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K-uisine

2022 SUMMER

Chili: Die Schärfe der koreanischen Küche

Chili, eine Pflanze aus der Familie der Nachtschattengewächse, zählt zu den heute weltweit am häufigsten angebauten Gewürzpflanzen und wird von einem Viertel der Weltbevölkerung gerne konsumiert. Viele Koreaner lieben die Schärfe dieser überaus wichtigen, aus der koreanischen Küche nicht wegzudenkenden Grundzutat.

Chili ist ein Kernbestandteil der koreanischen Küche. Er ist so essenziell, dass seine Schärfe geradezu für die Koreaner gemacht zu sein scheint.

Die Chilischote zählt zu den weltweit am breitesten angebauten Gewürzpflanzen. In ihrer Heimat Südamerika soll sie bereits um 7000 v. Chr. verzehrt und um 3500 v. Chr. angebaut worden sein. Nach der Einführung in Europa Ende des 15. Jh. verbreitete sie sich im 16. Jh. über portugiesische Kaufleute rasant in Indien, Asien und Afrika und dürfte auch um diese Zeit in Korea eingeführt worden sein. Mit der zunehmenden Produktion in Asien wurde das Paprikagewächs später in umgekehrte Richtung nach Europa exportiert.


Maßstab des scharfen Geschmacks
Die Besonderheit der Gewürzpflanze Chili ist, dass sie als Maßstab des scharfen Geschmacks fungiert. Ein bekanntes Instrument zur Abschätzung der Schärfe bzw. „Hitze“ ist die sog. „Scoville Scala“. Bei dieser Scala wird der Schärfegrad mittels der 1912 von dem amerikanischen Pharmakologen Wilbur Scoville (1865-1942) entwickelten Scoville-Wärmeeinheiten (Scoville Heat Units, SHU) angegeben. Der Gehalt an Capsaicin, der scharfen Komponente der Chilischote, kann heutzutage durch andere Methoden exakter ermittelt werden, aber die Scoville-Einheiten sind nach wie vor gebräuchlich. Reines Capsaicin entspricht einem Wert von 16 Mio. SHU. Die SHU geben an, wie stark der Chiliextrakt verdünnt werden muss, bis keine Schärfe mehr feststellbar ist. Je höher der SHU-Wert, desto intensiver die Schärfe.

Während Gemüsepaprika mit 0 SHU keine wahrnehmbare Schärfe besitzt, ist der Jalapeño, der meistens eingelegt verzehrt wird, mit 2.500 bis 10.000 SHU mittelscharf. In der Vergangenheit gehörte der Habanero (350.000 bis 580.000 SHU) zu den ziemlich scharfen Chilisorten, aber inzwischen wurden neue, noch schärfere Varianten gezüchtet, darunter Bhut Jolokia (855.000 bis 1,5 Mio. SHU) und Trinidad Moruga Scorpion (1,5 Mio. bis 2 Mio. SHU). Manche essen solch extrem scharfe Chilis gerne und einige wetteifern sogar darum, wer die allerschärftsten verträgt.

Vögeln macht der für die Schärfe der Chilischoten verantwortliche Inhaltsstoff jedoch nichts aus, da ihnen die Wahrnehmungsrezeptoren für Capsaicin fehlen. Ihnen kommt daher die Rolle zu, nach dem Fressen der Chili die Samen weit und breit zu verstreuen. Es wird vermutet, dass das in den Schoten vorkommende Capsaicin dazu dient, Säugetiere einschließlich des Menschen vom Verzehr abzuhalten. In der Tat machen Nagetiere wie Eichhörnchen nach einer einmaligen „Kostprobe“ einen weiten Bogen um rote Chilis.

 

Die rote Chilipaste Gochujang ist ein traditionelles koreanisches Gewürz, für das Klebreis mit rotem Chilipulver, Malz und fermentiertem Sojabohnenpulver gemischt wird.
© gettyimagesKOREA

Feurige Gaumenfreuden
Einige genießen den feurigen Geschmack so sehr, dass sie sogar an Chili-Esswettbewerben teilnehmen. Das liegt an dem „achterbahnartigen“ genussvollem Thrill, den die Schärfe der Chilis beschert, wie David Julius, Professor an der University of California und Mitpreisträger des Nobelpreises für Physiologie/Medizin 2021, herausfand. Seinen Forschungen zufolge reagiert der Rezeptor TRPV1 (Transient Receptor Potential Vanilloid 1) auf die Hitze im Capsaicin. Einfach ausgedrückt: Der scharfe Chili-Geschmack stimuliert das Hitzeempfinden und ruft ein Brennen im Mund hervor. Das heißt: Spaß und Thrill, den ein Achterbahnfahrer empfindet, wenn er bei einem Vertikallooping nach unten saust, ist vergleichbar mit dem „Vergnügen“, beim Essen von Chilis Tränen zu vergießen.

Es gibt aber auch einen Unterschied: Während der Thrill der Achterbahnfahrt nach der Abfahrt verschwindet, bleibt die Schärfe der Chilis noch lange im Mund, was schmerzhaft sein kann. Setzt man jedoch einem Pflaster oder einer Salbe Chiliextrakt oder Capsaicin zu, werden Muskel- und Gelenkschmerzen gelindert. Das liegt daran, dass der durch die Schärfe hervorgerufene, wiederholt auftretende Schmerzreiz die Neurotransmitter der Schmerzrezeptoren erschöpft, was im Endeffekt schmerzhemmend wirkt.

In Ländern mit heißem Klima wird tendenziell gern scharf gegessen. Auf den Verzehr von scharfen, geschmacksintensiven Speisen, die mit Chilis, Knoblauch und Ingwer gewürzt sind, reagiert der menschliche Körper wie in einer Sauna. Um die Körpertemperatur zu senken, werden Schweißbildung und Hautdurchblutung stimuliert. Infolgedessen sinkt die Hauttemperatur, was angenehm abkühlt. Das erklärt auch, warum die Koreaner an heißen Sommertagen scharfe und heiße Gerichte essen. Da aber zwischen Klima und Chilikonsum nicht immer ein proportionales Verhältnis auszumachen ist, gehen die Ansichten darüber, warum der Mensch eine Vorliebe für scharfe Gerichte hat, auseinander. Chilis gedeihen gut in warmen Klimaten und sind in kälteren Regionen schwer anzubauen, weshalb Produktion und Konsum dort geringer sein dürften. Das heißt aber nicht unbedingt, dass scharfe Gerichte im kalten Winter nicht gegessen werden. Gimjamg-Kimchi, ein Hauptnahrungsmittel der Koreaner im Winter, ist auch scharf. Es verliert jedoch im Zuge von Fermentierung und Reifung allmählich an Schärfe. Vermutlich kann das sich in der Kimchi-Brühe verdünnende Capsaicin die Schärfe mildern oder es wird durch mikrobielle Fermentation in eine weniger scharfe Verbindung zerlegt. 2015 entdeckte ein Forscherteam unter Leitung von Professor Kim Soo-ki an der Konkuk Universität in eingelegten Chilis, einer traditionellen fermentierten koreanischen Beilage, einen Capsaicin zersetzenden Mikroorganismus.

 

Gochujang Tteokbokki, für das der roten Chilipaste Zucker zugesetzt wird, kam während des Koreakriegs auf und hat sich seitdem zu einem beliebten Snack mit einer Reihe unterschiedlicher Geschmacksnoten entwickelt.
© Clipart Korea

Vielfältige Verwendung
In ihrer Heimat Südamerika finden Chilis auf vielfältige Art und Weise Verwendung. In Mexiko, wo sehr viel Chili gegessen wird, haben rohe und getrocknete Varianten derselben Sorte unterschiedliche Namen, da beim Sonnentrocknen durch die Reaktion der Verbindungen im Chili ein neuer Aromastoff entsteht. Die mexikanische Küche kennt feste Regeln dafür, welche Sorten für welche Speisen verwendet werden: Tamale, Enchilada und Salsa werden z. B. mit aus sonnengetrockneten Mirasol-Chilis gewonnenem Guajillo gewürzt, durch ihr süßlich-rauchiges Aroma bestechen. Ancho, die getrocknete Variante des Poblano-Chili, wird entweder in trockener Form genutzt, in Wasser eingeweicht und zerdrückt oder unverarbeitet für Mole-Soße gebraucht. Die Zugabe von Chilis erhöht nicht nur die Schärfe einer Speise, sondern verleiht ihr zusätzlich komplexe Geschmacks- und Aromaakzente, darunter süße, rauchige oder fruchtige Noten. Gibt man gemahlene Chilis in Soßen, sorgen Pektinstoffe für eine weiche, sämige Textur.

Die Schärfe der roten koreanischen Chilisorte Gochu erfreut sich dermaßen großer Beliebtheit in Korea, dass sie heute als „der“ Geschmack der Koreaner gilt. In der Vergangenheit stießen rote Chili jedoch nicht auf allgemeine Gegenliebe. Die Anhänger der Bewegung zur Lebensverbesserung, die in den 1920er und 1930er Jahren eine Modernisierung nach westlichem Vorbild anstrebten, betrachteten scharfe und würzige Speisen als Beweis für einen Mangel an Fortschritt und mahnten daher zur Zurückhaltung. Aber die breite Öffentlichkeit sah das anders und änderte die Rezepte kurzerhand so ab, dass die allgemein bevorzugte geschmackliche Schärfe weiterhin genossen werden konnte. Dabei wurden Zucker und Chilipulver kombiniert. Bis in die 1950er Jahre war z. B. der Imbiss Tteokbokki (pfannengerührte Reiskuchenröllchen) nicht scharf. Vielmehr wurden Fleisch und in Sojasoße marinierte Reiskuchenwürste in der Pfanne gerührt. Kurz nach dem Koreakrieg (1950-1953) erschien dann eine neue Tteokbokki-Variante, die mit der Chilipaste Gochujang und Zucker süß-scharf gewürzt wurde. Diese Neukreation verdrängte schließlich die alte Sojasoße-Variante. In den 1950er und 1960er Jahren kamen weitere in Chilipaste marinierte Gerichte auf, die auch heute noch populär sind, darunter Nakji Bokkeum (pfannengerührte Minikraken) oder Jeyuk Bokkeum (pfannengerührtes Schweinefleisch).

Daran lässt sich erneut feststellen, dass sich die Vorliebe der Menschen für scharfe Gerichte letztendlich mit dem damit verbundenen Genuss erklären lässt. Süße ist ein Geschmack, den der Mensch von Geburt an mag und der für unverfälschten Wohlgenuss steht. Im Gegensatz dazu lernt man Schärfe, die einen gewissen Gaumenkitzel bietet, erst mit dem Heranwachsen kennen und schätzen. Der süß-scharfe Geschmack, der durch die Kombination von Chili und Zucker entsteht, ist reich an jugendlich-frischer Vitalität.

Heutzutage sind neue Gerichte beliebt, die nicht übermäßig scharf sind. Ein gutes Beispiel ist Rosé-Tteokbokki (Reiskuchenwürste in cremiger Soße aus einer Mischung aus Tomaten, Milch und Sahne). Die geschmackliche Schärfe von Capsaicin lässt sich nicht völlig mit Wasser beseitigen, aber Capsaicin löst sich in Fett. Das in Milchprodukten wie Mozzarella und Sahne reichlich vorhandene Protein Casein verbindet sich gut mit Fett. Daher kann das Trinken von Milch oder der Verzehr von Joghurt etwaigen, durch den Genuss scharfer Gerichte ausgelösten Schmerzen entgegenwirken. Die Sahne in Rosé-Tteokbokki bindet ebenfalls Capsaicin, sodass der Hitzereiz gelindert wird, aber zugleich die Schärfe genossen werden kann. Aus ähnlichen Gründen sind koreanische Gerichte (bekannt als „K-Food“) wie Cheese-Dakgalbi (scharfes, pfannengerührtes Hühnchen mit Gemüse und Käse) und Cheese-Buldak (feurig scharfes Huhn mit Käse) im Ausland besonders beliebt. Denn auch diejenigen, die nicht an Scharfes und Würziges gewöhnt sind, können sich leicht damit anfreunden.

Kimchi, eine kultige koreanische Beilage, enthält reichlich Chilipulver. Dieses fermentierte Nahrungsmittel unterscheidet sich je nach Region, Zutaten und Zubereitungsmethoden.
© Clipart Korea

Breite Popularität
Christoph Kolumbus, der den Chili nach Europa brachte, dachte, dass dieses Gemüse mit Pfeffer verwandt sei, daher der Name „Chilipfeffer“. Chili gehört jedoch zur Familie der Nachtschattengewächse und unterscheidet sich vom Pfeffer, einer Kletterpflanze aus der Familie der Pfeffergewächse. Die Schärfe der Chilischoten beruht auf Capsaicin, die des Pfeffers auf Piperin. Es besteht noch ein weiterer gravierender Unterschied zwischen beiden: Da Pfeffer im mittelalterlichen Europa ein sehr kostbares Gut war, galten reichlich gepfefferte Gerichte als entsprechend luxuriös. Mit dem Massenimport von Pfeffer im 17. Jh. begann die Oberschicht in Europa jedoch, nach Speisen mit einem delikaten, milden Geschmack zu suchen. Das Verlangen, sich vom gemeinen Volk abzuheben, veränderte ihre Geschmacksvorlieben an sich.

Bei Chili war das jedoch nicht der Fall. Anders als die Pfefferpflanze, die aus subtropischen Regionen stammt, gedeiht Chili auch in gemäßigten Klimazonen. Seine leichte Kultivierbarkeit bedeutet wiederum, dass er so gut wie für jedermann erhältlich ist. Früher wurde auch in Korea die Schärfe des Chili schon mal als „bäuerlich“ verschmäht, aber da er trotzdem weit und breit verwendet und genossen wurde, kümmerte sich kaum jemand darum und die meisten Koreaner frönten ihrer Vorliebe für das scharf schmeckende Gemüse. Mit anderen Worten: Nicht die gesellschaftlichen Elitegruppen haben die koreanische Esskultur von heute geprägt, sondern der kleine Mann von der Straße.

Jeong Jae-hoon Apotheker, Kochkolumnist
Illustrationen Choi Su-jin

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