Good Neighbors, eine internationale von Yi Il-ha gegründete und geführte NGO, leistet seit Mitte der 1990er Jahre humanitäre Hilfe für Nordkorea. Die Bemühungen, die über einfache Hilfsleistungen hinausgehen, setzen Beispiele für ähnliche Projekte dieser weltweit agierenden NGO.
Yi Il-ha, der Gründer von Good Neighbors, einer NGO für internationale Unterstützungs- und Entwicklungshilfeprogramme, beim Besuch eines Waisenhauses im rund 55km von Pjöngjang entfernten Nampo (2004). Zu den seit 1995 durchgeführten Nordkorea-Hilfsprojekten der NGO gehören Schutz von Kindern, Nutztierbestand-Entwicklung sowie Gesundheitsversorgung und medizinische Dienstleistungen.
Yi Il-ha, Vorsitzender von Good Neighbors, musste im letzten Februar mit ansehen, wie der Nordkorea-USA-Gipfel in Hanoi ergebnislos zu Ende ging. Der Gründer von Good Neighbors, bekannt als der „Pate der koreanischen NGOs“, war bereit, sein lange Jahre stillgelegtes Hilfsprogramm für Nordkorea wieder aufzunehmen. Yi hatte geplant, im Falle der Verbesserung der Beziehungen zwischen Washington und Pjöngjang in Nordkorea eine große Milchkuhfarm und einen Milchverarbeitungsbetrieb aufzubauen. Er wollte die Grundlagen für Schweine-, Rinder- und Hühnerzucht schaffen und Verarbeitungswerke für tierische Erzeugnisse wie z.B. Wurstfabriken einrichten. Auch hatte er gehofft, die Südkoreaner mit in Nordkorea hergestelltem Samgyetang (Gefülltes Ginseng-Huhn in heißer Brühe) zu versorgen.
Aber nicht nur das: Er wollte auch die rückständige Infrastruktur des nordkoreanischen Gesundheitswesens überholen. Dieser Plan umfasste u.a. den Bau eines pharmazeutischen Forschungszentrums, pharmazeutischer Betriebe und Krankenhäuser, die hochwertige medizinische Dienstleistungen anbieten sollten. Dazu noch sollten zwei Fabriken zur Herstellung von Injektionslösungen und Kapseln sowie von Heilmitteln der traditionellen koreanischen Medizin errichtet werden. Da die Nuklearverhandlungen zwischen den USA und Nordkorea nicht weiter vorankamen, mussten alle Pläne noch einmal auf Eis gelegt werden.
Unterstützungsprojekt für Milchviehzucht
Die humanitären Hilfsprogramme von Good Neighbors im Norden lassen sich in drei Kategorien einteilen: Kinderbetreuung und -schutz, Entwicklung von Landwirtschaft und Viehzucht sowie Gesundheitsdienstleistungen. Die humanitäre Unterstützung der NGO begann 1995 mit der Lieferung von Nahrungsmitteln und Alltagsbedarfsartikeln. Damals geriet die nordkoreanische Wirtschaft in eine Abwärtsspirale, die 1977, als Yi den Norden das erste Mal besuchte, in einer weit verbreiteten Hungersnot kulminierte.
1997 lieferte Yi Mehl, Ausrüstung für Zahnkliniken, Arbeitskleidung und Handschuhe aus Baumwolle. Im selben Jahr besuchte er zum ersten Mal den Norden als Leiter einer NGO der Vereinten Nationen.
Das Unterstützungsparadigma von Good Neighbors änderte sich 2018, als Chung Ju-yung (1915-2001), der Gründer der Hyundai Group, in zwei spektakulären Aktionen in Dutzenden von LKWs 1.001 Rinder via den Waffenstillstandsort Panmunjeom in den Norden lieferte. Danach brachte auch Good Neighbors im September und November 2018 200 Milchkühe nach Nordkorea und baute Milchviehbetriebe auf. Während Chungs großzügige Hilfe jedoch öffentlich bekannt gemacht wurde, verlangte diesmal der Norden, dass es keine Presseberichte geben sollte. Good Neighbors war damit einverstanden. Doch die Tatsache, dass 200 Kühe vor ihrer Lieferung in den Norden in der Hafenstadt Incheon rund einen Monat in Quarantäne gehalten wurden, war nicht geheim zu halten. Die Presse bekam Wind davon und ein TV-Team filmte, wie die Kühe in zehn LKWs den Hafen verließen, was die nordkoreanischen Behörden verärgerte. Nach vielen Verwicklungen wurden insgesamt 510 Milchkühe in den Norden transportiert, die zur Grundlage des Viehbestandes von vier neuen Milchbetrieben wurden.
Der Plan, Milchkühe in den Norden zu schicken, war eigentlich bereits drei Jahre davor entstanden. 1995, als Yi die chinesische Grenzstadt Dandong besuchte, traf er dort einen Australier koreanischer Abstammung, der 200 Stück einheimische koreanische Hanu-Fleischrinder in die nordkoreanische Stadt Haeju geschickt hatte. Dieser meinte, dass es hilfreicher wäre, Milchrinder statt Fleischrinder zu schicken.
Die Überzeugung, dass die Nordkoreaner eine Zukunft haben könnten, wenn sie eine zukunftsfähige Milchindustrie hätten, ließ Yi einen leitenden Forscher des Instituts für Molkereitechnologie des US-Bundesstaates Pennsylvania konsultieren. Dieser war auch bereit, ihn zu unterstützen, das Vorhaben scheiterte dann aber an der Missbilligung der US-Regierung. Als ein Mitglied von Good Neighbors, der für die Molkereigenossenschaft Seoul Milk arbeitete, im NGO-Nachrichtenblatt davon erfuhr, half er Yi, die 200 Milchkühe seines Unternehmens zu einem sehr niedrigen Preis von 1,5 Mio. Won (rd. 1.125 Euro) pro Stück zu kaufen.
Ein weiterer Grund für das Interesse von Good Neighbors an der Einrichtung eines Milchviehbetriebs im Norden war, dass Zucht und Betreuung der Herden einen nachhaltigen Austausch zwischen nord- und südkoreanischen Tierärzten, Milchexperten und Mitarbeitern von Good Neighboors verlangen würden. Yi und sein Mitarbeiterstab haben Nordkorea bislang rund 140 Mal besucht, Yi selbst bereits an die 120 Mal.
Südkoreanische Veterinäre bei der Untersuchung des Gesundheitszustands von Milchkühen der Landwirtschaftskooperative in Kubin-ri, Kreis Gangdong-gun, in der Nähe von Pjöngjang. Good Neighbors, das die Kühe lieferte, entsendet Tierärzte und andere Experten, die sich um den Viehbestand kümmern.
Mehr Einkommen für die Bürger
Danach wollte die nordkoreanische Seite mehr Unterstützung für Milchverarbeitungsanlagen, um den Mehrwert von Milch zu steigern. Nachdem Good Neighbors eine Käseverarbeitungsanlage für den Norden gebaut hatte, stellte die NGO eine einzige Bedingung: Eine Hälfte des Gewinns sollte den Dorfbewohnern und die andere Hälfte armen Kindern zugute kommen. Der Erfolg dieses Projekts hat alle Erwartungen übertroffen: Das Einkommen der Einwohner von Gubin-ri, eines Bauerndorfes im Kreis Gangdong-gun am Stadtrand von Pjöngjang, stieg innerhalb von fünf Jahren um das Zehnfache. Natürlich wuchs auch die Dorfbevölkerung. Die Dorfbewohner waren so stolz, dass sie am Dorfeingang sogar ein Schild aufstellten, auf dem ihre Leistungen in großen Lettern festgehalten sind.
Nach dem Erfolg des Milchkuhprojekts bat das nordkoreanische Landwirtschaftsministerium um Unterstützung für die Hühnerzucht. Es ging darum, dass zur Veredelung der Hühnerrassen nicht nur die notwendige Ausrüstung, sondern auch teure Eier aus dem Ausland beschafft werden mussten.
Good Neighbors kaufte Eier der produktivsten Legehennenrassen aus Frankreich, für die 5.000 bis 200.000 Won (rd. 3,75 bis 150 €) pro Ei anfielen, während der Norden eine Hühnerfarm baute, zu der Unbefugte in einem Umkreis von vier Kilometern keinen Zutritt hatten.
Auf den Erfolg dieses Hilfsprojekts folgte eine weitere Bitte, diesmal für den Bau einer Futterfabrik. Good Neighbors hatte die Idee, die Produktionskapazität einer in der Nähe der nordkoreanischen Hafenstadt Wonsan befindlichen Zinkfabrik auszubauen, um mit den dort erwirtschafteten Erlösen Rohstoffe für die Futterproduktion zur Verfügung stellen zu können. Die südkoreanische Regierung finanzierte das Projekt mit 1,5 Mio. US-Dollar und einem Bankdarlehen in Höhe von 7 Mio. US-Dollar. Es war so erfolgreich, dass das Darlehen in nur zwei Jahren zurückgezahlt werden konnte. Solche in Nordkorea gemachten Erfahrungen im Betrieb von Sozialunternehmen wurden für Good Neighbors ein wertvolles Gut, das es der NGO ermöglichte, in den verschiedensten Regionen der Welt erfolgreich Entwicklungsprojekte durchzuführen.
Yi ist der Ansicht, dass das humanitäre Nahrungsmittelhilfsprogramm, über das derzeit in Südkorea öffentlich diskutiert wird, schon früher hätte gestartet werden müssen.
„Jetzt ist etwas zu spät dafür“, sagt er. „Den Nordkoreanern geht es nicht mehr um Spenden von einigen Hunderttausend Dollar. Vielmehr müssen wir spezialisierte Hilfsprogramme entwickeln. Wir müssen unsere personellen und materiellen Ressourcen in spezielle Bereiche wie Landwirtschaft, Viehzucht, Gesundheitsversorgung und Bildung einsetzen. Der Norden ist mehr an einer nachhaltigen Entwicklungszusammenarbeit interessiert als an Nahrungsmittel- oder Düngemittelhilfe.“
Die Erlebnisse auf der Genossenschaftsfarm Gubin-ri soll Yi eine unvergessliche „Erfahrung der Wiedervereinigung“ geschenkt haben. Er und einige seiner Mitarbeiter verbrachten rund zehn Tage auf der Farm und kamen den dortigen Bewohnern sehr nahe. Gemeinsam fingen sie Fische in einem Bach und bereiteten einen Fischeintopf zu, den sie miteinander teilten.
„Wenn Sie den Norden als einen potenziellen Markt mit herausragenden Humanressourcen und reichlichen natürlichen Ressourcen betrachten und dort investieren, können Sie Erfolg haben“, sagt Yi. „Die nationale Wiedervereinigung wird wohl früher kommen, wenn noch mehr Nordkoreaner die Chance haben, mit Südkoreanern zu arbeiten und solche Erfahrungen zu sammeln.“
Das Pharmazieunternehmen Chongsong Pharmaceutical Company in Pjöngjang produziert Injektionspräparate. Good Neighbors hilft Nordkorea bei der Verbesserung seines Gesundheitssystems.
Unterstützung für Kinderbetreuung und -schutz
Good Neighbors hat insgesamt rund 220.000 Nordkoreanern, darunter auch Kindern, an 25 Standorten im Norden geholfen. Die Nahrungsmittelhilfsprogramme für Kindertagesstätten in den verschiedenen Regionen tragen dazu bei, den chronischen Nahrungsmittelengpässen in Nordkorea entgegenzuwirken. Alleine im Jahr 2018 wurden 114 Tonnen Milchpulver über Good Neighbors USA in den Norden geschickt. Außerdem wurden Bemühungen unternommen, das Gesundheitsumfeld durch Lieferung von 20 Sorten von Medikamenten zu verbessern. Weitere Lieferungen für die Bildung von Kindern umfassten 150 Tonnen Papier zum Drucken von Lehrbüchern, Lerncomputer, aber auch Sportbedarf wie Inlineskates und Fußbälle.
„Eine Welt ohne Hunger! Eine Welt, in der wir zusammenleben können!“ – so lautet das Ziel von Good Neighbors. Die 1991 von Yi gegründete NGO hat sich mittlerweile zu einer weltweit aktiven Organisation mit 52 Niederlassungen allein in Südkorea und 303 Büros in rund 40 Ländern der Welt entwickelt, die Projekte für soziale Unterstützung und internationale Hilfe durchführen. Weltweit sind mehr als 3.000 Mitarbeiter aktiv, allein in Korea werden die Projekte mit den Spenden von 500.000 Mitgliedern durchgeführt. 1996 erhielt Good Neighbors als erste koreanische NGO vom Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen (ECOSOC) den „Allgemeinen Konsultativstatus“, die höchste UNO-Auszeichnung für NGOs.
Yi fügt hinzu: „Meine Hauptaufgabe als Gründer von Good Neighbors ist es, eine Atmosphäre der Versöhnung zwischen den beiden Koreas zu schaffen. Daher können wir die humanitären Hilfsprogramme für die Menschen im Norden nicht reduzieren oder einstellen. Ich denke, ich werde meine Pflicht auf dieser Welt erfüllt haben, wenn beide Koreas sich ausgesöhnt haben und wahrer Frieden herrscht.“