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Interview

2020 AUTUMN

Kultur & Kunst

Interview Aus Weggeworfenem neuen Wert schaffen

Zwei junge Designer mit Schwerpunkt Textildesign gründeten 2010 das Designstudio Fabrikr. In dem Bemühen, über die Grenzen von Materialien hinauszugehen, bewegen sie sich frei zwischen Möbel- und Raumdesign.

Die Gründer des Designstudios Fabrikr, Kim Sung-jo (links) und Kim Dong-kyu, im von Fabrikr designten Café Onion in Seongsu-dong. Sie begannen mit Möbeln und expandierten dann zu Raumdesign.

Nach der Gründung ihres Designstudios Fabrikr im Jahr 2010 präsentierten die Designer Kim Dong-kyu und Kim Sung-jo ihr erstes Werk: den Stuhl Monster, hergestellt durch Beschichten von weggeworfenen Stoffen und Holz mit Epoxidharz. Nachdem das Duo zunächst aus Weggeworfenem Möbel kreiert hatte, richtete es seinen Blick auf aufgegebene Räume: Aus Fabriken, Postämtern, öffentlichen Badehäusern und traditionellen Hanok-Häusern wurden Cafés, Optikergeschäfte, Ausstellungsräume für bestimmte Marken und mehr.

Es war aber nicht nur die Nutzungart des Raums, die sich änderte. Viele tranken dort Kaffee, lasen Bücher und genossen es, dort zu sein. Sie verliebten sich in die Räumlichkeiten. Wenn Sie die Gefühls- und Gedankenwelt junger Menschen im geschäftigen Seoul verstehen möchten oder einfach neugierig auf die neuesten angesagten Hotspots sind, tun Sie gut daran, sich die Räume anzusehen, die die Handschrift von Fabrikr tragen. Denn diese Orte sind die Antworten auf Ihre Fragen.

Warum interessieren Sie sich für Aufgegebenes?
Kim Dong-kyu: Wir haben beide Textildesign studiert. Zunächst wollten wir die Grenzen der Faser als Material überschreiten und aus verschiedenen Stoffen Möbel und alle möglichen Objets herstellen. Materialien kaufen und daraus etwas machen: Das ist einfach. Wir fanden die Idee viel attraktiver, weggeworfenen Dingen durch unsere Hände neues Leben einzuhauchen, indem wir sie zu etwas anderem werden lassen.

Quantum Project: Sound Holic Exit (2014). Musikinstrumente, Mobiliar, Neonlicht. 9,5 × 20 × 3,2 m (Breite, Tiefe, Höhe). © Fabrikr

Quantum Project: Coral Wave (2014). Prismenfilm, Draht, Spiegel. 9,5 × 15 × 3,2 m (Breite, Tiefe, Höhe). Im Flagship Store der Brillenmarke Gentle Monster in Seogyo-dong, Mapo-gu, befinden sich im zweiten und dritten Stock Verkaufsräume, aber das Erdgeschoss ist ein sich entwickelnder Projektraum. Ein ganzes Jahr lang präsentierte Fabrikr alle 15 Tage ein völlig neues Raumkonzept. © Fabrikr

Sie haben einmal gesagt, dass „Upcycling“ und „Weggeworfenem neuen Wert verleihen“ unterschiedlich sind. Was ist der Unterschied?
Kim Dong-kyu: Die Schweizer Marke Freitag hat Taschen durch die Verwendung von wasserdichtem Industrieabfall entwickelt und ist heute auf der ganzen Welt beliebt. Aber da bei einer Upcycling-Marke enorm viel Arbeit in den Produktionsprozess gesteckt werden muss, ist das Endprodukt nur entsprechend teuer. Wenn sich das Produkt trotzdem immer noch gut verkauft, beweist das eine entsprechend gute Produktplanungskompetenz. Für die Vermarktung ist zwar auch das Brand-Storytelling wichtig, aber das Produkt an sich muss hinreichend überzeugend sein, damit der Kunde bereit ist, Geld dafür auszugeben. Wir dachten, dass uns in diesem Bereich immer noch etwas fehlt. Deshalb haben wir beschlossen, unsere Aufmerksamkeit auf das weggeworfene Material an sich zu richten und auf das Ziel, ihm mehr Wert zu verleihen. Aus diesem Grund haben wir statt kommerzieller Produkte Objets geschaffen, also Werke, die unsere Geschichten erzählen können.



Anfangs haben Sie sich auf Material und Arbeitsweise konzentriert, aber jetzt scheint es keine Grenzen zu geben.
Kim Dong-kyu: An den Grundlagen hat sich nichts geändert. Wir haben einfach beschlossen, keine Grenzen zu setzen, und die Ausdrucksmethoden verwendet, die uns zur Verfügung standen, um Möbel, Installationsstücke und Räume zu gestalten. Jetzt denken wir auch an Architektur. Wir wollen uns immer wieder neue Herausforderungen vornehmen und sie auf unsere eigene Art und Weise lösen.

Kim Sung-jo: Ob es sich nun um ein Möbelstück oder einen Raum handelt: der eigentliche Planungs- und Designprozess ist der gleiche. Der Unterschied ist nur, was an erster Stelle steht: der Gegenstand oder die Geschichte, die wir erzählen möchten. Sei es ein ausgemusterter Stuhl, ein ausgemustertes Stück Stoff oder ein aufgegebener Raum: Sobald wir uns für ein Objekt entschieden haben, überlegen wir, mit welcher Geschichte wir es füllen können. Der einzige Unterschied wäre, dass wir bei Möbeln nur unseren eigenen Vorstellungen folgen, während wir bei einem Raum versuchen, die Geschichten der Menschen, die ihn nutzen werden, einzufangen. Bei der Raumgestaltung denken wir darüber nach, wie sich die Menschen bewegen und welche Wege sie einschlagen sollen. Es gibt Momente, in denen wir uns wie Amateure vorkommen, denn wenn wir eine gute Idee haben, ändern wir sogar mitten im Projekt noch einmal die Richtung, ohne lange darüber nachzudenken. Aber letztendlich liegt meiner Meinung nach gerade darin unsere Stärke.



Betrachtet man Ihre Arbeiten, scheinen Sie eine besondere Vorliebe für Epoxidharz zu haben.
Kim Sung-jo: Epoxidharz besitzt bestimmte Materialeigenschaften, die für unsere Projekte und für die Blickwinkel, die uns interessieren, besonders gut geeignet sind. Es vermag die Vergangenheit festzuhalten, ist verfeinert und zugleich futuristisch, fühlt sich aber im Gegensatz zu Glas weich und warm an. Uns gefällt auch, wie sich seine Farbe im Laufe der Zeit ändert. Und dass es zunächst flüssig ist und dann fest wird, ist ebenfalls interessant. Zudem ist es ein Material, das ganz natürlich mit dem ursprünglich vorhandenen Objekt verschmilzt, sodass sich unmöglich sagen lässt, wann das Endstück hergestellt wurde. Ein Beispiel dafür ist unser Stuhl Chaeum. Die gebrochene Armlehne wurde durch einen schienenartigen Teil aus Epoxidharz ersetzt. Hätten wir das ursprüngliche Holz verwendet, wäre es eine „Restaurierung“ gewesen, aber durch die warme, künstliche Epoxid-Armlehne haben wir eine neue, futuristische Optik geschaffen.

Kim Dong-kyu: Ich glaube, Epoxidharz hat etwas Koreanisches. Es hat etwas Mondänes, ohne provozierend zu wirken, harmoniert mit allem, was es umgibt, strahlt aber auch Kraft aus. Wir verwenden Epoxid seit fast zehn Jahren und es ist so überzeugend, dass wir noch nichts gefunden haben, was es ersetzen könnte.



Ihr erstes Raumprojekt scheint Fabrikr ins öffentliche Bewusstsein gerückt zu haben.
Kim Sung-jo: 2011 hat Gentle Monster uns kontaktiert und mitgeteilt, dass sie in Zusammenarbeit mit verschiedenen Künstlern Brillen herstellen. Zwei Jahre später haben sie uns dann damit beauftragt, für die Eröffnung ihres Flagship-Stores in Nonhyeon-dong im Hof eine Installation anzubringen. Zunächst hatten wir die Idee, nur ein Bootswrack vom Daecheon-Strand zu nutzen, aber nach weiteren Diskussionen haben wir das Konzept auf den gesamten Raum ausgeweitet. Wir dachten, es wäre interessanter, wenn das Boot nicht einfach Schauobjekt wäre, sondern als Eingang zum Ausstellungsraum fungieren würde, als Tür, die in eine völlig andere Welt führt. Der Gentle Monster-Store in Hongdae ist das Ergebnis intensiver Überlegungen, wie sich Markenbekanntheit durch den Raum steigern lässt. Wir haben eine ganze Reihe von Materialien, Stilen und Auslagemethoden eingesetzt, um das Store-Konzept ein ganzes Jahr lang alle fünfzehn Tage neu zu gestalten. Dadurch wurde Gentle Monster unter der jüngeren Generation sehr bekannt und bei einem Besuch des Ladens ging es nicht mehr nur um den Kauf von Brillen, sondern um ein kulturelles Erleben des Raums an sich.

Ihr nächstes Projekt, Café Onion, hat jetzt drei Filialen und alle werden heiß geliebt.
Kim Sung-jo: Das Gebäude der Filiale in Seongsu-dong stammt ursprünglich aus den 1970er Jahren und beherbergte zunächst eine Reparaturwerkstatt, dann einen Supermarkt und schließlich ein Hostel. Es gab daher je nach Verwendungszweck alle Arten von ungenehmigten Renovierungen und Erweiterungen, deren Spuren noch an Wänden und Böden zu sehen waren. Für uns waren es Designinspirationen. Das Seongsu-Café machte schnell von sich reden, sodass eine zweite Filiale eröffnet wurde. Der CEO von Onion wollte das Onion über ein einfaches Café hinaus zu einer Kulturmarke entwickeln, deshalb hat man die Filiale in Mia-dong absichtlich in einem Postgebäude untergebracht. Dahinter steht das Konzept eines „Platzes“, auf dem die Menschen zusammenkommen und kommunizieren. Für uns ist die Mia-Filiale von Onion so etwas wie ein Installationskunstwerk.



Die jüngst in Anguk-dong eröffnete Onion-Filiale demonstriert die Kraft des Hanok.
Kim Sung-jo: Koreas Café-Markt gilt als der drittgrößte der Welt. Die Branche ist so erfolgreich, dass ausländische Touristen Café-Touren in Korea unternehmen. In puncto Design gibt es ja einiges zu sehen. Nach dem Mia-Store wollte Onion ein Café schaffen, das die Stadt Seoul repräsentieren kann. Wir haben lange nach dem richtigen Platz gesucht und schließlich ein altes Hanok in Anguk-dong entdeckt. Wir haben so viele bautechnische Merkmale wie möglich bewahrt, z. B. die Maru-Holzdielen, Holzsäulen und Ziegeldächer.

Die Gründer des Designstudios Fabrikr, Kim Sung-jo (links) und Kim Dong-kyu, im von Fabrikr designten Café Onion in Seongsu-dong. Sie begannen mit Möbeln und expandierten dann zu Raumdesign.

Die Mia-Niederlassung von Café Onion, die eine in Vergessenheit geratene Ecke des Postamtes im Seouler Viertel Gangbuk wiederbelebt, spielt mit dem Konzept „öffentlicher Platz“. Der Akzent liegt dabei auf dem Nacktbeton. Es gibt nur wenige Tische. © hugefabio

An welchem Material oder Thema sind Sie derzeit besonders interessiert?
Kim Sung-jo: Als wir mit dem Café-Onion Projekt anfingen, haben wir das Licht neu und tiefer betrachten gelernt. Uns wurde bewusst, welch wichtige Rolle das Licht in einem der Ruhe und Entspannung dienenden Raum spielt. Daher interessieren wir uns zurzeit sehr für die Arbeiten des amerikanischen Installationskünstlers James Turrell, der das Licht und seine Wirkung erforscht.



Gibt es Bereiche, in die Sie noch vorstoßen möchten, oder Projekte, die Sie übernehmen möchten?
Kim Sung-jo: Das ist noch alles offen. Wir interessieren uns über Architektur hinaus dafür, ein ganzes „Gebiet“ zu schaffen, andererseits denken wir auch an Objekte, die kleiner als Möbel sind. Wenn man arbeitet, ohne über Schranken und Beschränkungen nachzudenken, kann man weiter und umfassender denken.



Was besitzt für Fabrikr den höchsten Wert?
Kim Dong-kyu: Es ist schwierig, das in einem einzigen Satz präzise zu formulieren. Das, was mir gerade in den Sinn kommt, sind „Menschen“ und „Zeit“.

Kim Sung-jo: Die Übernahme der künstlerischen Leitung für Onion hat uns bewusst gemacht, dass die Kollaboration mit einer Marke größere Projekte ermöglichen kann. Uns wurde klar, dass wir einen positiven Einfluss auf die Gesellschaft haben können. Es gibt immer noch zu wenige koreanische Marken, die sich im Kulturbereich einen Namen gemacht haben. Eine Marke, die die koreanische Kultur repräsentieren kann: Das ist das Ziel von Onion und Fabrikr. Und wir lernen viel, während wir unser Team aufbauen, große Träume träumen und unsere Kräfte sammeln.



Gibt es einen Raum oder ein Reiseziel, das Sie in letzter Zeit beeindruckt hat?
Kim Dong-kyu: Vor zwei Jahren, als wir Onions Anguk-Filiale aufbauten, haben wir viel Zeit damit verbracht, darüber nachzudenken, was genau etwas „koreanisch“ macht. Da stießen wir zufällig auf An einer Entasis-Säule von Muryangsu-jeon (Halle des Ewigen Lebens) gelehnt, ein Buch des Kunsthistorikers Choi Sun-u, und besuchten den Tempel Buseok-sa. Dort haben wir zum ersten Mal Anmut und Eleganz der koreanischen Architektur und Tradition nachempfunden. Die Art und Weise, wie die architektonischen Strukturen in der Natur angeordnet waren, und wie sie sich je nach Blickwinkel veränderten, war eindrucksvoll und bewegend.

Seit der Eröffnung 2016 ist Café Onion in Seongsu-dong – erbaut aus den Überresten einer stillgelegten Fabrik aus den 1970ern – eine der Hauptstationen entlang der verschiedenen Café-Pilgerrouten in Seoul. Die nackten Wände, die in dem zum Café umgestalteten Innenraum die Spuren der verflossenen Zeit konservieren, schaffen eine urbane Sensivität, die die Besucher zu rühren vermag.

Park Eun-young Chefredakteurin, Craft+Design
Fotos Heo Dong-wuk

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