
Mein Lieblingssnack ist Gotgam (getrocknete Kaki). Das mag wohl daran liegen, dass ihr süßer Geschmack Erinnerungen an meine Kindheit auf dem Land heraufbeschwört. Auch heute noch denke ich sofort an Gotgam, wenn mich abends leicht der Hunger zwickt.
Der Kakibaum (Diospyros kaki) stammt ursprünglich aus Ostasien. Um das Haus, in dem ich meine Kindheit verbrachte, gab es viele Kakibäume. Wenn ihre hellbeigen, in voller Pracht erstrahlten Blüten im Juni abfielen, fädelten wir Ketten daraus. Im Herbst wickelten wir in ihre glatten Blätter die leckeren, aus den Körnern der ersten Ernte hergestellten Reiskuchen. Aber das beste Geschenk, das uns die Kakibäume machten, waren ihre herrlichen Früchte. Reife, süß-zarte Kakis (Hongsi) sind natürlich auch lecker, lassen sich aber nicht mit den getrockneten Gotgam vergleichen.
An einem sonnigen Herbsttag waren alle Erwachsenen des Hauses auf einem hölzernen Sitzpodest versammelt und entfernten fein säuberlich die dünne Schale der herben Früchte. Es war wie ein Fest.Die geschälten Kakis wurden dann auf einer Matte, die auf einer Ablage im Innenhof ausgebreitet wurde, aufgereiht und getrocknet. Wenn sich die Oberseite durch den Flüssigkeitsverlust schwärzlich verfärbt hatte, wurden die Kakis umgedreht. Das zarte Fruchtfleisch der angemessen getrockneten Früchte machte einem schon den Mund wässrig. Nach dem Trocknen wurden sie in Tongefäßen aufbewahrt, um später daraus Gotgamssam (getrocknete Kaki mit Walnuss-Füllung) oder Sujeonggwa (erfrischender Punsch aus Zimt und Ingwer mit getrockneten Kaki-Stückchen) zuzubereiten. Meist wurden Gotgam jedoch als Opfergabe für die Ahnenverehrungszeremonien aufbewahrt oder in langen Winternächten als Mitternachtssnack gegessen. Damals, als Süßigkeiten noch etwas Wertvolles waren, wurde ich hin- und hergerissen zwischen der Verlockung, eine oder zwei der auf der Matte trocknenden Kakis zu stibitzen, und der Angst, dass die leeren Stellen mich verraten könnten.
Dank des technischen Fortschritts werden die Kakifrüchte heutzutage maschinell geschält und an Trockengestellen wie z.B. Drahtspalieren in Massen getrocknet. Aus den über 60 Tage Wind und Sonne ausgesetzten Früchten werden süß schmeckende Produkte mit hohem Kaugenuss, deren lieblich-braun verfärbtes Fruchtfleisch mit weißem Zuckerpuder überzogen ist. Übrigens gibt es eine amüsante Gotgam-Volksgeschichte, die jeder Koreaner in seiner Kindheit erzählt bekommt:
Es war einmal ein Tiger, der, als er in tiefschwarzer Nacht im Hinterhof eines Gehöfts hin- und herlief, hörte, wie eine Mutter im Haus ihr weinendes Kind tröstete: „Psst! Hör auf, zu weinen. Der Tiger ist da!“ Aber das Kind weinte weiter. Da sagte die Mutter: „Schau mal hier, eine Gotgam!“ Als das Kind daraufhin schlagartig aufhörte, zu weinen, dachte der Tiger, dass eine Gotgam noch viel furchterregender als er selbst sein müsse, und lief vor Angst davon.
Leider leben heute in den Bergen im Süden der koreanischen Halbinsel keine Tiger mehr, aber Gotgam gibt es immer noch. Gott sei gedankt dafür!