 1930er Jahre. Öffnung D: 27 cm, Bauch D: 27 cm, H: 61 cm.
Mit Lack überzogene Tonvase, die kunstvoll mit Phönix-, Sharon-Rosen- und Rankenmuster verziert ist und 1936 auf der Joseon Art Exhibition preisgekrönt wurde. Kim Bong-ryong aus Tongyeong ist bekannt für seine Perlmutt-Lackarbeiten, die auf den Traditionen von Joseon basieren. 1966 wurde dieser Meister für Lackarbeiten mit Perlmutt-Einlagen als erster Träger des Titels „Nationales Immaterielles Kulturerbe“ anerkannt.
© Wonju Museum of History
Die Stadt Tongyeong an der Südküste Koreas ist bekannt für Abalonen, deren Schale bedingt durch die starke Strömung in der Meeresenge eine außergewöhnlich feine und ausgeprägte Perlmutt-Schicht aufweist. Diese wird in Lackarbeiten, sog. Najeon Chilgi, verarbeitet. Das Handwerk hat den Wandel der Zeit überdauert und schon der Name und der Herkunftsort gelten als Qualitätsmerkmal. Möglich gemacht hat dies die seit ewigen Zeiten gepflegte Solidarität unter den Handwerksmeistern.
Während der japanische Invasion Imjinwaeran (1592 – 1598) war in Tongyeong das Hauptquartier der Seestreikkräfte unter dem Kommando von Admiral Yi Sun-sin (1545 – 1598), was den historischen Hintergrund für das berühmte Kunsthandwerk der Region liefert. Denn zur Bereitstellung von Kriegs- und Alltagsbedarf wurden zum ersten Mal in der Geschichte erfahrene Handwerksmeister zusammengezogen und systematisch Werkstätten betrieben. Und mit dem stetigen Anstieg der Zahl der Werkstätte entstand eine fortschrittliche Handwerkskultur. Man sprach auch von den „zwölf Werkstätten von Tongyeong“, was die große Menge an Werkstätten symbolisch darlegt.
Perlmutt-Meister Najeonjang, die die Innenseite von Abalonen-Schalen glatt reiben und schöne Muster anfertigen, können ohne Hilfe von Tischlermeistern Somokjang und Lackmeistern Chiljang ihr Werk nicht vollenden. Auch braucht es die Metallkunstmeister Duseokjang, die Metallbeschläge Jangseok herstellen. So ist das Najeon Chilgi eine Gemeinschaftsarbeit von in der Nähe lebenden Handwerkern – eine Tradition, die sich bis heute bewahrt hat.
„Jeosan Pareup“ bezeichnet acht Dörfer im Landkreis Seocheon der Provinz Chungcheongnam-do, in denen die Ramiepflanzen gut wachsen und die meisten Ramietoffe produziert werden. Mit „Seoksan Pareup“ werden wiederum acht Städte, die wichtige Herkunftsorte von traditionellen Schilfmatten sind, zusammengefasst. So erlangen Orte des Kunsthandwerks Berühmtheit nicht durch das Werk einzelner. Guter Ruf entsteht erst, wenn die Region in Gemeinschaftsarbeit für Produktion und Vertrieb sorgt. Für einen Hapjukseon-Faltfächer z. B. ist effiziente Zusammenarbeit von sechs bis sieben Werkstätten nötig. Schließlich müssen die Bambusrinde zu Streifen geschnitten und zusammengeklebt werden, um Fächerrippen anzufertigen, Papier gefaltet, Muster eingebrannt sowie dekorative Anhängsel geschnitzt werden. Je detaillierter der Herstellungsprozess aufgeteilt ist, desto höher sind die Arbeitseffizienz und die Produktqualität.
Geografische Vorteile
Tablet mit zwei Phönixen und Lotusblatt-Mustern, verziert und eingelegt mit Perlmutt von Kim Bong-ryong. Nach 1945. 40 cm× 40 cm.
Kim gründete in Tongyeong und Wonju Werkstätten und bildete viele Kunsthandwerker aus. Tongyeong ist für hochwertiges Perlmutt und Wonju für guten Lackbaumsaft berühmt, die beiden wichtigsten Materialien für Lackarbeiten mit Perlmutt-Einlagen.
© Wonju Museum of History
Im kalten Winter ist Messinggeschirr vorteilhaft. Stellt man etwa eine Reisschüssel aus Messing nahe der Feuer- und Herdstelle auf den Ondol-Fußboden und legt eine Decke drüber, bleibt sie noch stundenlang heiß. Messinggefäße überdauerten Generationen und ihre goldene Farbe wurde geschätzt. Ab dem 18. Jh. fand die Herstellungstechnik unter dem einfachen Volk im ganzen Land Verbreitung. Als die zwei Haupt-Zentren gelten Anseong in der Provinz Gyeonggi-do und das Dorf Napcheong in Jeongju der Provinz Pyeonganbuk-do. Diesen Orten gemein ist ihre Funktion als Logistikknotenpunkte auf dem Weg nach Seoul.
Anseong war früher bekannt für die Lieferung von Messingwaren an Adelsfamilien in der Hauptstadt. Die Anseong-Messingwaren wurden durch das Gießen von geschmolzenem Metall in eine Form hergestellt (Gusstechnik). Sie wurden so berühmt für ihre Präzision feinster Art und fristgerechte Lieferung, dass sogar der vergleichende Ausdruck „Anseong Matchum (Maßware aus Anseong)“ entstand, der auf eine Ware referiert, die alle Bedingungen und Wünsche der Kunden erfüllt. So beliebt waren Anseong-Messingwaren.
Bei der Herstellung von Napcheong-Messingwaren standen gleich mehrere Personen um einen Amboss und hämmerten auf eine Metallmasse ein (Bangjja-Technik). Der Umgang mit glühendem Metall war so anspruchsvoll, dass die knifflige Arbeit die Handwerker zusammenschweißte und mit Stolz erfüllte. Besonders bei der Herstellung von Musikinstrumenten wie der Jing (großer Bronzegong) und der Kkwaenggwari (kleiner Metallgong) fand diese Technik Anwendung, wobei zur Erzeugung des feinen Klangs meist nachts ohne störenden Alltagslärm gearbeitet wurde.
In Namwon der Provinz Jeollabuk-do am dicht bewaldeten Berg Jiri-san gelegen, konnte sich das Holzhandwerk besonders gut entwickeln. Hier wurden Holzstücke auf der Drehmaschine gedrechselt und sehr effektiv kleine, runde Schalen, Gefäße für traditionelle Ahnengedenkrituale oder Inambak (Holzschüssel mit Innenrillen zum Waschen von Reis usw.) angefertigt. Holzdrehgeräte erscheinen auch in den Genrebildern der Joseon-Zeit (1392 – 1910), anhand derer sich die Holzwarenherstellung von damals nachvollziehen lässt. Noch heute wird diese traditionelle Fertigungsmethode in Namwon gepflegt und weitergegeben.
An Orten hochwertigen Kunsthandwerks sorgte die Konkurrenz der Handwerker für gemeinsame Fortschritte, und ihr guter Ruf zog wiederum den Nachwuchs an. Auf diesem Fundament besteht das immaterielle Kulturerbe fort. Mit dem Gesetz zum Schutz des kulturellen Erbes von 1962 und seiner Politik zum Schutz immaterieller Erben ist Korea diesbezüglich ein gutes Beispiel im Sinne der UNESCO.
Alternativen für die Zukunft
Regionalität des Kunsthandwerks kommt heute eine neue Bedeutung zu. In der Moderne entwickelte sich die Kunstkultur mit den Städten als Zentren, was andererseits zum allmählichen Niedergang der ländlichen Regionen führte. Das Aufkommen des Stichwortes „Regionalität“ im geisteswissenschaftlichen Diskurs in letzter Zeit ist darauf zurückzuführen, dass das Aussterben der ländlichen Regionen zu einem realistischen Problem geworden ist. In diesem Kontext fällt ein neues Licht auf das Kunsthandwerk als eine wirksame Alternative zur Wiederbelebung der Regionen, nicht nur in Korea, sondern auch weltweit. Junge Kreativschaffende lassen sich vom Kunsthandwerk inspirieren und Handwerksmeister der Regionen suchen nach neuen Wegen, indem sie ihr Wissen und ihre Kunst neu interpretieren.
Das Kunsthandwerk, das spezielle und vollendete Fertigkeiten erfordert, kann eine Alternative zur Konsumgesellschaft und der Massenproduktion darstellen. Auch die Hinwendung der jüngeren Generation von stereotypischen Produkten und Inhalten zu regionalen Kulturcontents übt eine unterstützende Wirkung für die Wiederbelebung des lokalen Handwerks aus. Es gilt mit Ideen und Taten beizustehen, damit die Technik der Kunsthandwerker und die Handwerkskultur, die sie hervorgebracht hat, die Wiederbelebung der ländlichen Regionen bewerkstelligen können.
Messinggeschirr, das in Zusammenarbeit von Kim Soo-young und Gio Ki-sang im Rahmen des YÉOL-Projekts hergestellt wurde. Kim, der als Messingmeister Träger des Titels „Nationales Immaterielles Kulturerbe“ ist, pflegt die Tradition der Anseong-Messingwaren weiter. Er arbeitet auch mit jungen Designern zusammen und präsentiert Werke mit modernem Touch.
Mit freundlicher Genehmigung von YÉOL
Faltfächer, die der approbierte Nachfolger Kim Dae-sung 2021 bei dem Residenzprogramm Creativity Workshop des National Intangible Heritage Center hergestellt hat. Nach seinem Vater ist er das Familienmitglied in fünfter Generation, das die Tradition der Fächerherstellung in Jeonju weiterpflegt.
Mit freundlicher Genehmigung des National Intangible Heritage Center, Foto: Seo Heun-kang
Gesteppte Baumwollschachteln von Park Gyeong-hyi, die in zweiter Generation das Kunsthandwerk der Nubi (Stepperei) von Tongyeong weiterführt. Dabei verwendet sie das chinesische Schriftzeichen „亞“ als Muster in ihren Arbeiten, wodurch sie eine alte Tradition des Tongyeong-Nubi wieder aufleben lässt.
Mit freundlicher Genehmigung der Korea Craft & Design Foundation
Das Kunsthandwerk des Binsen-Webens entwickelte sich vor allem auf der Insel Ganghwa-do. Abgebildet sind Wildgans-Binsen-Boxen, die die approbierte Nachfolgerin des Binden-Kunsthandwerks Huh Sung-ja in Zusammenarbeit mit dem Studio Word geschafft hat.
Mit freundlicher Genehmigung der Korea Craft & Design Foundation
Eine Pendelleuchte, die in Zusammenarbeit mit dem Meister der Gat-Herstellung und Träger des Titels „Nationales Immaterielles Kulturerbe“ Jeong Chun-mo und dem Studio Word entstand. Die Tradition der Gat-Herstellung wurde weitgehend in Tongyeong und auf der Insel Jeju-do weitergegeben.
Mit freundlicher Genehmigung von Studio Word