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Features

2018 WINTER

SPEZIAL

K-Beauty: Die blühende Industrie und
koreanische Ästhetik
SPEZIAL 2 Ästhetisches Bewusstsein von Frauen in alten Malereien

Auf den ersten Blick scheint 'K-Beauty“ von den traditionellen koreanischen Wertvorstellungen oder Schönheitsnormen abzuweichen. Betrachtet man jedoch die junge Generation, die in die traditionelle Tracht Hanbok gekleidet durch die Königspaläste spaziert, lässt sich schlecht behaupten, dass sie völlig von der Tradition abgeschnitten sei. In diesem Kontext gewähren die Wandmalereien in den Königsgräbern des Goguryeo-Reichs (37 v. Chr.-668 n. Chr.) sowie die Genremalereien der späten Joseon-Zeit (1392-1910) einen guten Einblick in die traditionellen Schönheitsideale koreanischer Frauen.

Ausschnitt aus den Wandmalereien in Muyongchong, einem aus dem 5. Jh. stammenden Goguryeo-Grab in der Tonggou-Ebene, Provinz Jilin, China. Die beiden Frauen sind klein von Gestalt und haben ein rundes Kinn, was sie in ihrer ungekünstelten Art attraktiv erscheinen lässt.

In den Wandmalereien der Goguryeo-Gräber aus dem 4.-6. Jh. sind viele Frauen aus unterschiedlichen Schichten zu sehen, darunter Königinnen und Adlige, Tänzerinnen, Musikerinnen und Dienerinnen. Abgesehen von der Königin und den Hofdamen in den Wandmalereien in Grab Nr. 3 im Grabfeld in Anak-gun, Provinz Hwanghaenam-do in Nordkorea, sind nur wenige korpulent. Die Frauen sind allgemein von kleiner und zierlicher Gestalt und haben ein rundes Kinn.
Interessanterweise sind die Frauen der Oberschicht trotz ihrer achtungsgebietenden Haltung und prachtvollen Kleidung nicht übermäßig attraktiv. Die Maler von damals richteten ihre Aufmerksamkeit offensichtlich stärker auf die Darstellung von Frauen oder jungen Mädchen aus dem einfachen Volk. Sie nutzten diese auch als Motivvorlagen für die Darstellung des weiblichen Schönheitsideals der Zeit, wie es in Abbildungen der Apsaras oder der symbolischen Darstellung von Sonne und Mond zum Ausdruck kommt.

Miss Goguryeo
Die 'Miss Goguryeo“ findet sich indes in der Wandmalerei von Muyongchong, dem sog. 'Grab des Tanzes“ aus dem 5. Jh. in Tonggou, Provinz Jilin, im Nordosten Chinas: Es sind zwei Frauen, die aus der Küche treten, um Essen und Tee zu servieren. Die erste trägt einen Tabletttisch, die Frau dahinter ein Tablett. Die Oberbekleidung ist ein kittelartiges Gewand in Weiß bzw. Rot, gesprenkelt mit schwarzen Punkten. Darunter lugen weiße Faltenröcke und rote Hosen hervor, dazu zipfelartig spitz zulaufende Schuhe, die an die traditionellen koreanischen Stoffsocken Beoseon erinnern. Sie sind also adrett gekleidet. Die Frauen sind klein von Gestalt und haben einen kräftigen Unterkörper, ihre rundlichen, flachen Gesichter wirken einfach und unbedarft. Ihre Frisuren - die eine trägt einen Nackenknoten, die andere einen hochgesteckten Chignon - verraten, dass diese eine gesunde Schönheit ausstrahlenden jungen Frauen auf die 20 zugehen bzw. in den 20ern sind.
Als ich im Mai 2006 an einem innerkoreanischen Projekt zur gemeinsamen Erforschung von Wandmalereien in Goguryeo-Gräbern teilnahm, entdeckte ich in einer Wandmalerei des Grabes in Susan-ri in Pjöngjang eine frische Goguryeo-Maid. Es ist eins der Dienstmädchen des Ehepaares, dem das Grab gehört. Die Malerei zeigt das Ehepaar samt Familie beim Zuschauen einer akrobatischen Vorführung, das Mädchen hält der Dame in der Mitte schützend einen Sonnenschirm über den Kopf. Auch wenn die Wandmalerei so stark beschädigt war, dass Details schwer zu erkennen sind, lässt sich doch sagen, dass das schmale, ovale Gesicht des Mädchens sich nicht besonders von dem der heutzutage als Schönheiten bezeichneten Frauen unterscheidet. Sie ist so schön wie die weiße Blüte eines Flaschenkürbisses, die in einer Mondnacht aufblüht. Die Darstellung des Mädchens lässt vermuten, dass die Menschen von Goguryeo ein solch zartes, feminines Aussehen als weibliches Schönheitsideal betrachteten.
Hinter der Unerschrockenheit der Männer, die das nordostasiatische Großreich Goguryeo schufen, steht letztendlich immer eine Frau. Unter den vielen, für ihren starken Charakter bekannten Goguryeo-Frauen sind Yuhwa, die Mutter des Goguryeo-Gründers Jumong (reg. 37 v. Chr.-19 v. Chr.), und Jumongs Gemahlin Soseono zu nennen. Weiterhin Prinzessin Pyeonggang, die einen einfachen Bürger namens Ondal heiratete, sowie Yeon Gaesoyeong und Yeon Gaesojin, die jüngeren Schwestern von General Yeon Gaesomun, der die Invasoren aus Tang-China zurückschlug. Daher rührt die allgemeine Vorstellung, dass die Goguryeo-Frauen stark und zäh gewesen sein müssen, doch in den Wandmalereien werden sie in feinen und geschmeidigen Linien und Farbtönen als anmutige Wesen dargestellt.

Dano-Tag von Shin Yun-bok (1758 -1814). Spätes 18. Jh., Tusche und Farbe auf Papier, 28,2 × 35,6 cm. Diese Genremalerei von Shin Yun-bok, einem Hofkünstler der Späten Joseon-Zeit, zeigt mit schnellen, fließenden Pinselstrichen gemalte Frauen, die sich am Dano-Tag (fünfter Tag des fünften Monats nach Lunarkalender) vergnügen. Nationalschatz Nr. 135.

Ausschnitt aus den Wandmalereien des wahrscheinlich im späten 5. Jh. angelegten Grabs von Susan-ri im heutigen Pjöngjang. Die Dienerin, die einen Schirm für ihre Herrin hält, hat ein delikates, unschuldig wirkendes Gesicht.

Frauen in Zweiteilern
Die Frauengestalten in den Wandmalereien von Ssangyeongchong (Zwei-Säulen-Grab) in der Stadt Nampo und im Grab in Susan-ri, Pjöngjang - beide in der heutigen nordkoreanischen Provinz Pyeongannam-do gelegen und Ende des 5. , Anfang des 6. Jhs errichtet - sind im Vergleich zu den Malereien aus den Zeiten davor mit viel delikateren und weicheren Linien dargestellt. Außerdem sind sie verglichen mit den Frauen in den Wandmalereien in den Gräbern der Tonggou-Region stärker geschmückt und wirken eleganter, was auch in ihrer Kleidung zum Ausdruck kommt: Sie tragen einen A-Linien-Rock, der wie der kittelartige Überwurf eine nach unten hin ausschwingende Trapezform aufweist und schlichte Schönheit ausstrahlt. Die Bekleidung der Goguryeo-Zeit zeichnet sich durch bequeme Einfachheit aus. Die Kleidung von Frauen aus dem einfachen Volk ist zwar schlicht, strahlt aber die legere Anmut von Alltagskleidung aus. Kragen, Ärmelenden und Saum des boleroartigen Oberteils und kittelartigen Überwurfs sind mit sich farblich abhebenden schwarzen oder farbigen Borten versehen, um die Taille ist eine Schärpe geschlungen. Abgesehen von den Röcken adliger Damen, die mit breiten, mehrfarbigen Streifen geschmückt waren, sind die Frauenröcke meistens weiß und weit geschnitten mit feinen Falten, manchmal findet sich aber auch ein farbiger Besatz am Saum.
Die Bekleidung in der Goguryeo-Zeit bestand für Männer und Frauen grundsätzlich aus Hose und Jeogori-Oberteil. Die Frauen trugen über der Hose meist noch einen gefalteten Rock und das Oberteil war lang genug, um das Gesäß zu bedecken. Der 'Zweiteiler“ gilt in der Weltgeschichte der Bekleidung als die beste Lösung für Alltagskleidung und ist heutzutage der am weitesten verbreitete Modestil.

Im Koreanischen wird Kleidung dieses Stils zwar aufgrund ihrer Herkunft aus dem Westen als 'Yangbok“ ('westliche Kleidung“), bezeichnet, aber die erste Darstellung des Zweiteilers in der Weltgeschichte findet sich in einer Gogureyo-Gabmalerei aus dem 4. Jh. Daher ließe sich behaupten, dass das Goguryeo-Reitervolk den Zweiteiler erfunden hat.
Der Goguryeo-Zweiteiler ist eine Kombination aus brusthohem Rock und Jeogori-Oberteil in jeweils anderen Farben. Die Frauen trugen weiße Röcke mit einem Jeogori in Weinrot, Rosa oder Dunkelviolett, eine kühne und zugleich elegante Farbkombination. Diese Zwei-Farben-Kombination könnte das Farbempfinden verfeinert und die Entwicklung von Färbe- und Webtechniken angetrieben haben. Bei den Wandmalereien von Ohoebun (Fünf-Helme-Gräber) Nr. 4 in der Tonggou-Ebene, die Darstellungen der Sonnen- und Mondgottheiten in Oberteilen mit flügelartigen Ärmeln sowie weiten Röcken zeigen, fällt auf, dass das rot-grüne Gewand der Sonnengottheit prachtvoller ist als das in einer gedämpfteren Kombination gehaltene braun-gelbe Gewand der Mondgottheit. Die Kombination aus Komplementärfarben wie Rot und Grün, die sich öfters in Wandmalereien der vier Symbole der Sternekonstellationen in der späten Goguryeo-Zeit findet, kann als Ausdruck des koreanischen Farbempfindens betrachtet werden.
Die Kleidung in den Goguryeo-Grabmalereien zeigt den Prototyp des Hanbok, der in Form des in der späten Joseon-Zeit vervollkommneten Stils bis in die heutige Zeit tradiert wurde. Es ist jedoch schwer, den Wandel von der Goguryeo- bis zur Joseon-Zeit lückenlos zu verfolgen, da es nur wenige Relikte oder Darstellungen gibt, die Aufschluss darüber geben könnten, wie sich der Kleiderstil im dazwischen liegenden Zeitraum des Vereinten Silla-Reichs (37 v. Chr.-935 n. Chr.) und des Goryeo-Reichs (918-1392) gewandelt hat. Doch auch in der Joseon-Zeit trug man nach der Tradition von Goguryeo grundsätzlich einen Zweiteiler aus Rock und Jeogori in jeweils unterschiedlichen Farben. Der auffälligste Unterschied dürfte darin bestehen, dass in der späten Joseon-Zeit das Jeogori-Oberteil deutlich kürzer wurde. Die kühne Rot-Grün-Kombination war dabei meist feierlicheren Anlässen vorbehalten, während man für Alltagskleidung Indigoblau bevorzugte.

Die Frauen in den Bildern von Shin Yun-bok waren wohl zur 'neuen Generation“ gehörende Trendsetterinnen. Die Kombination aus indigofarbigem Rock und weißem Jeogori, die sie Anfang des 19. Jhs in Mode brachten, sind in ihrer Eleganz vergleichbar mit der Kleidung, die die Pariserinnen der Zeit trugen.

Instinktives Streben nach Schönheit
Die Genremalereien der späten Joseon-Zeit lassen sich in zwei Arten einteilen: Während die Genremalerei im 18. Jh. auf das Arbeitsleben der ländlichen Gemeinschaften fokussierte, rückte Anfang des 19. Jhs die Darstellung der städtischen Unterhaltungskultur in den Vordergrund. Die Bilder der ersten Richtung zeigen meist Frauen bei wirtschaftlichen Tätigkeiten oder bei der Hausarbeit, die der zweiten bei Ausflügen oder Spielen. Repräsentative Beispiele dafür sind jeweils Pungsok hwacheop (Genrebilder-Album) von Kim Hong-do (1745-1806) bzw. Miindo (Bildnis einer schönen Frau) und Pungsokdo hwacheop (Genrebilder-Album) von Shin Yun-bok (1758-?). Die Darstellungen geben so realitätsnah Aufschluss über Trends und Stile, dass sie als Kompendium der Mode gelten können.
Insbesondere die Genrebilder aus der Zeit von König Sukjong (reg. 1674-1720) und König Sunjo (reg. 1800-1834) zeigen Frauen von Joseon, die ihrer persönlichen Vorstellung von Schönheit Ausdruck zu verleihen versuchen, was nicht mit dem stereotypen Bild der sittsamen, vom Patriarchat unterdrückten Frau übereinstimmt. Das ästhetische Bewusstsein dieser Frauen aus der späten Joseon-Zeit widerspricht dem von den neokonfuzianischen Gelehrten der Zeit vertretenen Normen- und Sittenkodex: Geschürzte, an der Taille hochgebundene Röcke, die einen Blick auf die weißen Unterrockhosen erlauben, lagen Welten entfernt vom Gebot der Züchtigkeit. Einige setzten sich über den auf der Standeszugehörigkeit basierenden Kleiderkodex hinweg und ignorierten selbst die königliche Anweisung bezüglich des Gebrauchs dekorativer Haarteile.
Andere Frauen gingen sogar soweit, mit hautengen Jeogori- Oberteilen die Linien ihres Oberkörpers zu betonen, während sie den Unterkörper mit einem bauschig geschichteten Rock bedeckten. Sie mochten also einen Stil, der sie obenherum schlank und untenherum füllig erscheinen ließ, was Assoziationen an Dal-Hangari, die reinweiße Mondtopf-Keramik aus der späten Joseon-Zeit, aufkommen lässt. Interessant ist, dass zur gleichen Zeit in Europa eng anliegende Oberteile und voluminöse Röcke im Trend waren. Im übrigen bevorzugten die Frauen der späten Joseon-Zeit für ihre Alltagskleidung Blau. Blau wurde in allen Schattierungen getragen, von hellen Auquamarintönen bis zum satten Indigo- blau. Das findet sich bestätigt in Shin Yun-boks Genrebilder-Album. Eine Analyse der Frauenkleidung in den 30 Bildern zeigt, dass 52 der 70 Frauen (74%) in verschiedene Blautöne gekleidet sind.
Die beliebte Kombination aus weißem Oberteil und indigo- blauem Rock erinnert an Cheonghwa Baekja, weißes Porzellan mit kobaltblauem Dekor, das zu dieser Zeit populär war. Vielleicht rührt die Vorliebe für diese Farbkombination aus der Liebe zum klaren, blauen Herbsthimmel, über den weiße Wolken ziehen. Andere, wenn auch seltenere Farbkombinationen in den Bildern sind roter Rock mit gelbem Oberteil und indigo- blauer Rock mit pinkem, gelbgrünem oder violettem Oberteil.

Bildnis einer schönen Frau von Shin Yun-bok. Spätes Joseon-Reich. Tinte und Farbe auf Seide. 114 × 45,5 cm. Dieses Gemälde, das eine Frau mit flirtendem Ausdruck auf ihrem leicht gesenkten Gesicht zeigt, offenbart den realistischen Ästhetiksinn des Malers. Zusammen mit ihrem Kleiderstil, der ihre Herkunft aus der Oberschicht andeutet, gilt sie als Verkörperung des traditionellen koreanischen Ideals weiblicher Schönheit. Schatz Nr. 1973.

Originalität in Schlichtheit
Die adligen Joseon-Frauen schmückten ihr weißes Jeogori-Oberteil mit farbigen Stoffbesätzen, die sie am Kragen, an den Ärmeln oder am Seitensaum anbrachten. Diese Art von Jeogori nannte man 'Samhoejang Jeogori“ (Jeogori mit Dreifach-Bordüre). Waren nur Kragen und Ärmel verziert, sprach man von 'Banhoejang Jeogori“ (Halbbordüre-Jeogori); Jeogori ohne Besatz wurden 'Min Jeogori“ genannt. Die erfrischende Harmonie von weißem Jeogori mit Besätzen in kalter Farbe zeigt, wie diese Frauen nach Originalität unter Wahrung der ästhetischen Schlichtheit strebten. Eine zusätzliche Note von Eeleganz verliehen Accessoires wie Norigae (Schmuckknotenanhänger), Dwikkoji (Chignon-Ziernadel), Tteoljam (Haarsteckschmuck), Binyeo (Chignonnadel) und Schuhe.
Da das Jeogori mit Dreifach-Bordüre Damen der Oberschicht vorbehalten war, erscheint es selten in Genremalereien. In Shin Yun-boks Bildband tragen es nur drei Frauen, die alle der Oberschicht angehören dürften. Die übrigen Frauen mit einem Halbbordüre-Jeogori oder einem einfachen Jeogori waren vermutlich Gisaeng (professionelle Unterhalterin) oder einfache Bürgerinnen.
Shin Yun-boks Bildnis einer schönen Frau zeigt eine elegante Oberschicht-Dame der späten Joseon-Zeit, die als Verkörperung des Schönheitsideals der Vormoderne gelten kann. Sie wird zwar häufig für eine Gisaeng gehalten, ihr Samhoejang Jeogori lässt aber auf eine Adlige schließen. Das Haar dieser Frau, die noch in ihren 20ern sein dürfte, ist sauber nach hinten gekämmt und in einer dicken Flechte um den Kopf gesteckt, wobei ein dekoratives Haarteil von moderater Größe für mehr Volumen sorgt. Ihr weißes, mit blauroten Besätzen verziertes Jeogori, das sie zu ihrem Rock in hellem Indigoblau trägt, wirkt schlicht und prächtig zugleich. Die blaurote Stoffhaarschleife und das rote Band an der Seite des Jeogori betonen die Schönheit der Frau. Die Art, wie ihr leicht zur Seite gedrehter Fuß in der weißen Stoffsocke unter dem langen, bauschigen Rock hervorlugt, und der Ausdruck auf ihrem graziös gesenktem Gesicht haben etwas Kokettes an sich.
Die Frauen in den Bildern von Shin Yun-bok waren wohl zur 'neuen Generation“ gehörende Trendsetterinnen. Die Kombination aus indigofarbigem Rock und weißem Jeogori, die sie Anfang des 19. Jhs in Mode brachten, sind in ihrer Eleganz vergleichbar mit der Kleidung, die die Pariserinnen der Zeit trugen.
Das darauf folgende Jahrhundert war eine schwierige Zeit für die Koreaner. Die 'modern girls“ und die Frauen danach, die während der japanischen Kolonialherrschaft Anfang des 20. Jhs die westliche Kultur über Japan aufnahmen, hatten es schwer, einen eigenen Stil zu kreieren, da sie anderen nacheifern wollten bzw. mussten. Weitere 100 Jahre später haben die Nachkommen dieser Frauen den K-Beauty-Trend geschaffen und die Welt darauf aufmerksam gemacht. Die koreanischen Frauen des 21. Jhs sind vielleicht eine 'neue Spezies“, die sich radikal von ihren Vorgängerinnen unterscheidet und fundamentale Umbrüche in der Kulturgeschichte des Landes bewirkt.

Natürliche Schönheit
präsentiert im Kosmetikmuseum im Herzen Seouls

Das Kosmetikmuseum Coreana (Coreana Cosmetics Museum) im Seouler Stadtteil Gangnam-gu ist das einzige seiner Art in Korea. In diesem in der K-Pop-Brutstätte gelegenen Museum erfährt der Besucher mehr über Koreas lange Geschichte der Schönheitspflege und das Konzept der natürlichen Schönheit, auf das der aktuelle 'K-Beauty-Boom“ zurückgeht.

In vormodernen Zeiten verwendeten koreanische Frauen gemahlene Körnerfrüchte wie Mungobohnen, Sojabohnen und rote Bohnen zur Gesichtsreinigung, was auch im Dongui Bogam, der zum UNESCO-Weltkulturerbe gehörenden Enzyklopädie der östlichen Medizin aus dem 17. Jh., beschrieben wird. Zu den am häufigsten verwendeten Grundstoffen für Gesichtspuder und farbiges Make-up gehören Reis, Wunderblumensamen, rote Lehmerde und Färberdistelblüten.

Die koreanische Kultur ist von einem Schönheitssinn geprägt, nach dem man sich der Natur nicht widersetzt, sondern mit ihr im Einklang zu sein strebt. Diese Besonderheit, die sich in Architektur, Kleidung und kulinarischen Traditionen widerspiegelt, prägt auch die Kosmetikkultur. Den menschlichen Figuren nach zu urteilen, die sich in alten Wandmalereien und auf anderen Relikten finden, hatte die koreanische Kosmetikkultur bereits im 1. Jh. v. Chr. ein ziemlich hohes Niveau erreicht. Im 10. Jh. der Goryeo-Zeit (918-1392), als exquisite Kosmetikbehälter und Bonzespiegel hergestellt wurden, gelangte auch die Kosmetikkultur zur Blüte.
In der Joseon-Zeit (1392-1910), als das Konzept der natürlichen Schönheit aufkam, bemühte man sich mit natürlichen Kosmetika um ein schlicht-anmutiges Aussehen. So hat sich die koreanische Kosmetikkultur beständig weiterentwickelt und mit Hilfe moderner Technologien wurde die Wirkung der natürlichen Inhaltsstoffe traditioneller Kosmetika maximiert, um dem Wunsch der Menschen von heute, noch schöner auszusehen, zu entsprechen.

Porzellantiegel-Kosmetikset mit eingelegtem Chrysanthemen-Design. Goryeo-Reich. Durchmesser: 11,4 cm (äußerer Tiegel), 3,6 cm (innere Tiegel). Der Deckel des äußeren Porzellantiegels ist mit Chrysanthemen-Dekor geschmückt. Die Mojahap-Tiegelchen im Inneren dienten der Aufbewahrung von Gesichtspuder, Rouge, Augenbrauenfarbe und anderen Kosmetikutensilien.

K-Pop und K-Beauty
Das Kosmetikmuseum Coreana wurde 2003 auf Basis der Sammlung von Yu Sang-ok, Gründer und CEO von Coreana Cosmetics, eröffnet. Nach Treffen mit ausländischen Geschäftspartnern bedauerte Yu stets, dass die hochwertige koreanische Kosmetikkultur in der Welt nicht ausreichend bekannt war. Deshalb befasste er sich intensiv mit der traditionellen koreanischen Kultur und erweiterte nebenher seine Kollektion Schönheits-bezogener Artefakte.
Mit dem Gebäudedesign beauftragte Yu den renommierten Öko-Architekten Chung Guyon (1945-2011). Der CEO einer Kosmetikfirma, der die Quelle der Schönheit in der Natur suchte, und der Architekt, der durch ökofreundliches Design Harmonie von Mensch und Natur anstrebte, beschlossen, einen Raum zu schaffen, der einem mitten in der Stadt gelegenen Garten ähnelt. Ihre Bemühungen trugen Früchte und heute kann sich das Gangnam-Viertel als dynamischer Kultur-Hub behaupten, der nicht nur K-Pop, sondern auch K-Beauty anführt.

Natürliche Inhaltsstoffe
Beim Betreten des Museums fällt der Blick als Erstes auf Inhaltsstoffe, die Frauen in vormoderner Zeit für ihr Make-up verwendeten. Man würde erwarten, dass die Kosmetikbestandteile von damals anders als die von heute wären und ist entsprechend überrascht, Getreide und andere natürliche Alltags-Ingredienzien ausgestellt zu finden, die zudem auch im Dongui Bogam (Enzyklopädie der östlichen Medizin) des Hofarztes Heo Jun (1539-1615) Erwähnung finden. Dieses aus der Joseon-Zeit stammende Kompendium der östlichen Medizin, das auch zum UNESCO-Dokumentenerbe gehört, enthält neben detaillierten Arzneimittelrezepten gegen verschiedene Krankheiten auch relevante Informationen über Schönheitspflege wie z.B.
Nährstoffversorgung, Hautaufhellung und Anti-Aging sowie zur Behandlung von Vergiftungen durch Gesichtspuder oder Hautprobleme wie Pusteln. Es überrascht, dass die Hautprobleme von früher nicht so viel anders als die von heute waren.
Zu den Exponaten gehören Gesichtsreinigungsmittel aus gemahlenen Mungobohnen, Sojabohnen oder roten Bohnen sowie Puder aus fein gemahlenen Reiskörnern, Wunderblumensamen oder Lehm. Interessant ist, dass die Frauen von einst nicht irgendein Puder auftrugen, sondern bewusst nach natürlichen Rohstoffen forschten, die zu ihrem Teint passten. So stellten sie Farbpuder her, indem sie die jeweiligen Basisstoffe mit weißem Pulver mischten. Die Farbpalette reichte von einem leichten Pfirsichton bis Perlweiß. Zu sehen sind weiterhin Materialien für die Augenbrauen, die für die Frauen von einst ebenso wichtig waren wie abdeckende Puder oder aus Färberdistelblüten hergestelltes Rouge für Wangen und Lippen. Die Kosmetika werden nach alten Methoden gerührt, um dem Besucher ein besseres Verständnis für Herstellungsweise und Anwendung zu vermitteln.

Im 10. Jh. der Goryeo-Zeit (918-1392), als exquisite Kosmetikbehälter und Bonzespiegel hergestellt wurden, gelangte auch die Kosmetikkultur zur Blüte.

Perlmuttintarsien-Lackschatulle mit Spiegel. Joseon-Reich. Breite: 18,6 cm, Tiefe: 25,5 cm, Höhe: 15,6 cm.Die Schatulle ist an der Vorderseite mit Schildpatt-Dekor versehen, die Seitenteile weisen ein Landschaftsdesign auf. Der Deckel kann nach hinten geklappt werden, um den Spiegel abzustützen. An der Vorderseite befindet sich eine Schublade zum Verstauen von Makeup-Utensilien.

Spiegel mit BaoxianghuaDekor. Goryeo-Reich. Durchmesser: 18,9 cm. Der runde Kupferspiegel ist auf der Rückseite mit einem Baoxianghua-Dekor versehen. Dieser Dekor ist typisch für das Goryeo-Reich und findet sich nur selten in China oder Japan.

Vielfältige Keramikgefäße
Während Kosmetika hauptsächlich von Frauen verwendet wurden, waren Duftstoffe bei Männern und Frauen gleichermaßen beliebt. In der traditionellen koreanischen Gesellschaft wurden Duftstoffe im Alltagsleben allgemein zur Beseitigung von Körpergeruch, als Insektenschutz und zur körperlichen sowie geistigen Entspannung eingesetzt. Damit der Duft lange dezent erhalten blieb, trug man ihn auf Accessoires auf oder bewahrte Duftstoffbeutel im Schrank auf. Das Museum verfügt über einen gesonderten Bereich für traditionelle Duftstoffe, wo der Besucher verschiedene Duftnoten testen kann.
Da die meisten der traditionellen Kosmetikprodukte vom Nutzer persönlich für den Eigenbedarf hergestellt wurden, konnten sie nur in kleinen Mengen produziert werden. Auch die Aufbewahrung war ein Problem, da Naturstoffe leicht verderben. Daher füllte man die Kosmetika in kleine Keramikbehälter. Anders als Metall ist Keramik atmungsaktiv, was Schlechtwerden verhindert.
Das Museum präsentiert eine Vielfalt von Kosmetikbehältern aus unterschiedlichen Zeiten, darunter Tonwaren aus der Zeit des Vereinten Silla-Reiches (676-935), Seladon aus Goryeo bis hin zu Buncheong-Keramik (graublaue Keramik mit weißer Glasur) und Cheonghwa Baekja (weißes Porzellan mit kobaltblauem Dekor) aus dem Joseon-Reich. Die Behälter sind nicht nur in Farbe und Muster unterschiedlich, sondern auch in der Form. Gefäße wie Ölkrüge, Puderkrüge und -dosen sowie Puderteller geben Einblick in die Kosmetikkultur der Zeit, die dank der fortgeschrittenen Keramikherstellungstechniken florierte.

Norigae mit drei mit Edelsteinen geschmückten Quasten. Joseon-Reich. Länge: 38 cm.Der Schmuckknotenanhänger Norigae war ein Kleider-Accessoire, das in der Joseon-Zeit bei Edeldamen genauso beliebt war wie bei Frauen aus dem einfachen Volk. Am luxuriösten war ein Norigae mit drei Quasten, die mit drei unterschiedlichen Edelsteinen geschmückt waren.

Jade-Haarnadeln mit Durchbruch-Dekor. Joseon-Reich. Länge: (von oben) 24 cm, 37,4 cm, 25,2 cm, 20 cm. Binyeo wurden von Frauen zur Fixierung des Haarknotens verwendet. Diese Haarnadeln unterscheiden sich in Material und Design je nach sozialer Schicht, Anlass und Jahreszeit. Im Sommer waren v.a. Binyeo aus Jade beliebt.

Exponate und Mitmachprogramme
Die Einführung der modernen westlichen Kultur brachte auch einen Wandel in Bezug auf die bis dahin in Keramikgefäßen aufbewahrten Naturkosmetika. Im Museum sind nach Perioden geordnet verschiedene Kosmetikartikel wie Parkabun (Parks Gesichtspuder), das erste moderne Kosmetikprodukt Koreas, ausgestellt, die einen Einblick in die moderne Kosmetikgeschichte Koreas geben.
Die Dauerausstellungen des Museums zeigen Gegenstände für den persönlichen Alltagsgebrauch wie Kämme und Spiegel sowie Accessoires wie Binyeo (Chignon-Haarnadel) und Norigae (Schmuckknotenanhänger, die am Hanbok-Oberteil getragen werden). Da zudem noch die Kosmetikkulturen von China und Japan, mit denen Korea engen kulturellen Austausch pflegte, vorgestellt werden, erhält der Besucher einen vergleichenden Überblick über die verschiedenen Traditionen der Schönheitspflege in Nordostasien.
Um die traditionelle koreanische Kosmetikkultur in der Welt vorzustellen, veranstaltet das Museum auch in anderen Ländern Ausstellungen. Gleichzeitig bietet es - für koreanische und auch für ausländische Besucher - diverse, auf verschiedene Altersgruppen abgestimmte Erlebnisprogramme wie Herstellung von traditionellen Kosmetikprodukten, olfaktorische Erlebnistour traditioneller Düfte und Herstellung von ganz persönlichen DIY-Kosmetikartikeln.

Lee Tae-ho Gastprofessor für Kunstgeschichte, Myongji University; Leiter des Forschungsinstituts für Landschaftsmalerei
Lee Ji-sun Kuratorin, Coreana Cosmetics Museum
Ahn Hong-beom Fotos

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