Während etablierte mittelständische Marken aus Korea im Ausland weiterhin im Rampenlicht stehen, rücken nun aufstrebende Designermarken verstärkt in den Fokus der koreanischen Modewelt. Mit innovativen Ansätzen und kreativem Online-Storytelling heben sie sich deutlich von ihren Vorgängern ab.
Der Mardi Mercredi Store im Lotte World Tower. Bekannt für lässige, französische Freizeitmode, wird die Marke besonders von Frauen in den Zwanzigern und Dreißigern für ihre stilvollen, aber dennoch dezenten und bequemen Designs geschätzt.
Mit freundlicher Genehmigung von Creative Studio UNRAVEL; Foto: Sunghoon Han
Im Februar reiste der Hollywood-Schauspieler Timothée Chalamet nach Seoul, um seinen Film Dune: Part Two zu vermarkten. Sein Erscheinen war eine kleine Sensation und sorgte für viel Gesprächsstoff, besonders seine Outfits bei offiziellen Anlässen und seine privaten Einkaufstouren. Bei einer Pressekonferenz im Conrad Seoul Hotel trug er einen futuristischen Jumpsuit, entstanden aus der Zusammenarbeit von JUUN.J und Porsche. Zudem suchte er persönlich den JUUN.J Flagship-Store in Gangnam auf und wurde beim Shoppen im Manmade Dosan, einem Concept Store der Designerin Woo Young-mi, gesichtet.
Jung Wook-jun, Gründer der Marke JUUN.J, folgte einem klassischen Weg: Er absolvierte die renommierte Modeschule ESMOD SEOUL und arbeitete für namhafte Modehäuser, bevor er ein eigenes Label unter seinem Namen gründete. 2007 debütierte er erfolgreich auf der Paris Fashion Week und startete so seine internationale Karriere. Heute gehört JUUN.J zur Samsung C&T Fashion Group. Es war jedoch Woo Young-mi, die noch vor dem internationalen Erfolg von JUUN.J den Weg für K-Mode ebnete. Die Absolventin des Department of Fashion Design der Sung Kyun Kwan Universität konnte sich nach der Eröffnung einer Boutique Ende der 1980er Jahre in dem Segment Herrenmode etablieren. Seit ihrem Debüt in Paris Anfang der 2000er Jahre gilt sie bis heute als die erfolgreichste koreanische Designerin.
JUUN.Js Frühjahr/Sommer-Kollektion 2024 im Pariser Palais de Tokyo im Juni 2023. Unter dem Thema SKIN werden maximale Kontraste in den Silhouetten betont.
© JUUN.J
Die Chronologie der K-Fashion
Neuerdings bringen junge Designer mit zeitgenössischen, grenzüberschreitenden Designs neuen Schwung in die koreanische Mode und sorgen auch im Ausland für Furore. Bevor wir uns ihren Geschichten widmen, werfen wir einen kurzen Blick auf die Chronologie der K-Fashion.
Die Wurzeln der K-Fashion reichen bis in die 1990er Jahre zurück. Im Herbst 1990 führte die Seoul Fashion Artists Association (SFAA), ein Verband führender koreanischer Designer, regelmäßig Modenschauen durch. Dieser Verband führte in Korea den Begriff der „Kollektion“ ein und legte den Grundstein für Modewochen im Land, darunter die Seoul Fashion Week. Das mehrte das Ansehen der koreanischen Designer und ebnete ihnen den Weg auf den internationalen Modemarkt.
Im Zuge dieser Entwicklung kam es im März 1993 zum gemeinsamen Eintritt der renommierten Designer Lee Shin-woo und Lee Young-hee in die Pariser Modeszene. Lee Shin-woo profilierte sich mit avantgardistischen Entwürfen, während Lee Young-hee für ihre Kombination von westlicher Kleidung mit koreanischen Elementen der traditionellen Tracht Hanbok Erfolge feierte. Im Oktober desselben Jahres schloss sich Jin Te-ok ihnen an und präsentierte ihre einfachen, den koreanischen Geist widerspiegelnden Designs auf dem Pariser Laufsteg. Es waren diese Pioniere, die eine Ära der Kollektionen in der koreanischen Modegeschichte einläuteten und das Fundament für K-Fashion legten.
Zeitgleich erlebten lokale Marken wie SYSTEM und TIME von Handsome sowie Crocodile Ladies von Hyungji einen Boom in den Kaufhäusern, der bis in die 2000er Jahre anhielt, bevor sie von ausländischen Labels, Fast-Fashion-Produkten sowie Straßenmode aus den Fabriken in Dongdaemun verdrängt wurden.
Die Kollektion BARI 2022 von MINJUKIM zog Inspiration aus der koreanischen Sage von der Prinzessin Bari. Designerin Kim Min-ju ist bekannt dafür, märchenhafte Elemente auf realistische Designs zu übertragen.
© MINJUKIM
Zuletzt sorgte jedoch ein erfolgreicher Kurswechsel für einen neuen Run auf koreanische Mode: Jüngere Designermarken, die zunächst im Ausland Anerkennung fanden, wurden nach Korea importiert, während High-End-Marken wie Woo Young-mi und JUUN.J ihre Stellung im Ausland aufrechterhielten. Zu nennen sind hier HYEIN SEO, die 2014 auf dem Laufsteg der New York Fashion Week debütierte, und MINJUKIM, die 2015 ihre erste Kollektion im Victoria and Albert Museum in London präsentierte.
Die Macht des Internets
Früher durchliefen die führenden koreanischen Modedesigner eine formale Ausbildung und lange Lehrjahre. Heute entstehen und gedeihen neue Marken oft auf unkonventionelle Weise. Statt des klassischen Marketings durch Kataloge, Zeitschriftenanzeigen und Modenschauen erlangen sie Bekanntheit durch Erwähnungen von Influencern oder Prominenten und werden nicht selten über Nacht berühmt. Früher gab es für jede Saison aufwendig gedrehte Fashion-Filme, heute reichen tägliche Kurzclips im Netz. Das Internet bietet viel mehr Möglichkeiten für den internationalen Erfolg und hat das Tempo in der Branche deutlich angezogen.
Natürlich ist die Reihenfolge „zuerst eine solide Grundausbildung in Korea und dann Vorstoß ins Ausland“ heute noch gültig. Daher sind die Modenschauen wie die Paris Fashion Week nach wie vor von großer Bedeutung. Die Marke KIMHĒKIM von Kiminte Kimhekim z. B. bleibt dabei, ihre Kollektion in der französischen Mode-Metropole zu präsentieren. Kim lebte zehn Jahre lang in Paris und arbeitete bei Balenciaga, bevor er 2014 die eigene Marke unter seinem Nachnamen „Kimhae Kimhe Kim (Kim von dem Ort Kimhae)“ gründete. 2019 wurde er als dritter Koreaner nach Woo Young-mi und Jung Wook-joon in die Fédération de la Haute Couture et de la Mode (FHCM), Veranstalter der Pariser Modewoche, aufgenommen. Um Mitglied dieses Dachverbandes der französischen Modeindustrie zu werden, muss man hauptsächlich in Paris aktiv sein und sich der strengen Prüfung durch die Modeexperten stellen.
KIMHĒKIMs Frühjahr/Sommer-Kollektion 2024 Noir et Blanc auf der Paris Fashion Week. Die Marke vereint Poesie, Schlichtheit und Weiblichkeit mit kraftvoller innerer Schönheit.
© KIMHĒKIM
Im Gegensatz zu Woo Young-mi, die ein Geschäft in Paris besitzt, und JUUN.J, das die Unterstützung eines großen Konzerns genießt, startete KIMHĒKIM auf Social Media durch. Für seine Pariser Kollektion 2019 inszenierte Kim eine Show zum Thema „Attention Seeker“, bei der Models mit Infusionsständern oder Selfie-Sticks auf dem Laufsteg zu sehen waren. Diese ungewöhnliche Präsentation sorgte für einen Hype und verbreitete sich wie ein Lauffeuer über Instagram und Pinterest. Seine gewagten Designs und feine Schneiderkunst werden als Couture hoch geschätzt und bieten ein visuelles Spektakel. Auch wenn online erzielte „Likes“ nicht immer direkt zu Verkäufen führen, zeigt KIMHĒKIMs Erfolg, welche entscheidende Rolle soziale Medien für globale Designer spielen können.
Unkonventionelle Wege
Manchmal beschreiten aufstrebende Designer ganz eigene Wege.
Ein Beispiel dafür ist Matin Kim, deren schlichtes und extravagantes Design von jungen Menschen in Korea und weltweit geliebt wird. Ihren Einstieg in die Modewelt gab die Marke auf einem Blogmarkt des koreanischen Webportals NAVER, auf dem sie durch enge Kommunikation mit Abonnenten und Käufern schnell eine treue Fangemeinde aufbauen konnte.
Die Pop-up-Stores von Matin Kim, die letztes Jahr in Tokio und dieses Jahr in ganz Japan stattfanden, waren ein großer Erfolg. Darauf basierend plant die Marke, in der zweiten Jahreshälfte neue Offline-Stores im chinesischen Kulturraum, wie Hongkong, Macau und Taiwan, zu eröffnen und durch die lokale Präsenz ihre internationale Markenbekanntheit weiter zu stärken.
Vom ursprünglichen Onlinehändler hat sich Matin Kim auch im Offline-Bereich durchgesetzt. Letztes Jahr erzielte die Marke einen Umsatz von 100 Mrd. Won (ca. 67,8 Mio. Euro) und betreibt derzeit 14 Filialen. Die authentische Kommunikation mit den Kunden hat sich eindeutig ausgezahlt.
Matin Kims Frühjahrskollektion 2024 ON THE PATH fängt von den warmen Strahlen der Frühlingssonne bis zu den modernen Bewegungen der Stadt Momente des Alltags aus verschiedenen Blickwinkeln ein.
© Matin Kim
Ähnlich unkonventionell agiert THUG CLUB, eine 2018 von Kwon Ji-yool und Cho Yeong-min (alias THUG MIN) gegründete Marke. Die Gründer treten selbst als Models auf und teilen ihre Fotos auf Social Media, was der Marke eine rebellische und freie Note verleiht. 2021 sorgte ihre Unterwäsche mit provokanten, teilweise vulgären Slogans für Aufregung. Sie traf den Nerv einer Nischenkultur, deren für gewöhnlich nur schwer zu äußernde Haltung bzw. Philosophie auf diese Weise eine Ersatzbefriedigung erfuhr. THUG CLUB gewann an Profil und stieg zu einer globalen Streetwear-Marke auf, die auch von international bekannten Musikern getragen und erwähnt wird. Durch Kooperationen mit Labels wie MCM und Gentle Monster strebt THUG CLUB sogar nach noch größeren Höhen.
THUG CLUBs Frühjahr/Sommer-Kollektion 2024 Hybrid Cowboy ist eine kreative Neuinterpretation der Western-Kultur. Die Marke bringt die Philosophie ihrer Designer mutig zum Ausdruck und setzt damit neue Trends.
© THUG CLUB
Der Aufbau von Fangemeinden
Im sich ständig drehenden Modekarussell herrscht ein stetiges Kommen und Gehen, aber die sog. „T-Shirts der Nation“ gibt es immer. In den letzten Jahren sieht man z. B. auf der Straße oft junge Frauen in T-Shirts mit einem großen Gänseblümchen-Logo – so allgegenwärtig, dass man sich schon fragt, ob sie nicht irgendwo verschenkt werden. Dieses Gänseblümchen ist das Symbol von Mardi Mercredi, einer Marke, die 2018 von drei ehemaligen Designern eines Modehauses gegründet wurde. Der Name, der auf Französisch „Dienstag“ und „Mittwoch“ bedeutet, steht für ihre lässige, französische Freizeitmode.
Ursprünglich nur als saisonales Design gedacht, wurde das Gänseblümchen-Logo nach einem Jahr so populär, dass es zum Markenzeichen wurde. Mit Unterstützung der digitalen Plattformen traf das dezente Blumendesign genau den Geschmack der Modefans. Durch ihre Präsenz auf beliebten Online-Modeshops wie MUSINSA und 29CM sprach Mardi Mercredi ein breiteres Publikum an. Ihr Erfolg beruht auf erschwinglichen Preisen für Online-Kunden und einem ikonischen Logo. So stehen nun auch ausländische Touristen Schlange vor ihrem Flagship-Store in Hannam-dong, Seoul. Das Gänseblümchen-Logo von Mardi Mercredi ist derzeit ein regelrechtes Symbol der K-Mode geworden.
Während die Designer von früher oft einem klassischen Aufstiegspfad folgten, fangen die jungen Marken von heute den Zeitgeist auf ihre eigene Weise ein und erobern die Herzen der Menschen. So präsentiert sich die aktuelle K-Mode so vielseitig wie eine bunte Farbpalette. Mit einem einfachen Satz lässt sie sich jedenfalls nicht mehr zusammenfassen.