Schätzungen zufolge befinden sich Stand Januar 2023 weltweit mehr als 229.000 koreanische Kulturgüter außerhalb des Landes. Bis August 2023 gelang der Overseas Korean Cultural Heritage Foundation (OKCHF) die Rückführung von über 1.200 dieser Kulturgüter, darunter auch als Nationalschätze ausgewiesene hochwertige Artefakte.
Transkription des Lotus-Sutra Band 6. ca. 14. Jh. Gold- und Silberschriften auf Indigopapier. 27,6 × 9,5 cm (gefaltet), 27,6 × 1.070 cm (ausgebreitet), 1,65 cm dick.Der sechste Band des Lotus-Sutra aus dem Goryeo-Reich, verziert mit Illustrationen und Transkriptionen buddhistischer Schriften, wurde im März 2023 aus Japan zurückgeführt. Der Text lehrt, dass jedem der Weg zu Buddha offen steht und beeinflusste maßgeblich die buddhistische Philosophie in Korea.
© National Palace Museum of Korea
Im Juli 2023 erhielt die OKCHF eine Schenkung der Amerikaner Gary Edward und Mary Ann Mintier: 1.516 Kunstwerke und Fotografien aus einer Sammlung, die das koreabegeisterte Ehepaar während ihres Aufenthalts in Seoul und Busan von 1969 bis 1975 zusammengetragen hatte.
Die Sammlung beinhaltete u. a. Gemälde, die die ganze Vielseitigkeit moderner koreanischer Kunst vermitteln. Historisch von hohem Wert waren auch die Fotografien von Busan der 1970er Jahre mit Bildern der Umgebung und des Alltags der Menschen zu jener Zeit. Das Busan Museum feierte sie mit einer Sonderausstellung unter dem Titel „Busan in 1970, a Special Perspective of Everyday Life“.
Karte des Großen Ostens (Daedongyeojido). 19. Jh. 30 × 20 cm (Einzelheft), ca. 6,7 × 4 m (ausgebreitet). Die Daedongyeojido wurde 1861 vom Geographen der Joseon-Zeit Kim Jeong-ho erstellt und nach drei Jahren teilweise überarbeitet. Das kürzlich wiederentdeckte Exemplar ergänzt die Ausgabe von 1864 anhand einer weiteren Karte von Kim, der Dongyeodo, und liefert detailliertere geografische Informationen. Die Sammlung besteht aus 23 Heften, einschließlich des Registers.
Mit freundlicher Genehmigung der Korea Cultural Heritage Administration
Selbstlose Spender
Zu den Aufgaben der 2012 gegründeten OKCHF gehört es, dem Verbleib koreanischer Kulturgüter in Übersee nachzugehen sowie Museen oder Galerien im Ausland bei Erhalt, Erforschung und Ausstellung der Relikte zu unterstützen. Des Weiteren sorgt sie sich um deren Rückholung, sei es in Form von Schenkungen oder durch Rückkäufe. Nach Angaben der Organisation befinden sich Stand Januar 2023 insgesamt 229.655 Kunstgegenstände in 27 Ländern, die meisten in Japan (über 95.000) und in den USA (über 65.000).
Die Rückführung von Kulturgütern gilt allgemein als sehr schwierig, da bei fehlender Bereitschaft der anderen Seite nur wenig Handlungsspielraum bleibt. Selbst im Falle einer unrechtmäßig erfolgten Aneignung gestaltet sie sich auf Grund des geltenden Völkerrechts als kompliziert. Deshalb erfolgt die Rückgabe oft über diplomatische Vereinbarungen, Ankäufe bei Auktionen bzw. durch private Transaktionen oder langfristige Ausleihverträge (faktische Rückgaben). Die gängigste Form ist jedoch die freiwillige Schenkung von Einzelpersonen, Institutionen und Ländern aus gutem Willen. Bis August 2023 gab es seit der Gründung der OKCHF insgesamt 1.204 Fälle von Rückführungen mit 2.482 Kulturgütern, viele davon durch Schenkungen. Wenn man bedenkt, wie viel Zeit und Geld die Besitzer in ihre Sammlungen investiert haben mussten, sind freiwillige Schenkungen edle Akte.
Einige dieser Spenden wurden in Anerkennung ihres historischen, wissenschaftlichen und künstlerischen Wertes zum „Staatlich ausgewiesenem Kulturerbe“ ernannt. Ein Beispiel ist die Buncheong-Keramik Gedenktafel von Yi Seon-je mit Intarsien, hergestellt im Fünften Gyeongtae-Jahr, auf dem der Name des Gelehrten Yi Seon-je, seine gesellschaftliche Stellung und seine Verdienste festgehalten sind. Von der Witwe des japanischen Kunstsammlers Tatashi Todoroki nach dessen Tod 2017 an Korea gespendet, wurde sie 2018 aufgrund ihrer anschaulichen Grabstein-Charakteristika der Joseon-Zeit zum Nationalschatz erklärt.
Kugelförmige Sonnenuhr (Iryeongwongu). 1890. Kupfer, Eisen. Höhe 23,8 cm, Kugeldurchmesser 11,2 cm.Anders als andere hemisphärische Sonnenuhren des Joseon-Reichs weist dieses Exemplar eine Kugelform auf und stützt sich auf einen Stab sowie einen blütenblattförmigen Sockel. Als wertvolles Artefakt zeugt es vom hohen Stand der Wissenschaft während der Joseon-Ära und wurde im März 2022 bei einer Auktion in den USA erworben.
© National Palace Museum of Korea
Artefakte mit Seltenheitswert
Unter den diesjährigen Rückgaben stechen besonders zwei Artefakte hervor: die Daedongyeojido (wörtl: Karte des Großen Ostens), Karten der koreanischen Halbinsel aus dem späten Joseon-Reich (1392–1910), und die Transkription des Lotus-Sutra Band 6 aus dem Goryeo-Reich (918–1392).
Die diesmal zurückgekommene Daedongyeojido ist insofern von Bedeutung, als dass sie strukturelle und inhaltliche Unterschiede zu den bisherigen Versionen im Besitz koreanischer Institutionen aufweist. Es handelt sich um Drucke aus dem Jahr 1864 des Geographen und Kartographen Kim Jeong-ho (ca. 1804–1866) mit 3,3 Meter Breite und 6,7 Meter Länge. Aufmerksam wurde man auf sie aufgrund des Verkaufsangebots eines japanischen Sammlers, das die OKCHF annahm.
„Sagyeong“ (abgeschriebenes Sutra) bezeichnet die kunstvoll verzierten Papierabschriften buddhistischer Texte. Beim sechsten Band des Lotus-Sutra wurde zunächst Maulbeerbaum-Papier mit dem Indigo-Pigment aus Färber-Knöterich gefärbt. Unter Anwendung des traditionellen Fischleims verzierte man dann die Schriften und Bilder mit Gold- und Silberpulver. Dieses seltene Artefakt konnte ebenfalls via Rückkauf aus Japan nach Korea zurückgeholt werden.
2022 gelang die Rückführung von insgesamt 10 Objekten, darunter die kugelförmige, tragbare Sonnenuhr Iryeongwongu aus dem 19. Jh., die man bei einer Auktion in den USA ersteigerte. Eine solche tragbare Sonnenuhr war die erste ihrer Art in Korea und zeugt vom hohen Stand der Wissenschaft während des Joseon-Reichs.
Staatlich ausgewiesenes Kulturerbe
Dieses Jahr wurden unter den repatriierten Kulturerben zwei Werke zu Nationalschätzen erklärt: das Gemälde Dokseodang Gyehoedo und Bambusschrift für die Amtseinführung der Kronprinzessin Sinjeong.
Das 1531 angefertigte Dokseodang Gyehoedo zeigt Regierungsbeamte im Dokseodang, eine Anlage in der Natur zum Rückzug für Studienzwecke. Im unteren Teil des Bildes sind zudem detailierte Angaben zu den Teilnehmern des Treffens zu finden. Zuletzt hatte sich das mittels einer Auktion erworbene Bild im Besitz eines japanischen Sammlers befunden.
Die Bambusschrift zeugt von der großen Kunstfertigkeit am Hofe des Joseon-Reiches. Es handelt sich um ein wichtiges zeremonielles Dokument, das in diesem Falle Prinzessin Sinjeong anlässlich ihrer Vermählung mit Kronprinz Hyomyeong (später König Munjo) im Jahr 1819 verliehen wurde. Der Fund dieses Stückes erregte große Aufmerksamkeit, da es als eines der Bücher galt, dass während der Expedition der Franzosen nach Korea 1866 aus der Hofbibliothek Oegyujanggak auf der Insel Ganghwa-do gestohlen und verbrannt worden war. 2018 kam es bei einer Auktion in Frankreich jedoch wieder zum Vorschein, wurde durch ein koreanisches Unternehmen von einem lokalen Sammler erworben und daraufhin an die OKCHF gespendet.
Zu den heimgekehrten Kulturgütern werden zunächst Nachforschungen angestellt, und es wird für ihre Konservierung gesorgt. Als nächster Schritt folgt die Unterbringung u. a. in Museen und Galerien, wo sie dann als wertvolle historische und kulturelle Ressourcen für weitere Forschungen, als Ausstellungsgegenstände oder zu Bildungszwecken zur Verfügung stehen.
Bambusschrift für die Amtseinführung der Kronprinzessin Sinjeong. 1819. Bambus, Messing, Seide. 25 × 102 cm. Dieses herausragende Kunstwerk wurde anlässlich der Vermählung von Prinzessin Sinjeong mit Kronprinzen Hyomyeong verliehen und gewährt Einblicke in die Merkmale sowie den Stil königlicher Bambusschriften aus der Joseon-Ära. Es enthält persönliche Angaben zur designierten Titelträgerin sowie ermutigende Appelle und Warnungen vor unrechtmäßigen Handlungen.
© National Palace Museum of Korea