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Tales of Two Koreas > 상세화면

2020 AUTUMN

Leben

geschichten aus zwei koreas Unterschiede zwischen der Musik des Nordens und der Musik des Südens

Eine Sammlung von Interviews mit acht älteren, in Japan lebenden Künstlern aus Nordkorea bietet wertvolle Einblicke in die derzeitige nordkoreanische Musik und die Genese ihrer distinktiven Merkmale.

Eine Szene aus Das Lied vom Kumgangsan, einer der fünf bedeutendsten nordkoreanischen Revolutionsopern. Das 1973 uraufgeführte Werk erzählt die Geschichte einer Familie, deren Mitglieder in der Kolonialzeit versprengt wurden und später unter der Regierung von Kim Il-sung wieder zusammenfanden. Das Foto aus dem Jahr 1974 zeigt eine Aufführung der Kumgangsan Operntruppe, das 1955 vom Pro-nordkoreanischen Dachverband der in Japan lebenden Koreaner gegründet wurde.

Die traditionelle Musik Nord- und Südkoreas hat dieselben Wurzeln, ist aber unterschiedliche Wege gegangen. In Nordkorea, wo auch die Musik strikt den Prinzipien der herrschenden Juche-Ideologie der Eigenständigkeit folgt, heißt die traditionelle Musik anders: Was im Süden „Gugak (Musik des Landes)“ genannt wird, ist im Norden „Minjok Eumak (Musik des Volkes)“. Auch in der Verwendung traditioneller Musikinstrumente gibt es Unterschiede: Während man im Süden um die Wahrung ihrer ursprünglichen Form bemüht ist, wandelt der Norden sie so ab, dass damit auch westliche Musik gespielt werden kann.

Der von Cheon Hyeon-sik, Kurator im National Gugak Center, und Kim Ji-eun, Forscherin auf dem Gebiet der nordkoreanischen Musik, gemeinsam verfasste Band Mündliche Berichte von im Ausland lebenden älteren koreanischen Künstlern – Japan, gibt einen Einblick in Entwicklung und aktuellen Stand der Musik des Nordens. Für das Buch wurden acht in Japan lebende, ältere pro-nordkoreanische Künstler interviewt. In der jetzigen Situation, in der Verkehr und Austausch zwischen den beiden Koreas eingestellt ist, bietet dieser Band wertvolles Material.

Die Interviewten sind: Kim Kyong-hwa, ehemaliger Dirigent der Kumgangsan Operntruppe, Ryu Jon-hyon, Opernsänger, Ri Chor-u, Komponist und Stellvertretender Direktor für den internationalen Austausch des Isang Yun Forschungsinstituts in Pjöngjang, Im Chu-ja, Choreografin und Tänzerin, Chong Sang-jin, Komponist, Chong Ho-wol, Sängerin und ehemalige Schauspielerin der Kumgangsan Operntruppe, Choe Jin-uk, Professor für Musikpädagogik an der Korea University Tokyo, und Hyun Gye-gwang, Tänzer. Alle wurden mit den in Nordkorea vergebenen Auszeichnungen für „Volkskünstler“, „Verdiente Künstler“, „Volksschauspieler“ oder „Verdiente Schauspieler“ geehrt und sind als oberste Autoritäten in ihren jeweiligen Bereichen anerkannt.

Eine Szene aus Das Lied vom Kumgangsan, einer der fünf bedeutendsten nordkoreanischen Revolutionsopern. Das 1973 uraufgeführte Werk erzählt die Geschichte einer Familie, deren Mitglieder in der Kolonialzeit versprengt wurden und später unter der Regierung von Kim Il-sung wieder zusammenfanden. Das Foto aus dem Jahr 1974 zeigt eine Aufführung der Kumgangsan Operntruppe, das 1955 vom Pro-nordkoreanischen Dachverband der in Japan lebenden Koreaner gegründet wurde.

Das Poster von Das Blumenmädchen, einer Revolutionsoper, die 2008 in China auf Tournee ging. An dieser Produktion nahmen neben rund 50 Verdienten Künstlern und Volkskünstlern auch Mitglieder der Pibada Operntruppe teil. © Yonhap News Agency

Unterschiedliche Ideologien, unterschiedliche Musik
Der Autor Cheon Hyeon-sik ist Kurator und spezialisiert auf nordkoreanische Musik. Er promovierte in Nordkorea-Studien an der University of North Korean Studies und verfasste Bücher wie Studie über die nordkoreanische Oper und Kunst und Politik (Mitautor) sowie zahlreiche Artikel einschließlich Musikpolitik der Moranbong Band. Die Mitautorin und Cellistin Kim Ji-eun studierte im Promotionsstudiengang der Konkuk Universität im Fachbereich „Geisteswissenschaften und Wiedervereinigung“ und arbeitet derzeit an ihrer Dissertation zum Thema „Kunsttheorie für nordkoreanische Musik“. 2007 war sie an der Planung einer Aufführung der in Japan aktiven Kumgangsan Operntruppe in Südkorea beteiligt und interessiert sich seitdem für die Musik Nordkoreas.

Die von den beiden Forschern kompilierten Berichte über die nordkoreanische Musik thematisieren viele interessante Aspekte.



Neuinterpretationen
„Laut Komponist Chong Sang-jin wird in Nordkorea unter dem Einfluss der russischen Musik hauptsächlich ‚Programmmusik‘, die sich v. a. auf melodische Motive konzentriert, komponiert. Und es wird seit jeher betont, dass die Melodie nicht ‚abgeschnitten‘ werden solle, sei es bei Symphonien oder kleineren Orchesterstücken. Die Themen-basierte Komposition westlichen Stils wurde in Nordkorea als Kompositionsweise betrachtet, die die Melodie ‚abschneidet‘, sodass viele Phrasen- bzw. Satzeinheiten entstehen. Aber heutzutage gebe es eine größere Vielfalt und daher auch neue Kompositionen, die etwas stärker als früher dem ‚Abschneiden‘ ähnelten,“ sagt Cheon.

Im Buch werden nicht nur Interviews vorgestellt, sondern auch die Unterschiede zwischen der nord- und südkoreanischen Musik eingehend erklärt. Zum besseren Verständnis der Unterschiede zwischen der nord- und südkoreanischen Musik führt Cheon z. B. die Opern aus Nord und Süd an, die auf der alten Volkserzählung Chunhyang-jeon (Die Geschichte der Chunhyang) beruhen. Die nordkoreanische Version des Stücks adaptiert die westliche Belcanto-Gesangstechnik des klaren, eleganten Klangs statt im heiser-rauen Namdo-Stil (Namdo: Südregion) des traditionellen epischen Sologesangs Pansori vorzutragen. Inhaltlich liegt der Akzent zudem auf dem Klassenkampf, während das südkoreanische Pendant sich an die Originalhandlung hält, die die Liebe zwischen Chunyang, der Tochter einer Gisaeng (professionelle, in Musik und Tanz geschulte Unterhalterin am Hof und in gehobener Gesellschaft), und dem Adelssprössling Mongryong thematisiert, die ein Happy End hat. Nordkoreas Volksoper, die mit Chunhyang-jeon ihren Anfang nahm, versteht sich als umfassende Bühnenkunst mit Schwerpunkt auf Liedern und Melodien. Der neue Zweig der Vokalmusik entstand in den 1960er Jahren im Rahmen der staatlichen Bemühungen, die traditionellen Musikinstrumente zu modernisieren. Das Genre setzte sich in den 1970ern in Form der Revolutionsoper fort.

„In Nordkorea ist Pansori nur noch als Forschungs- und Lehrgegenstand erhalten, aber nicht mehr als Volksmusik- Genre“, sagt Kurator Cheon. Pansori, das sich im Süden zu einem repräsentativen traditionellen Musikgenre von großer Beliebtheit entwickelt hat, wird in Nordkorea mit der Begründung, dass es von Gefühlswelt und Atmosphäre der herrschenden Oberschicht durchdrungen sei, abgelehnt. Das ist auch der Grund, warum das Pansori-Werk Chunhyang-ga in Nordkorea in eine Volksoper umgewandelt wurde.

Cheon Hyeon-sik (links) und Kim Ji-eun, Ko-Autoren von Mündliche Berichte von im Ausland lebenden älteren koreanischen Künstlern – Japan. Das Buch basiert auf Interviews mit acht prominenten, in Japan lebenden Musikern und Tänzern. © Ha Ji-kwon

Gesang
Im Norden hat sich die Vokalmusik in Bezug auf Gesangstechniken, Liedtexte und sogar musikalische Form dem Ziel der sozialistischen Revolution und dem Volksempfinden angepasst. Die Gesangstechniken lassen sich grob in zwei Arten unterteilen: „Minseong“ für traditionelle Volkslieder und „Yangseong“ für klassische westliche Musik. Minseong, auch als „Juche-Stil“ bezeichnet, bezieht sich auf den klaren, sanften Stil, dessen Wurzeln sich im traditionellen Gesang der Seodo (Westregion) finden. In der Volksoper Chunhyang-jeon tragen die Sänger vorwiegend im traditionellen Minseong-Stil vor, während in der Revolutionsoper Das Blumenmädchen die im westlichen Stil Singenden im Vordergrund stehen.

Nach der Sängerin und Schauspielerin Chong Ho-wol bevorzugen die Nordkoreaner traditionell hohe Stimmlagen und glauben, dass v. a. alte Volkslieder in einem dünnen, hohen Ton gesungen werden sollten. Mittlerweile können sie aber auch leise gesungenen Weisen etwas abgewinnen, da unter dem Einfluss globaler Trends immer mehr Mezzosopranistinnen auf die Bühne treten.

„Laut des Komponisten Chong Sang-jin hat jede der repräsentativen nordkoreanischen Opern ihre eigenen Merkmale“, sagt Kim Ji-eun. „So wirkt Meer aus Blut z. B. volkstümlich und heimatlich zugleich. Das Blumenmädchen präsentiert viele verfeinerte Melodien, aber Das Lied vom Kumgangsan hat einen etwas moderneren Touch.“ Diese Charakteristika spiegeln sich auch in der Orchesterbesetzung wider. Während Meer aus Blut ausschließlich für einheimische Instrumente komponiert wurde, waren im Blumenmädchen zunächst einheimische Instrumente in Kombination mit westlichen Blechblasinstrumenten zu hören, bei Auslandsaufführungen kamen später noch Geigen hinzu. Das Orchester für Das Lied vom Kumgangsan besteht aus westlichen Instrumenten, einzige Ausnahme sind traditionelle Bambus-Blasinstrumente.

Die Interviewten waren sich weitgehend einig darin, dass „die nationale Musik im Norden an Popularität eingebüßt hat, während sich die jungen Menschen immer stärker von der westlichen Musik angesprochen fühlen.“

Biographische Daten der Choreographin Lim Chu-ja. Nach der Gründung des Korea Dance Institute 1957 widmete sie sich der Nachwuchsausbildung und machte sich einen Namen als großer Star in der Tanzwelt der koreanischen Diaspora in Japan. Sie verschied 2019.

Der Komponist Chong Sang-jin erinnert sich an das Leben von Kim Pyong-hwa, des Dirigenten des Nationalen Sinfonieorchesters Nordkoreas. Das Foto rechts zeigt Kim und das Orchester bei einem Konzert im Tokyo Metropolitan Theatre.

Wind der Veränderung
Mittlerweile weht in der nordkoreanischen Musikszene der Wind der Veränderung. Die Interviewten waren sich weitgehend einig darin, dass „die nationale Musik im Norden an Popularität eingebüßt hat, während sich die jungen Menschen immer stärker von der westlichen Musik angesprochen fühlen.“ So erfreue sich das Samjiyon Orchester, das v. a. europäische Musik spielt und vor Beginn der Olympischen Winterspiele 2018 in Pyeongchang auch in Südkorea aufgetreten war, ebenfalls großer Beliebtheit, und die von Jang Ryong-sik dirigierten Konzerte zögen sogar ein noch größeres Publikum an.

Kim zitierte die Behauptungen der Künstler, dass sich die Musikszene des Nordens im Einklang mit den ausländischen Trends verändert und eine Vielzahl neuer Gesangstechniken eingeführt werden. „Chong Sang-jin sagte, dass die nordkoreanischen Musikhochschulen zurzeit hauptsächlich auf den Aufführungsstil der Moranbong Band fokussiert seien, der sich in drei Techniken unterteilen lässt: der Technik für Minseong, für Yangseong und dazu noch die für zeitgenössische populäre Musik.“

Einige Musikhochschulen im Norden hätten kürzlich Popmusik-Studiengänge eingerichtet. Die Pjöngjang-Universität für Musik und Tanz konzentriere sich u. a. auf die Talentausbildung, für die sie viele ausländische Musiker eingeladen habe, so Professor Choe Jin-uk. Einige Studenten der Universität hätten schließlich Preise bei internationalen Klavier- und Gesangswettbewerben gewonnen. Im Gegensatz dazu würde in der Staatlichen Volkskunsttruppe, einst ein führendes Ensemble der Darstellenden Künste im Norden, die Nachwuchsausbildung nicht gut laufen, da viele ihrer älteren, hochrangigen Mitglieder bereits verstorben seien. Funktionen und Tätigkeiten der Truppe seien laut Choe Jin-uk von der Pibada Operntruppe übernommen worden.

Der koreanischstämmige deutsche Komponist Isang Yun (auch: Yun I-sang, 1917-1995), der 1967 vom südkoreanischen Geheimdienst der Spionage für den Norden angeklagt wurde, wird bis heute nicht gebührend gewürdigt, während er in Nordkorea nach wie vor hohes Ansehen genießt. Das Isang Yun Forschungsinstitut in Pjöngjang und das Isang-Yun-Ensemble sind immer noch aktiv. Cheon zitierte die Interviewten: „In Pjöngjang gibt es viele, die verrückt nach Yuns Musik sind.“ Nordkoreanische Musikuniversitäten unterhalten u. a. Abteilungen für traditionelle Musik, westliche Musik und Komposition. Yuns Musik wird zudem in den Musiktheorie-Abteilungen gelehrt.

Auch Elemente des Jazz und der Rockmusik dringen zunehmend in die nordkoreanische Musik ein. Staatsgründer Kim Il-sung, der unterstellte, dass „westliche Popsänger Drogen nehmen und ein liederliches Leben führen“, verbot einst diese Genres. Die anarchistischen Ideen einiger Jazzkünstler dürften ein weiterer Grund dafür gewesen sein. Chong Sang-jin stimmte Kim Ji-euns Ansicht zum großen Teil zu, dass heutzutage Swing- und Beat-Rhythmen in die nordkoreanische Musik eingeflossen sein dürften.

Derzeit sind unter den Nordkoreanern die Mitglieder der Moranbong Band – im Süden als „nordkoreanische Girlgroup“ bekannt – am beliebtesten. Die Band wurde 2012 zusammengestellt, kurz nach der Machtübernahme von Kim Jong-un. Hyon Song-wol, die Musikdirektorin der Truppe, zog während des Besuchs der Moranbong Band anlässlich der Olympischen Winterspiele 2018 in Pyeongchang das Interesse der südkoreanischen Öffentlichkeit auf sich. Die meisten Bandmitglieder sind Absolventen der Pjöngjang-Universität für Musik und Tanz oder der Geumseong Schule, der Alma Mater von Nordkoreas First Lady Ri Sol-ju. Das führte zu der Spekulation, dass sie diejenige war, die die Band ins Leben rief. Sowohl die Moranbong Band als auch das Verdiente Staatliche Chorensemble gelten als Ikonen der Ära Kim Jong-un. Der Stil ihrer Aufführungen übt starken Einfluss auf andere Organisationen der Darstellenden Künste aus. Ebenso populär ist die 2015 auf Kims Anweisung ins Leben gerufene Chongbong Band, eine auf Unterhaltungsmusik spezialisierte Blechblasinstrumenten-Truppe.



Musikpolitik
„In Sachen Modernisierung traditioneller Musikinstrumente und Experimentieren mit Fusionmusik hat Nordkorea im Vergleich zum Süden die Nase vorn“, sagt Cheon Hyeon-sik.

Die nordkoreanischen Projekte für die Modernisierung von Musikinstrumenten machten aus der 12-saitigen Zither Gayageum ein Instrument mit 19 oder 21 Saiten. Sie änderten auch die Tonleitern der traditionellen koreanischen Musik von pentatonischen (fünf Töne) zu heptatonischen Skalen (sieben Töne). Einige von Nordkorea modernisierte Instrumente wurden von südkoreanischen Musikern akzeptiert, so z. B. die Ongnyugeum, eine Zither mit 33 Metallsaiten, das Jangsaenap, ein der Oboe ähnliches, längeres Holzblasinstrument mit kurzem Doppelrohrblatt, und das Daepiri, ein klarinettenartiges Holzblasinstrument.

Die beiden Autoren betonten, dass „es unmöglich ist, Musik im Norden getrennt von der Politik zu diskutieren“ und dass „Musik dort einen größeren Einfluss hat als jedes andere Kunstgenre“. Dahinter steht die Anweisung des verstorbenen Staatsführers Kim Jong-il: „Musik muss der Politik dienen. Musik ohne Politik ist wie eine Blume ohne Duft, und Politik ohne Musik ist wie Politik ohne Herz.“ In Nordkorea ist Musik untrennbar verbunden mit Politik, während die südkoreanische Musik auf Vergnügen und Geschmack des Individuums abzielt. Das ist der Hauptgrund, weshalb die Musik im Norden ein anderes Gesicht hat als die im Süden. 

Kim Hak-soon Journalist; Visiting Professor, School of Media and Communication, Korea University

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