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Interview

2022 SUMMER

Blick auf den Kapitalismus: originell, heiter und ernst

Die Kritiker loben die Schriftstellerin Yun Ko-eun für ihren einfallsreichen Gebrauch von Metaphern und Allegorien. Ihre preisgekrönten Romane und Erzählungen sind bekannt für originelle Szenarien, interessante Figuren und scharfe Satire auf die täglichen Überlebenskämpfe in der kapitalistischen Gesellschaft. Wir trafen uns im Sendestudio des Korea Educational Broadcasting System, wo sie eine täglich ausgestrahlte Sendung moderiert.

Yun Ko-euns zweiter Roman The Disaster Tourist, eine satirische Auseinandersetzung mit der kapitalistischen Gesellschaft, wurde 2021 mit dem CWA Dagger Award für den besten ins Englische übersetzten Kriminalroman des Jahres geehrt.
Mit freundlicher Genehmigung von Yun Ko-eun

Der zweite Roman der Schriftstellerin Yun Ko-eun The Disaster Tourist satirisiert anhand von Katastrophentouristen, die sich in verwüsteten Gebieten ihrer eigenen Sicherheit vergewissern, das kaltherzige System der kapitalistischen Gesellschaft. Der 2013 erschienene Roman wurde 2021 mit dem CWA Dagger Award geehrt, der von der britischen Crime Writers Association an den besten ins Englische übersetzten Kriminalroman des Jahres verliehen wird. Es war das erste Mal, dass dieser Preis an einen Schriftsteller aus Asien ging. Die CWA bezeichnete den Roman als „einen äußerst unterhaltsamen Öko-Thriller aus Südkorea, der die Gefahren des überentwickelten Kapitalismus mit scharfzüngigem Humor offenlegt“.

Yun Ko-eun, Jahrgang 1980, debütierte 2003, als sie mit dem Daesan Literary Awards for College Students ausgezeichnet wurde. Für ihren ersten Roman The Zero G Syndrome (2008) erhielt sie den Hankyoreh Literary Award, was ihre Schriftstellerkarriere weiter vorantrieb. In den meisten ihrer Werke wird der unsichere Alltag in der kapitalistischen Gesellschaft mittels geistreich-spritziger Szenarien und interessanter Figuren scharf satirisiert.

 

Wie sind Sie auf die Idee des Katstrophentourismus gekommen?
Vor rund zehn Jahren, als ich mit dem Roman begann, konnte ich noch gar nicht ahnen, dass sich eine Seuche [wie COVID-19] weltweit ausbreiten und alle Menschen geimpft werden würden. Damals interessierte ich mich für den Dunklen Tourismus. Es gab ja kaum einen Ort auf der Welt, der frei von Naturkatastrophen, Terrorismus oder Konflikten war. Meist gab es immer irgendwo irgendeine Katastrophe.

Als ich mich ans Schreiben machte, sah ich die Bilder von dem Großbeben in Ostjapan und dem dadurch ausgelösten Tsunami. Ich hatte das Gefühl, dass die Katastrophen ständig zu mir sprachen. Ich begann daher, mich mit der Psyche von Katastrophentouristen auseinanderzusetzen, um Ansätze für meine Erzählungen abzuleiten: Mitleid oder Unbehagen nach erstem Schock, Dankbarkeit für das eigene Leben, Verantwortungsgefühl, Lehren ziehen, eine Art Überlegenheitsgefühl der Überlebenden.

Was sagen Sie zu der Ansicht, dass „Katastrophenreisen“ als solche Ordnung und Prinzipien des Kapitalismus offenlegen?
Meine Werke durchzog schon immer die Erkenntnis, dass der Mensch zu einem Ersatzteil des Kapitalismus heruntergekommen zu sein scheint. Dass ich zwar ein wichtiger Mensch zu sein scheine, in Wirklichkeit aber nur ein Wesen bin, das einfach spurlos verschwinden und wie eine Zahnbürste oder ein Thermobecher ersetzt werden kann, ist zweifelsohne ein Merkmal der kapitalistischen Welt.

Was halten Sie davon, dass der Roman im Ausland als „feministischer Öko-Thriller“ bewertet wird?
Das war interessant. Ich selbst halte aber nicht viel von Unterscheidungen wie „Literarische Fiktion“ vs. „Genre-Fiktion“ und verwende die Termini kaum. Solche Klassifizierungen sind für mich nicht von großem Wert. Ich schreibe nicht mit einem bestimmten Genre im Kopf und mir ist egal, in welche Genres meine Werke nach der Veröffentlichung eingeordnet werden.

Welche Aspekte des Romans haben Ihrer Meinung nach die Begeisterungsstürme ausgelöst?
Ich glaube, manche Leser haben in dem Roman die brutale Struktur des Kapitalismus entdeckt, andere solche Zusammenhänge, wie sie in der Netflix-Originalserie Squid Game thematisiert werden. Die Angst, einer Katastrophe nicht entgehen zu können, auch wenn man selbst fleißig an der einem selbst obliegenden Aufgabe arbeitet, hat wohl am meisten angesprochen. Diese Angst scheint heute noch größer zu sein als vor zehn Jahren, als ich den Roman schrieb.

Welche Gemeinsamkeiten lassen sich bei den derzeit in Korea veröffentlichten Filmen, Serien und Literaturwerken finden?
Das Schlüsselwort ist wohl „Überleben“. Wir leben in einem Zeitalter, in dem die Obsession, nur ja nicht gesellschaftlich zurückgelassen oder isoliert zu werden und der uns gegebenen Rolle gerecht zu werden. Das, was in unserem eigenen Leben Priorität haben sollte, wird übertrumpft. Wohl in diesem Sinne werden Squid Game, der oscarprämierte Film Parasite und auch mein Roman als „schwarze Komödien“ bezeichnet.

Library Runway, ein 2021 veröffentlichter Roman (links), und If Blue Marble also included Pyeongyang, eine 2019 erschienene Erzählsammlung.
© Hyundae Munhak, Munhakdongne

Warum haben Sie eine Bibliothek als Hintergrund für Ihren Roman Library Runway gewählt?
Wenn ich in die Bibliothek gehe und zwischen den Regalen hindurchlaufe, fühle ich mich prima. Es ist, als würden unzählige Bücher verfolgen, wie ich über einen Laufsteg gehe. Zusammengeklappt sind diese Bücher nicht gerade sperrig, aber klappt man sie auf, finden sich darin unzählige Gedanken. Wenn ich mir vorstelle, dass sie mich sehen, fühle ich mich wie ein ziemlich gutes Laufstegmodel.

Dieser Roman bedient sich des Motivs „Eheversicherung“. Was wollten Sie damit sagen?
Ich habe darüber nachgedacht, was der Kern dieser Handlung zweier Menschen ist, die, obwohl sie alleine überleben könnten, sich dazu entschließen, zusammenzuleben und gemeinsam voranzuschreiten. Zu glauben, dass die Institution der Ehe die Gesellschaft stützt, ist zu grandios. Der Kern einer Ehe besteht darin, dass zwei Menschen sich auf ein gemeinsames „Abenteuer“ einlassen. Dazu muss ein Umfeld da sein, in dem beide frei wählen können, wie die Bedingungen dieses Abenteuers aussehen sollten.

Sie verwenden oft geniale und einfallsreiche Szenarien für Ihre Geschichten. Was sollen sie sagen?
Ich will das wackelige Fundament, auf dem wir stehen, in Augenschein nehmen. Ich mag zwar die originellen, neugierig machenden Elemente und finde sie interessant, aber was ich hervorheben möchte, ist eigentlich nicht heiter und amüsant. Der Boden unter uns scheint zwar solide zu sein, aber er kann jederzeit einstürzen – so sieht es in meinem Gedanken aus. Darüber könnte ich in ernstem Ton schreiben, aber ich möchte das Thema lieber in meinen eigenen Stil kleiden.

Vor Kurzem haben Sie zusammen mit einigen anderen Schriftstellern einen Reiseerzählband veröffentlicht. Reisen Sie oft?
Ich reise oft, und sei es auch nur kurz. Ich mag das Reisen an sich, aber auch das Planen, v. a. die Wahl einer Unterkunft. Ich surfe so viel im Internet, dass ich, wenn ich tatsächlich im Hotel ankomme, die Innenstruktur mir so vertraut erscheint, als ob ich schon einmal dort gewesen wäre. Auch in meiner Erzählung If Blue Marble also included Pyeongyang gibt es ein Happening rund um eine Unterkunftsbuchung. [Blue Marble: ein mit Monopoly vergleichbares koreanisches Brettspiel, bei dem es um Städte rund um die Welt geht.]

 

Hat das Reisen Einfluss auf Ihr Schreiben?
Es hat einen großen Einfluss. Dabei muss es nicht unbedingt eine Auslandsreise sein, auch auf Inlandsreisen kann man auch Neues sehen, oder wenn man sich einfach ins nächste Stadtviertel aufmacht. Allein schon die Tatsache, dass es etwas anderes als die vertrauten Zebrastreifen und Schilder zu sehen gibt, ist stimulierend. Aber je weiter man reist, desto fremder und gefährlicher wird es und desto mehr Gelegenheiten gibt es, Stimulierendem ausgesetzt zu sein.

Beeinflusst auch Ihre Radiosendung Ihr Schreiben?
Da es in der Sendung um Neuerscheinungen geht, komme ich in Kontakt mit Büchern aus den verschiedensten Bereichen, was ich schön finde. Ähnlich wie beim Reisen werde ich einem breiten Spektrum jenseits meines eigenen Geschmacks ausgesetzt, was unerwartete Anregungen mit sich bringt. Mit den Hörern kommuniziere ich in Echtzeit über Online-Kommentare. Das Radiostudio ist mit einer Raumstation vergleichbar. Wenn ich die schalldichten Doppeltüren schließe und allein da drin sitze, während die Musik um mich herumfließt, fühlt es sich so an, als würde das Radiosignal durch den Weltraum driften.

An welchem Roman arbeiten Sie gerade?
Momentan veröffentliche ich in einer Zeitschrift den Roman Burning Works of Art in Fortsetzungen. Der Protagonist ist ein Maler, der von einer Stiftung, die von einem Welpen namens Robert geleitet wird, finanziell unterstützt wird. Robert ist ein genialer Hund mit hervorragendem künstlerischen Gespür und in Besitz eines enormen Erbes, das ihm ein Millionär hinterlassen hat. Mit der Kritik des Hundes am äußeren Schein der Menschen entwickelt sich eine Geschichte über echte und falsche Kunst. Durch einen Vertrag, in dem der Hund der Tonangebende und der Mensch der Untergeordnete ist, wollte ich die Auffassungen und Strukturen bezüglich der Kunst satirisieren. Das Buch wird Anfang 2023 erscheinen.

Möchten Sie ein Wort an Ihre globale Leserschaft richten?
Einige LeserInnen posten Bewertungen auf Sozialen Medien wie Instagram, markieren mich oder stellen mir direkt Fragen. Sie schicken mir auch Fotos von meinen Büchern in den Buchhandlungen in ihrem Viertel. Diese direkte Kommunikation mit den Lesern finde ich sehr schön. Ich hoffe, dass sie mich auch weiterhin oft direkt ansprechen.

Cho Yong-hoLiteraturreporter, UPI News
Fotos Heo Dong-wuk

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