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On the Road

2020 AUTUMN

Leben

Haenam, als „Ttangkkeut (Ende des Landes)“ bekannt, zieht mit seiner herrlichen Berglandschaft und geschichtsträchtigen buddhistischen Tempeln viele Besucher an. An der südwestlichen Spitze der koreanischen Halbinsel gelegen, war das Gebiet einst der kulturelle Korridor zum alten China und Japan sowie ein Zufluchtsort für politische Exilanten.

Der See Gocheonam in Haenam ist Winterquartier für Zehntausende von Zugvögeln, allen voran der Baikalente. Aber auch verschiedene andere seltene, als Naturdenkmäler designierte Vogelarten sind hier zu finden, was den See für Forscher interessant macht.

Selbstbildnis von Yun Du-seo. 1710. Tusche und leichte Farben auf Papier. 38,5 × 20,5 cm. Das Werk gehört zu den Meisterwerken der koreanischen Porträtmalerei. Yun Du-seo (1668-1715), seines Zeichens Maler und Gelehrter, war der Urenkel von Yun Seon-do, eines Beamten und Dichters der mittleren Joseon-Zeit, und der Urgroßvater mütterlicherseits des berühmten Denkers und Staatsmannes Jeong Yak-yong.

Für jeden gibt es einen Ort, durch den man nicht unbeschwert von jeglichen Gedanken spazieren kann. Für mich ist das Haenam.

Ich habe vom Frühjahr 1980 bis Herbst 1982 in Haenam gelebt. Mit knapp über zwanzig hatte ich schon alle Fragen gestellt, die man an das Leben stellen kann, und alle Verbitterung und Leidenschaften des Leben erschöpft, die sich eine nach der anderen über mein ganzes Leben hätten verteilen sollen. Geistig und körperlich aus dem letzten Loch pfeifend, meldete ich mich wie auf der Flucht freiwillig zum Militär. Wie erwartet, waren dort keine abstrakten Fragen erlaubt. Nachdem ich die Grundausbildung absolviert hatte, wurde ich an einen Ort abkommandiert, der am weitesten entfernt von zu Hause lag: Haenam in der Provinz Jeollanam-do, am südwestlichsten Ende der koreanischen Halbinsel. Dort begann ich mitten im Winter meinen Wachdienst an der Küste. Grün bemooste Steinmauern und Zäune aus dem Holz dreiblättriger Orangenbäume; der im Nebel hängende, salzig-feuchte Geruch des Meeres; lehmgestampfte Wege und Bächlein, die sich durch endlose Felder wanden; ein paar schwarze Ziegen, die auf dem Hügel herumtollten; die Frau, die ein Lädchen vor dem Militärstützpunkt führte, alt geworden, ohne den Namen ihres Mannes auf den Postbriefen lesen zu können – das waren meine ersten Eindrücke von Haenam, die sich mit meiner gerade abebbenden Unruhe kreuzten.

Jetzt, mehr als vierzig Jahre später, überquere ich wieder einmal den Pass Useulchi (auch Useuljae; wörtlich: Kuh-Knie-Pass). Um aus den nördlich gelegenen Gebieten Yeongam und Gangjin in die Kreisstadt Haenam zu gelangen, muss man über diesen Pass. Meine Reisegefährten und ich halten nach unseren reservierten Unterkünften Ausschau. Nichts kommt mir bekannt vor.

Für diejenigen, die die Besichtigung einst prachtvoller Kulturstätten oder Schwelgen in Erinnerungen an die Vergangenheit als Entdecken oder Reisen betrachten, ist Haenam denkbar ungeeignet. Zunächst einmal gab es dort keine glorreichen Zeiten. Daher gibt es auch nichts besonders Sehenswertes. Es ist höchstens bekannt als Ort, an dem Dissidenten fernab von der Hauptstadt des Reiches in Verbannung lebten. Dass Haenam trotzdem einen Boom als Ziel kultureller Entdeckungsreisen erlebte, ist dem Kunsthistoriker Yu Hong-jun (71) zu verdanken, der im ersten Band seiner Buchserie Meine Entdeckungstouren des kulturhistorischen Erbes Haenam als „Erkundungsort Nr. 1 der südlichen Provinzen“ vorstellt. Er entführt den Leser nach Nogudang, dem Hauptanwesen der Jongga-Stammfamilie des Yun-Clans von Haenam, gelegen im Kernbereich des von Nusseiben umgebenen Dorfs Yeondong; zum Tempel Daeheung-sa, der sich – abgelegen am Ende eines von uralten, einen Tunnel bildenden Bäumen gesäumten Waldwegs von etwa 4 km Länge – im Tal der Berge Duryun-san befindet; zum auf dem Rücken der Berge Dalma-san (auch Dharma-san) gelegenen, altehrwürdigen Tempel Mihwang-sa; und zur Bergspitze Saja-bong (wörtlich: Löwen-Bergspitze) mit ihrem Ttangkkeut-Aussichtsturm. Angezogen von der unbefangenen, geistreichen Wortgewandtheit, mit der Yu diese Orte beschreibt, kamen viele nach Haenam und waren von der entlegenen und friedlich-stillen, vertrauten und pittoresken, schlichten und schmucken Landschaft bezaubert, die so ganz anders als die berühmten Sehenswürdigkeiten war. Allerdings dürften nur wenige wissen, dass der Idylle aus sanften Sonnenstrahlen und lauen Brisen, die sich gelassen um die Bergrücken legen, oft gewaltig tobende Regenstürme, die alle das Zittern lehren, vorausgeht.

Das Herrengebäude von Nogudang, des Stammhauses des Yun-Clans aus Haenam. Ein Teil des Anwesens, das König Hojong (reg. 1649-1659) seinem Lehrer Yun Seon-do geschenkt hatte, wurde abgebaut und hierhin verlegt. Die Namenstafel stammt von dem berühmten Kalligraphen Yi Seo (1662-1723), der eng mit Yun Du-seo befreundet war.

Die Ortsbezeichnung „Haenam“, wörtlich „Am Meer im Süden“, lässt darauf schließen, dass eine neue Welt nur einen Schritt vom Land entfernt liegt. Dieser Ort birgt die Kraft, Seeleute und Verbannte aus den Widrigkeiten des Daseins zu retten.

Lotusteich und Seyeonjeong-Pavillon im Garten Buyongdong auf der Insel Bogil-do. Als König Injo (reg. 1623-1649) sich 1637 den invasierenden Qing-Truppen ergab, schied Yun Seon-do aus dem Hofdienst aus und schuf in seinem Heimatort diesen Garten. Während er abgeschieden auf der Insel lebte, schrieb er seinen berühmten Gedichtzyklus Des Fischers vier Jahreszeiten.

Der Tempel Mihwang-sa, 749 erbaut, liegt am südlichen Ende der koreanischen Halbinsel. Aus Aufzeichnungen geht hervor, dass chinesische Gelehrte und Beamte den Tempel besuchten, was beweist, dass er auch in China bekannt war. Links ist die Haupthalle Daeungbo-jeon zu sehen, hinter der sich die malerischen Gipfel des Dalmasan-Gebirgszugs erheben.

Die Einsiedelei Dosol-am auf einer Steilklippe des Dalmasan-Gebirgszugs wurde lange Zeit vernachlässigt, bevor sie schließlich 2002 wieder aufgebaut wurde.

Nogudang und Buyongdong
An dem Tag, an dem wir Nogudang (wörtlich: „Haus des grünen Regens“), das Stammhaus des Yun-Clans von Haenam, besuchten, goss es dermaßen, dass die im Convenience-Laden gekauften Regenschirme wenig nutzten. Der Führer, der uns im Regen die verschiedenen Ecken des Anwesens zeigte und das Leben von Yun Seon-do (1587-1671), der die Geschichte des Hauses prägte, erklärte, war niemand anderer als der Kulturreiseleiter Yun Yeong-jin (68), der in 13. Generation in direkter Linie von Yun Seon-do abstammt. Das Haenam seiner Schulzeit vor über 50 Jahren, an das er sich erinnert, lässt sich wie folgt zusammenfassen: neu angelegte Straßen, über die der Staub weht, und Plakate an jeder Mauer, die dazu aufriefen, Spione zu melden. Die natürlichen Gegebenheiten machten den Ort „für kommunistische Infiltration anfällig“, sodass es Yun gut und natürlich erschien, die Soldatenlaufbahn einzuschlagen.

Erst nachdem er als Oberst aus dem aktiven Militärdienst ausgeschieden und sich in seinem Heimatort zur Ruhe gesetzt hatte, las er das Tagebuch Jiam Ilgi, verfasst von Yun I-hu (1636-1699), einem Vorfahr in direkter Linie, der ein Enkel des Dichters und Hofbeamten Yun Seon-do war, Zeile für Zeile durch. Yun I-hu war wiederum der Vater von Yun Du-seo (1668-1715), der das bekannteste Selbstporträt des Joseon-Reichs (1392-1910) hinterließ; Yun Du-seo war zudem der Urgroßvater mütterlicherseits des Silhak-Gelehrten Jeong Yak-yong (1762-1836; Silhak: konfuzianische Lehre vom Praktischen Wissen), eines großen Denkers und Staatsmannes der späten Joseon-Zeit. Es war in Nogudang, dem Haus, in dem wir jetzt standen, wo Yun Du-seo geboren wurde.

Oberst Yun erklärte, dass die Säulen des Nogudang wie die eines Anwesens der königlichen Familie gerundet seien, weil das Haus ein Geschenk von König Hyojong (reg. 1649–1659) war, dem Yun Seon-do während dessen Kronzprinzenjahren als Hauslehrer gedient hatte. Mit dem Ableben von König Hyojong, in dessen Gunst Yun Seon-do gestanden hatte, wurde er verbannt. Als er sieben Jahre später heimkehrte, ließ Yun das Sarangchae (Herrengebäude eines traditionellen Hanok-Anwesens) seines Anwesens in der Stadt Suwon abbauen und in Haenam wiederaufbauen. Damals war er 81 Jahre alt. Im Ausstellungspavillon, der neben dem Nogudang errichtet wurde, ist das Selbstporträt von Yun Du-seo und die Joseon-do (umfassende Karte des Joseon-Reichs) zu sehen. Als wir dann jedoch hörten, dass aus Diebstahl-Vorkehrmaßnahmen nur Repliken zu sehen waren, machten wir kehrt.

Die meisten Spuren von Yun Seon-do finden sich im Garten Buyongdong auf der Insel Bogil-do. Die Insel, die heutzutage der Verwaltung des Landkreises Wan-do untersteht, erreichte man damals wohl zu Wasser vom Dorf Baekpo in Haenam aus. Heutzutage legen alle 30 Minuten Fähren von den Anlegestellen der Insel Wan-do und des Galduri-Hafens in Haenam ab. Im Dorf Baekpo befindet sich ein Haus des Familienclans Yun. Das Wattenmeer in der davor liegenden Bucht soll zu Lebzeiten von Yun Seon-dos Großvater im Zuge eines Landgewinnungsprojekts abgesperrt worden sein. Als sein Enkel Yun Du-seo das Familienanwesen übernahm, soll die Marschebene dann bereits solche Ausmaße angenommen haben, dass die Familie zwecks Bewirtschaftung des Landes dort Haus und Hof bauen ließ. Unter den von Yun Du-seo angefertigten Landschaftsbildern gibt es auch eins mit dem Titel Baekpo Byeolseodo (Bild der Baekpo-Villa).

Ausländische Besucher dürften beim Anblick des Buyong-dong-Gartens überrascht sein vom exquisiten Auge und Geschmack der wohlhabenden Adelsfamilie aus der Joseon-Zeit und der im Einklang mit der Natur stehenden Gesamtgestaltung. Wenn sie dann noch hörten, dass zum Empfang von Gästen auf dem gegenüber liegenden Hügel eine Trommelaufführung inszeniert wurde, dürfte ihre Bewunderung nur noch weiter steigen. Doch die Koreaner betrachten den Ort mit gemischten Gefühlen. Grund dafür ist, dass Haltung und Verhalten von Yun Seon-do, der diesen Garten anlegen ließ und genoss, nicht mit Geist und Lebensführung eines konfuzianischen Seonbi (Gelehrter) übereinstimmten. Dazu gehört z. B. Menzius’ Credo von einem frugalen und ehrlichen Leben und vom gerechten Teilen des Glücks mit allen. Yun lebte nämlich in einer Zeit, als das Land durch zwei große Kriege verwüstet war und das einfache Volk unter Armut litt. Das macht es den Koreanern nicht ganz einfach, in Yun einen Mann von edlem Charakter, der nach einem Leben im Einklang mit der Natur strebte, zu sehen.

Yuns berühmtestes Werk ist Eobu Sasisa (Des Fischers vier Jahreszeiten), ein Zyklus aus 40 Sijo-Versen, der wegen seiner verfeinerten Ausdrucksweise sowie lebhaften und sinnlichen Darstellungen in literarischen Kreisen hoch geschätzt wird. Allerdings fungiert der Fischer, der als Erzähler des Gedichtszyklus in Erscheinung tritt, nur als Bestandteil der Landschaft, als, wie Yun es in seinem Vorwort formuliert, „weiteres Pläsier, das uns mit voller Stimme gemeinsam singen und rudern lässt“. Doch die tief sitzende, verbitterte Wut seines Patriotismus, der ihn dreimal ins Exil verbannt werden ließ, lastet schwer auf ihm. Und das ist der Grund, warum ich nicht einfach unbeschwert durch den wunderschönen Buyongdong-Garten „spazieren gehen“ kann.

Boote von Aabalone-Züchtern in den Küstengewässern vor Yesong-ri, dem malerischsten Fleckchen auf der Insel Bogil-do. Der nahe Mongdol-Kiesstrand und die immergrünen Wälder machen das Gebiet zu einer Touristenattraktion.

Die Tempel Daeheung-sa und Mihwang-sa
Mit Hilfe des Kulturinstituts Haenam konnten wir durch Jeon Guk-seong (70), den pensionierten Leiter des örtlichen Gesundheitszentrums, etwas über die jüngsten Entwicklungen erfahren. Er ließ die verschütteten Erinnerungen an Sanftmut und Fleiß der Menschen wieder in mir aufleben. Jeon, der jetzt als Gastprofessor für Sozialkunde an einer Universität unterrichtet, ist stolz darauf, dass der Untergang seiner Familie ihn in seinen jungen Jahren dazu zwang, früh auf eigenen Beinen zu stehen und ihn so zu dem Menschen, der er heute ist, werden ließ. Er bot uns seine Begleitung an, was ein gemütlicheres Gespräch während der Fahrt ermöglichte.

Wir waren überrascht zu hören, dass aus Hwawon, dem entlegensten Ort in Haenam, der landesweit größte Produzent für Winterkohl und Hauptlieferant von eingesalzenem, für Kimchi verwendetem Chinakohl wurde, und die dortigen Grundstückspreise durch die Straßenanbindung an die Stadt Mapo in die Höhe geschossen waren. Vor vierzig Jahren hieß es, ein dienstlicher Gang nach Hwawon beanspruche einen ganzen Tag. Ich erinnere mich noch daran, wie ich als Soldat für eine Gesamtbestandsaufnahme der Vorräte zu Fuß jeden einzelnen Wachposten an der Küste abklappern musste und der Schweiß nur so an mir herunterrann. Die Fläche, die Haenam zwecks landwirtschaftlicher Nutzung dem Meer abgewonnen hat, ist landesweit die größte. Die Landgewinnung erhöhte zwar die Ernteerträge, veränderte aber auch die Wasserläufe. Dadurch seien die langarmigen Oktopussen, die man einst schaufelweise in den Kessel füllen konnte, und Schlammspringer verschwunden, was Jeon vor Bedauern seufzen ließ.

Entwicklung verändert oft das Schicksal historischer Stätten und auch das Gemüt der Menschen. Jeon berichtete, dass vor dem Tempel Daeheung-sa eine neue Restaurantstraße entstanden sei und das Gasthaus Yuseon mit seiner 200 Jahre alten Geschichte zugemacht habe. Es war in diesem Gasthaus gewesen, wo ich mit meiner Mutter und Schwester, die mitten im Winter den weiten Weg von etwa 400 km auf sich genommen hatten, um mich zu sehen, übernachtet hatte. Nach einem Besuch der schneebedeckten Tempelanlage von Daeheung-sa hatte ich neben den beiden auf dem geheizten Ondol-Fußboden gelegen und vergeblich auf Schlaf gewartet, der wegen all der erdrückenden Neuigkeiten von zu Hause nicht hatte kommen wollen.

Es wird erzählt, dass Kim Jeong-hui (1786-1856; Künstlername: Chusa), ein Meisterkalligraph der späten Joseon-Zeit, auf seinem Weg in die Verbannung auf der Insel Jeju-do im Tempel Daeheung-sa, wo sich sein Freund, der Ehrwürdige Mönch Choui (1786-1866), aufhielt, Halt machte. Kim soll damals die von dem Kalligraphen Lee Gwang-sa (1705-1777) stammende Schrifttafel entfernt und durch eine von ihm gefertigte Kalligraphie ersetzt haben.

Fast acht Jahre später besuchte Chusa den Tempel auf dem Nachhauseweg aus dem Exil erneut, um Lees Kalligraphie wieder anbringen zu lassen. Der Kommentar von Park Gyu-su (1807-1876), eines prominenten Vertreters der Aufklärung im späten Joseon-Reich, dass „Chusa nach dem Überqueren des Meeres sich nicht mehr von anderen beschränken lassen oder ihnen nacheifern wollte und so wahre Meisterschaft erreichte“, lässt die Geschichte noch überzeugender klingen. Bis hinauf zur Ilji-am, einer der Klausen des Tempels, die auch als Wallfahrtsort der Teekultur bekannt ist, wo der Mönch und Teekenner Choui seine späten Jahre verbrachte, braucht man vom Tempelhof aus noch vierzig Minuten.

Der Mihwang-sa hatte sich noch stärker verändert. Der Tempel, der mit nur drei, Vier Gebäuden gerade noch das Bild eines Tempels bewahrt hatte, ist heute von hohem Mauerwerk umschlossen, und vier Himmlische Wächter, wie sie in großen Tempeln zu finden sind, bewachen den Eingang. Die Anlage scheint mit Blick auf Tempelaufenthalt-Angebote stark erweitert worden zu sein. Der alte, schmale Weg über den Dalma-san, den früher nur Holzfäller und Mönche nutzten, wurde ausgebessert und in einen Wanderweg mit dem erhabenen Namen „Dalmago-do“ (dt. Alter Dharma-Weg) verwandelt. Dieser vom Mihwang-sa bis zum Dorf am Ende des Landes führende Trampelpfad ist weit und breit bekannt. Ein Besucher wie ich, für den der Herbst des Lebens mittlerweile angebrochen ist und der sich freut, die im alten „Farbenkleid“ belassene Haupthalle wieder zu erkennen, denkt eher an die verflossene Zeit als an glorreiches Äußeres und die damit verbundenen Mühen.

Ich war das erste Mal zum Mihwang-sa gekommen, als ich während meines Wehrdienstes zum Sammeln von Knäuel-Klee, aus dem Besen zum Fegen des Truppenübungsplatzes gemacht werden sollten, abkommandiert worden war. Die Haenam-Region war zwar keine Region mit kalten Schneestürmen, doch hin und wieder schneite es in der Nacht, sodass Knäuel-Klee-Besen perfekt zum Fegen waren.

Blickte man von dort hoch, sah man die Steinklippen, die die Einsiedelei wie einen Wandschirm einrahmten, blickte man nach unten, waren Inselchen zu sehen, die – neugeborenen Welpen gleich – sich mit noch geschlossenen Augen an den Körper ihrer Mutter schmiegten. Am Ende der Holzdiele vor den Schlafräumen des Tempels hatten ein alter Mönch und seine Frau gesessen. Hatte das Paar mir ein Glas Wasser angeboten? War die Sonne jenseits des Meers rot untergegangen? – Ich kann mich nicht erinnern.

Kohlfelder in Hwawon-myeon

Der Tempel Daeheung-sa in den Duryun-Bergen

Das alte Haus von Yun Du-seo

Das Observatorium Löwengipfel

Am Landesende „Ttankkeut“
Die Ortsbezeichnung „Haenam“, wörtlich „Am Meer im Süden“, lässt darauf schließen, dass eine neue Welt nur einen Schritt vom Land entfernt liegt. Dieser Ort birgt die Kraft, Seeleute und Verbannte aus den Widrigkeiten des Daseins zu retten. Diese Bild von einer Örtlichkeit, wo Anfang und Ende koexistieren, hat zwar gelegentlich schlichte Poeten zu lyrischen Ergüssen inspiriert, aber der Dichter, der sich des Motivs in heftiger Auseinandersetzung mit dem Paradox bis zum Äußersten bediente, ist Kim Ji-ha (geb. 1941).

Nach der Veröffentlichung seines Gedichtbands Ojeok (Die Fünf Banditen), das diejenigen, die ständig in Bestechungs- und Korruptionsfälle verwickelt sind, auf originelle Weise satirisch verspottet, stand Kim Ji-ha stets an vorderster Front, wenn es im Zuge des Demokratisierungsprozesses der 1970er Jahre zu scharfen Konfrontationen kam. Geistig und körperlich erschöpft von einer Endlospirale aus Flucht, Verhaftung, Gefangenschaft, Folter und Begnadigung, zog er 1984 mit seiner Familie nach Haenam, der Heimat seiner Verwandten mütterlicherseits. Sein Leben stabilisierte sich zwar einigermaßen, er konnte sich aber nicht recht in dieses Leben fügen: „In dem Menschenleben hier kommen Norden und Süden, alte Tage und künftige Tage zusammen, Schreien, an die Brust schlagendes Weinen, Tränen Schlucken, mit gesenktem Kopf Laufen.“– das war es, was er damals in Ttankkeut sah. Was er in diesem düsteren, unheilschwangeren und feuchtkalten Bild entdeckte, war „Aerin“, ein abstraktes „Wesen, das stirbt und wiedergeboren wird“.

Lee Chang-guy Dichter, Literarturkritiker
Fotos Ahn Hong-beom

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