Dominique Herqués Leben in Korea ermöglicht ihm die Erfüllung seiner Träume. Der Franzose ist Winzer und aus seinem ökologischen Anbau reifen Früchte, die er zu einem Wein verarbeitet, der ohne die geringsten Zusatzstoffe auskommt. Mit seiner Frau Shin Ihyeon hat er sich mitten in Korea ein „Klein-Elsass“ geschaffen.
Dominique Herqué, geboren im Elsass, arbeitete lange als Programmierer, bevor er seinen Traum vom Weinanbau verwirklichte. Nachdem er an einer Landwirtschaftsschule gelernt und auf einem elsässischen Weingut Erfahrung gesammelt hatte, ließ er sich mit seiner Frau in der Provinz Chungcheongbuk-do nieder, wo das „Klein-Elsass“ entstand.
Das „Klein-Elsass“ von Dominique Herqué ist ein ruhiger Ort, in dem es jedoch nicht nur still ist: Im Hof klingt ohne Unterlass ein Windspiel, und auf den Feldern sind es die Vögel, Hühner und Gänse, die stetig piepen, gackern und schnattern. Doch von Lärm kann keine Rede sein, vielmehr von Musik aus der Natur.
Ein Weinberg wie ein Wald
Zu finden ist dieser Ort in der Provinz Chungcheongbuk-do, in Suanbo-myeon, bekannt für seine heiße Quellen. Die Berge im Rücken und der Blick in die Weite vermitteln hier Geborgenheit und Ruhe. Für Dominique Herqué und seine Frau war es Liebe auf den ersten Blick, ähnelt dieser Landstrich doch dem Elsass, der Heimat von Dominique, wo am Fuß der Ostflanke der Vogesen im großen Stil Weinanbau betrieben wird. Ganz so wie in der neuen Heimat ist dort der Boden schwarz und die Sonne steht tief. Dominique entschied sich für ein Leben in weiter Ferne – und doch fühlt er sich nie ganz fremd.
„Wir kamen 2017 nach Korea. Ein Jahr lang suchten wir nach einer passenden Gegend für unser Vorhaben, ohne Erfolg. Dann machte uns ein Bekannter auf diesen Flecken Erde aufmerksam und augenblicklich wussten wir: Hier sind wir richtig.“
Die 4.000 Quadratmeter Anbaufläche bezeichnet Dominique als einen Weinberg wie ein Wald, denn neben zehn Rebsorten stehen hier auch rund 30 Apfelbaumsorten, um für ein breites Angebot an Weingeschmäckern zu sorgen. Darüber hinaus gibt es Pfirsichbäume, Datteln, Kakibäume, Feigen, Korallen-Ölweiden, Kiwis und Lavendel. Fast 100 verschiedene Pflanzenarten hat das Ehepaar als Kompostquelle dicht zwischen den Trauben und Äpfeln angepflanzt, was Chemikalien wie Herbizide und Fungizide obsolet macht. Es entstand ein Lebensraum für Hühner, Gänse, Bienen, Regenwürmer sowie zahlreiche Mikroorganismen – und alle profitieren voneinander. Dominique und seiner Frau ist gesunder Boden am wichtigsten. Denn guter Wein kommt von gutem Ackerbau und gutes Obst kommt von fruchtbarem Boden.
Bei seiner Arbeit richtet sich Dominique gerne nach den Prinzipien, die er aus Frankreich kennt. „Koreaner betreiben Landwirtschaft nach Jeolgi, der 24-teiligen Jahreszeitengliederung abhängig vom Mondkalender, Franzosen folgen hingegen dem Planetenkalender. Die Planeten im Universum sind tagtäglich in Bewegung und das hat Einfluss auf die Pflanzen. Es gibt gute Tage für Früchte, andere für Wurzeln und wieder andere sind am besten für Blätter oder für Blüten. Ich vertraue gern den alten Lebensweisheiten.“
Die Natur in einer Flasche Wein
Natürlicher Rotwein reift in einem Eichenfass auf dem Weingut „Klein-Elsass“. Die Marke heißt „LESDOM“, eine Kurzform für die „Familie Dominique“.
Gutes Obst bestimmt den Geschmack des Weins. Es wird mit nachhaltigen Anbaumethoden und ohne Einsatz von Pestiziden und Dünger angebaut. Das Ehepaar züchtet auch Gänse, Hühner und sorgt auch für Regenwürmer und Mikroorganismen im Boden.
Auf den Kalender allein ist jedoch nicht Verlass, dafür gibt es zu viele Variablen. Sorgfältig prüft Dominique daher ständig das Wetter und entscheidet dann, was zu tun ist. Mäht man etwa das Gras im Vorfrühling und es folgt ein Nachwinter, erfriert alles. Mäht man nicht und die Regenzeit beginnt, wimmelt es nur so von Ungeziefer. Aus den Misserfolgen der Vergangenheit schöpft Dominique seine Erfahrung, die es ihm nun ermöglicht, sich jedes Jahr neu auf seine Arbeit einzustellen.
Der natürliche Apfelwein Cidre ist das Aushängeschild von „Klein-Elsass“. Das Weingut verfügt über 30 Apfelbaumsorten.
„Wegen des nicht gesunden Bodens waren die ersten Jahre sehr anstrengend. Ich belud mein Auto mit Laub von der Straße, sammelte Bündel von Sesamsträuchern aus der Nachbarschaft, die nach dem Dreschen zurückgeblieben waren, und verteilte alles auf den Feldern. Pro Jahr brachte ich es auf fünf Tonnen Spreu. Drei Jahre dauerte es, dann hatte sich der Boden auf erstaunliche Weise erholt.“
Das „Klein-Elsass“ hat sich auf drei Weinsorten spezialisiert: Cidre, Rosé und einen Rotwein, der die Rebsorten Muscat Bailey A und Vitis coignetiae miteinander verbindet. Keinerlei Zusatzstoffe, nicht mal Hefe werden hinzugefügt. Ein Naturprodukt im wahrsten Sinne des Wortes. In Dominiques Wein fließt lediglich der Fleiß eines Jahres harter Arbeit sowie die Sonne und der Wind, die Bäume und Reben wachsen lassen, sonst nichts. Und diese Ursprünglichkeit merkt man ihm bei seinem Genuss auch an.
„Unsere Marke heißt ,LESDOM'. ,Les' bezeichnet im Französischen den Plural und ,Dom' ist mein Spitzname. Zusammen bedeutet dies also ,die Familie Dominique'.“
Dominiques Frau, Shin Ihyeon, ist Schriftstellerin. 1994 konnte sie bereits mit ihrem Erstlingswerk Ein gutes Zimmer zum Verstecken für Aufsehen sorgen. 1998 war sie ihrem Lebenstraum folgend nach Paris gereist, wo sie auf einer Einweihungsfeier von Bekannten ihren späteren Ehemann kennenlernte, der damals noch als Computerprogrammierer tätig war. Beide verstanden sich auf Anhieb und verliebten sich ineinander. So wurden aus Shins ursprünglich für ein Jahr geplanten Aufenthalt viele weitere, bis sie 2003 schließlich heirateten. Nach einiger Zeit in Paris verschlug es das Paar berufsbedingt für sechs Jahre nach Kambodscha, bevor Dominiques Versetzung in ein koreanisches Großunternehmen ihn das erste Mal in das Land seiner Frau führte.
Ein Neuanfang in Korea
Dominique prüft die Klarheit seines Rotweins. Es liegt ihm viel daran, etwas von dem einzigartigen Charakter und den Aromen seiner Obstanbaufläche in jeder Flasche zu bewahren, anstatt einem Einheitsgeschmack zu folgen.
Dominique hat die erste Zeit in Korea nicht als besonders glücklich in Erinnerung, denn sie war mit viel Stress auf der Arbeit verbunden.
„Damals war ich mit meinem Leben total überfordert. Im Nachhinein bin ich jedoch dankbar für diese Zeit, schließlich führte sie mich zur Verwirklichung meines Traums, Landwirt zu werden. Mein Großvater mütterlicherseits hatte sein ganzes Leben lang Wein im Elsass angebaut und seine Grundstücke an die Kinder vererbt. Von klein auf verbrachte ich deswegen viel Zeit in den Weinbergen, habe dort gespielt und immer bei der Ernte geholfen. Immer öfter sehnte ich mich nach diesen Tagen. Und in Korea begann ich dann zu träumen.“
Für seinen Traum zog Dominique zunächst wieder nach Paris. Er machte eine zweijährige Ausbildung an einer Landwirtschaftsschule (Centre National d’Enseignement Agricole par Correspondance) und hängte noch ein Jahr auf einem Weingut ran. Nun war die Zeit reif, selbst Weinbauer zu werden. Zu Beginn wollte er in Frankreich bleiben und fand in Südfrankreich einen geeigneten Ort. Aber diesmal zögerte seine Frau, da sie in Frankreich bisher nur in Paris gewohnt hatte. Zum ersten Mal fürchtete sie sich vor dem Leben in der Fremde.
„Meine Frau schlug vor, nach Korea zu gehen und es dort einmal mit Cidre-Weinanbau zu versuchen. Ich wollte damals einfach nur Landwirt werden, wo war mir egal.“
2016 war die Rückkehr nach Korea und im Folgejahr fanden sie ihr großes Glück im kleinen Elsass. Beim Weinanbau erlebt er eine Freude, die er als Programmierer nie hatte. Selbst das Grasmähen in der Sommerhitze oder das Beschneiden der Reben in bitterer Winterkälte machen ihm nichts aus. Dank seiner Arbeit entdeckt er tagtäglich neue Seiten an Korea, ein Land, das er ohne seine Frau wohl nie kennengelernt hätte, und das ihm nun die Möglichkeit gibt, sich selbst zu verwirklichen.
„Das jetzige ,Klein-Elsass'-Gebäude bauten wir letztes Jahr für die Weinherstellung. Am Ende wurde es viel größer als geplant. Ich denke, dass wir den zusätzlichen Raum nutzen sollten. Gerne würde ich hier mein Wissen über ökologischen Landbau und natürliche Weinherstellung teilen oder auch mal eine Ausstellung organisieren, die das Thema Alkohol und Landwirtschaft behandelt. Da ich eher introvertiert bin, müsste die Arbeit wohl meine Frau übernehmen. Aber es würde mich schon freuen, wenn wir die Räumlichkeiten so nutzen könnten.“
Ein typischer Tag in Dominiques Leben beginnt bei Sonnenaufgang. Da geht er zu den Feldern und begrüßt die Natur. Ist die Sonne zu stark, ruht er sich zu Hause aus und wenn die Hitze nachlässt, kümmert er sich wieder bis Sonnenuntergang um seine Pflanzen. Derzeit arbeitet er hart daran, die Zweige der Weinstöcke mit Seilen aufrecht zu halten. Die Rebstöcke sind noch jung und brauchen viel Aufmerksamkeit. Doch Dominique erträgt die Anstrengung mit einem Lächeln, das von einem tief empfundenen Glück beseelt ist.
Park Mi-kyeongSchriftstellerin
Fotos Han Jung-hyun