Laut des von der Korea Fair Trade Mediation Agency veröffentlichten Überblicksbericht: Franchise-Ketten nach Branchen 2016 belegten die Chicken Restaurants mit einer Gesamtzahl von 24.678 landesweit Platz 2 hinter den 30.846 24-Stunden-Läden. An dritter Stelle stehen die 19.313 Restaurants, die koreanische Gerichte servieren. Viele, die sich selbstständig machen wollen, entscheiden sich für ein Chicken Restaurant, weil es keine speziellen Fertigkeiten erfordert. Zwar kommen sie in diesem „Roten-Ozean-Business“ ohne besondere Fähigkeiten aus, dafür benötigen sie aber „besondere Prinzipien“.
Jeong Cheol-sun und seine Frau, die im Seochon-Viertel in der Seouler Innenstadt ein Chicken Franchise Restaurant betreiben, verlieren trotz ihres harten Arbeitsalltags nie ihr Lächeln.
Wenn der Arbeitsalltag allzu hart wird, träumen viele davon, die Kündigung einzureichen. Sie stellen sich alle möglichen Formen unabhängiger Geschäftsbetriebe vor und glauben, dass sie alles, was sie sich vornehmen, auch schaffen können, sobald ihnen der Chef nicht länger im Nacken sitzt. Dazu kommt die Vorfreude, sein Leben völlig umzukrempeln und deshalb von allen Freunden beneidet zu werden, nicht zu vergessen der quälende Gedanke „bevor es zu spät ist!“
Aber der Weg in die Selbstständigkeit ist nicht leicht. Dafür muss man erst einmal große Zweifel und Ängste überwinden. Der trotz alledem hohe Selbstständigen-Anteil in Korea spiegelt die Tatsache wider, dass viele mit ihrem Arbeitsalltag nicht glücklich sind und für diejenigen, die früh in den Ruhestand gehen, aber noch arbeiten wollen, kaum geeignete Jobs zur Verfügung stehen.
Aber die Selbstständigkeit garantiert nicht automatisch Erfolg, da der Inlandsmarkt derzeit wegen schwachen Wachstums und Konjunkturflaute stagniert. Jeong Cheol-sun, der im Seouler Innenstadtviertel Seochon ein Chicken Franchise Restaurant betreibt, gehört zu denjenigen, die den Sprung in die Selbstständigkeit vergleichsweise erfolgreich geschafft haben.
Jeong ist eine Frohnatur. Bei ihm zu Hause hängt das gerahmte Familienmotto „Tu dein Bestes, wo immer du auch bist“ an der Wand. Er ist Jahrgang 1960 und betreibt sein Chicken Restaurant jetzt schon seit 20 Jahren. Die Erfahrungen und Ideen, die er in dieser Zeit gesammelt hat, haben sogar Eingang in die Firmenpolitik des Franchise-Unternehmens gefunden.
„In meiner Eigenschaft als Mitglied des Betriebsbeirats gehe ich oft in die Zentrale, wo ich mit Firmeninhaber, Präsident und Vorstandsmitgliedern am Konferenztisch sitze. Es werden sogar Umfragen gemacht, anhand derer dort dann die Richtlinien für die einzelnen Franchise-Läden ausgearbeitet werden. Ich war von Anfang an aktiv an allem beteiligt und wurde auch mehrmals mit Preisen ausgezeichnet“, sagt Jeong.
Für eine Veranstaltung, die vor kurzem im International Convention Center Jeju stattfand, buchte das Unternehmen zehn Flugzeuge, um alle Teilnehmer auf die Jeju-Insel zu bringen. Jeong gewann auf dieser Veranstaltung den wichtigsten Preis. Seine ganze Familie war ebenfalls eingeladen und stand bei der Preisverleihung mit ihm zusammen auf der Bühne. Das Ehepaar Jeong ist so bekannt im Franchise-Geschäft, dass es sogar gelegentlich in den Werbespots des Unternehmens zu sehen ist. Vielleicht haben die beiden so strahlende Gesichter, weil sie regelmäßig Sport treiben, gern lachen, sich aktiv an lokalen Aktivitäten beteiligen, also insgesamt positiv denken. Da die beiden ihre Tage fast immer gemeinsam verbringen, sieht ihr strahlendes Lächeln jetzt wie mit Durchschreibepapier kopiert aus.
Geheimnis des guten Geschmacks
Jeong Cheol-sun, der über zehn Jahre bei einer Firma in Seoul arbeitete, erkannte eines Tages, dass er als Büroangestellter keine wirklichen Berufsaussichten mehr hatte. Gerade als er sich bemühte, sein Leben neu auszurichten, starb plötzlich sein noch junger Schwager, der als Beamter in Gongju, einer Stadt in der Provinz Chungcheongnam-do, gearbeitet hatte. Seine verwitwete Schwester zog nach Seoul und eröffnete mit ihm zusammen ein auf Galbi (gegrillte Rinderrippen) spezialisiertes Restaurant. Da jedoch beide keinerlei Erfahrung im Geschäftsbetrieb hatten, mussten sie bereits nach drei Monaten wieder schließen. So hatte Jeong schon früh den bitteren Kelch der Niederlage im Gastronomiewesen leeren müssen.
Wegen dieser schmerzhaften Erfahrung beschloss Jeong, ein Franchise Restaurant zu eröffnen. Mit Unterstützung der Zentrale als Sicherheitsnetz würde das Geschäft einfacher zu betreiben sein, so seine Überlegung. Also entschloss er sich, die Videothek, die seine Frau sieben Jahre lang betrieben hatte, in ein Chicken Restaurant umzuwandeln. Das war aber keine leichte Entscheidung.
„Ich habe lange gezögert, weil es direkt nebenan bereits eine Grillhühnchen-Stube gab. Die würde dann ja gleich Konkurrenz bekommen“, meinte Jeong. „Ich habe mich dann aber trotzdem dazu entschlossen, da ich dachte, dass panierte Brathühnchen und Grillhühnchen doch schon unterschiedlich sind. Heutzutage unterscheidet man da nicht mehr so streng, aber damals war das noch ganz anders. Jedenfalls kommen wir bis heute noch als Nachbarn gut miteinander aus.“
Bei Jeong gibt es neben Chicken auch Pizza sowie verschiedene Beilagen wie fritierte Käsestangen und Fassbier. Doch Chicken macht immer noch 80~90% des gesamten Umsatzes aus. Die ganzen Jahre über hat Jeong sein Restaurant auf die gleiche Weise betrieben und einer der Kommentare, die er oft von seinen Kunden zu hören bekommt, lautet: „Obwohl es dieselbe Franchisemarke ist, schmeckt das Hühnchen in den anderen Läden nicht so gut wie hier.“ Das versteht er als Kompliment.
Aber natürlich kommen solche Komplimente nicht von ungefähr. Der landläufigen Annahme zufolge „schmeckenalle Franchise-Gerichte gleich“. Das spezielle Händchen, das seine Frau fürs Kochen hat, hat eine große Rolle dabei gespielt, ihren Hühnchen einen distinktiven Geschmack zu verleihen. Darüber hinaus gilt es, für stets optimalen Geschmack ein Prinzip einzuhalten: Nämlich das Öl um 2℃ stärker zu erhitzen als in der von der Zentrale herausgegebenen Anleitung angegeben. Das erhöhe die spezifische Knusprigkeit des Hühnchens.
„Jeder bekommt die gleiche Anleitung von der Zentrale, aber es gibt natürlich kleine Geschmacksunterschiede vonLaden zu Laden. Gibt man einer Gruppe von Hausfrauen die gleichen Zutaten für die Zubereitung von Kimchi, wird der Geschmack der Beilage trotzdem nicht völlig identisch sein“, sagt Jeong. „In unserem Fall entscheidet die Frische des Öls über den Geschmack des fritierten Hühnchens. Das von uns verwendete Olivenöl ist viermal teurer als normales Speiseöl. Aber wenn man es nicht oft genug wechselt, macht sich das beim Geschmack bemerkbar. Mein Sohn wurde um die Zeit, als wir den Laden hier eröffneten, geboren, und steht jetzt kurz vor dem Oberschulabschluss. Ich verwende immer so frisches Öl, dass ich mein Sohn unsere Hühnchen bedenkenlos und mit Appetit essen kann.“
Dieses Extra an Fürsorglichkeit, das Gericht so sorgsam zuzubereiten, dass es auch für das eigene Kind gut genug ist, scheint das Geheimnis des besonderen Geschmacks zu sein. Aber das ist noch nicht alles.
„In der Zentrale werden unterschiedliche Forschungen durchgeführt, um den Franchise-Geschäften die besten Rezepte zu liefern, aber bei Hochbetrieb kann es leicht passieren, dass man sich nicht daran hält. Die Soße muss einzeln auf jedes fritierte Hühnchenstück gestrichen werden. Versucht man, Zeit zu sparen, indem man die Soße einfach darüber gießt und alles vermischt, leidet der Geschmack. Daher versuchen wir uns immer an die Richtlinien zu halten, egal wie beschäftigt wir sind. Das ist das Geheimnis, warum unsere Hühnchen immer gut schmecken“, sagt er.
Dieses Extra an Fürsorglichkeit, das Essen so sorgsam zuzubereiten, dass es auch für das eigene Kind gut genug ist, scheint das Geheimnis des besonderen Geschmacks zu sein.
Zutatenlieferungen annehmen, Saubermachen, Kochen und Bedienen: Da bleibt Jeong und seiner Frau kaum eine ruhige Minute. Abgesehen von wenigen Tagen im Jahr arbeiten sie so gut wie ununterbrochen.
Geheimrezept zum Glücklichsein: Zufriedenheit ohne Gier
Sie glauben, dass die Verwendung von Qualitätsöl zusammen mit ihren Bemühungen, die Chicken so sorgsam wie für die eigenen Kinder zuzubereiten, das Geheimnis von Geschmack und Erfolg sind.
Das Seouler Stadtviertel Seochon, in dem Jeongs Restaurant liegt, war einst eine ruhige Gegend in Königspalastnähe. Doch seitdem es vor einiger Zeit als kutureller Hotspot in den Medienradar geriet, sind die Straßen immer voller Menschen. Aber Jeongs Restaurant ist noch nicht von dieser Welle des Wandels überrollt worden. Da er über die Jahre tagaus tagein fleißig gearbeitet hat, hat sich seine finanzielle Lage stabilisiert, sodass seine fünfköpfige Familie das zweistöckige Haus, in dem sie zur Miete gewohnt hatten, kaufen konnte. „Was sollten wir denn sonst noch brauchen?“, meint Jeong.
Das Seochon-Viertel hat allerdings unter der häufigen Großdemonstrationen auf dem in der Nähe gelegenen Gwanghwamun-Platz zu leiden. Errichtet die Bereitschaftspolizei Busbarrikaden, um die Demonstranten zu blockieren, kommen die Liefermopeds nicht vorbei und Jeong kann kaum Bestellungen annehmen. Das ist aber nicht der einzige Grund, warum er hofft, dass die politischen und sozialen Konflikte gelöst werden und wieder Stabilität in der koreanischen Gesellschaft einkehrt.
Die Koreaner lieben Fried Chicken so sehr, dass man den Eindruck hat, jeder zweite Laden sei ein Chicken-Laden. „Das liegt an den vernünftigen Preisen“, meint Jeong. Nicht zu vergessen die großen Portionen, die mundfertig zerteilten Stücke und die besondere Knusprigkeit der fritierten Hühnchen.
Für jemandem wie Jeong, der ein eigenes Geschäft betreibt, anderen bei der Geschäftsgründung hilft und dazu noch als Mentor für bestehende Franchise-Läden fungiert, gibt es einen Punkt, der ständig Kopfzerbrechen bereitet: die Auslieferung. Jeong, der selbst oft Lieferungen erledigt, sagt:
„Heutzutage übergeben die meisten Filialen die Lieferung an spezialisierte Lieferdienstleister für etwa 3.000 Won (rd. 2,30 Euro) pro Bestellung. Das ist ehrlich gesagt billiger, als jemanden fürs Ausliefern einzustellen. Allerdings ist das Problem dabei, dass die Stabilität der organisatorischen Betriebsabläufe beeinträchtigt wird.“
Seitdem er selbstständig ist, geht es mit seiner Gesundheit langsam bergab. Nach dem Öffnen um 11.00 Uhr sind Jeong und seine Frau den ganzen Tag mit Putzen, Vorbereiten der Zutaten, Kochen, Servieren, Entgegennehmen von Lieferbestellungen und Ausliefern beschäftigt. Besonders von 17.00 bis 21.00 Uhr, wenn die meisten Bestellungen hereinkommen, sind die beiden ständig auf den Beinen. Es ist so viel zu tun, dass sie meist erst um 1 Uhr morgens Feierabend machen können. Auch haben sie kaum freie Tage, sodass die Erschöpfung unheimlich groß ist. Aber Jeong ist zufrieden mit den Dingen, so wie sie sind, und hat keine hochfliegenden Wünsche.
„Unsere Restaurant ist kein berühmtes Restaurant, vor dem die Kunden Schlange stehen. Wir haben nur in Bezug auf den Geschmack einen vergleichsweise besseren Ruf als andere Restaurants in der Franchise-Kette. Das genügt mir schon“, sagt er.
So ist es. Jeong Cheol-sun weiß genau, auf welchem Level sein Geschäft steht und mit welchem Grad an Erfolg er sichzufrieden geben sollte. Das scheint auch der Grund dafür zu sein, warum er stets lächeln kann.