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2020 SUMMER

Verbindung mit dem Unsichtbaren

Die Ausstellung Korean Video Art from 1970s to 1990s: Time Image Apparatus, veranstaltet vom Nationalmuseum für Moderne und Zeitgenössische Kunst in Gwacheon, bot eine bedeutende Retrospektive auf die Geschichte der koreanischen Videokunst von den 1970er bis in die 1990er Jahre. Bedauerlicherweise durfte die für den Zeitraum vom 28. November 2019 bis 31. Mai 2020 anberaumte Ausstellung aufgrund der Covid-19-Pandemie für längere Zeit nicht besucht werden.

Die koreanische Videokunst entwickelte sich zeitgleich mit ihrem westlichen Pendant, aber abgesehen von den Werken des weltberühmten Künstlers Nam June Paik (1932-2006) ist das Genre als solches der breiten Öffentlichkeit nur wenig bekannt.

Korean Video Art from 1970s to 1990s präsentierte über 130 Werke von rund 60 Künstlern von den Anfängen bis zur 1990 einsetzenden Blütezeit dieser Kunstgattung. Den Besuchern bot die Ausstellung eine seltene Gelegenheit zu verstehen, wie sich die Videokunst in Korea etablierte, wobei die frühen Werke der heute international renommierten Künstler ein besonderer Blickfang waren.

Untitled von Park Hyun-ki. 1979. 14 Steine, 1 TV-Bildschirm. 260 × 120 × 260 cm (WDH).
Nationalmuseum für Moderne und Zeitgenössische Kunst.

TV Buddha von Nam June Paik. 1974/2002. Buddha-Skulptur, CRT TV, interne Kamera, Farbe, stumm.
Variable Größe. Nam June Paik Art Center.

Experimentelle Kunst

Die 1970er waren Jahre, in denen sich die verschiedenen experimentellen und avantgardistischen Bewegungen der zeitgenössischen koreanischen Kunst besonders stark entwickelten. Zu einer Zeit, als ganze Serien experimenteller Arbeiten in Form von Happenings, Installationen, Fotos und Videos entstanden, versuchten sich einige wenige Künstler erstmals an der Videokunst. Nicht ohne Ironie ist dabei, dass die harte Realität der Militärdiktatur als Nährboden der Avantgardebewegung diente.

Die meisten Künstler von damals nahmen das Video weniger als Ausdrucksmittel einer neuen, unabhängigen Bildästhetik auf, sondern eher als ein Medium zur Ausübung der Avantgarde- oder Konzeptkunst. Repräsentativ hierfür sind u.a. Kim Ku-lim (geb. 1936), Lee Kang-so (geb. 1943) und Park Hyun-ki (1942-2000). Sie begannen, mit dem neuen Medium ihre Überlegungen bzgl. Zeitlichkeit, Prozess und Handlung, Wahrnehmung und Existenz sowie Konzept und Sprache zu visualisieren. Wiping Cloth (1974/2001), eins der frühen Werke von Kim Ku-lim, einem der Wegbereiter der experimentellen Kunst in Korea, komprimiert beispielsweise den Prozess des Abwischens eines Schreibtisches mit einem Tuch, das mit jeder Wischbewegung schmutziger wird, bis es am Ende völlig schwarz gefärbt in Stücke zerfällt.

Als Pionier der Videokunst im eigentlichen Sinne ist nicht zuletzt Park Hyun-ki zu nennen, der bereits seit 1973 in dieser Kunstrichtung aktiv ist. Seine Reihe Untitled (1979-1982), auch bekannt als TV Stone Tower, erforscht die Thematiken „Natur und Technologie“, „Realität und Fantasie“ sowie „Original und Repräsentation“, indem er für seine Exponate echte Steine und deren visuelle Repräsentationen kombiniert. Es heißt, Park sei tief beeindruckt gewesen, als er während des Koreakriegs sah, wie Menschen auf der Flucht Steinchen sammelten, zu kleinen Türmchen aufstapelten und vor ihnen beteten. Für ihn war ein Stein sowohl ein materielles als auch ein kulturanthropologisches Objekt, auf das Wünsche projiziert wurden, und seine Kunst wirft einen kleinen Blick auf die Bedeutung von Steinen im koreanischem Schamanismus. Die Besucher konnten die Wiedergeburt des Okkultistischen und Schamanistischen in den der traditionellen koreanischen Kunst inhärenten Images durch Hochtechnologie erleben.

Künstlerische Zweckentfremdung

Good Morning Mr. Orwell (1984) ist ein Videokunstwerk, zusammengestellt aus Ausschnitten von Paik Nam Junes gleichnamiger TV-Show, die am 1. Januar 1984 weltweit live übertragen wurde und ausschlaggebend für die weite Verbreitung der Videokunst in Korea war. Paik wurde früh auf die besonderen ästhetischen Eigenschaften der selbstleuchtenden, in Fernsehapparaten verwendeten Braunschen Röhre aufmerksam, die sich von den lediglich aus Schatten bestehenden Fotos und Filmen unterschied. Als junger Mann hatte er Musik studiert und war in Japan und Deutschland als experimenteller Gegenwartsmusiker aktiv. In den frühen 1960er Jahren präsentierte er Arbeiten, in denen er durch beliebige Manipulation des Fernsehgeräts die eindirektionale Übertragung der Informationen im kommerziellen TV veränderte. Nach 1965 begann er, die neue Videotechnologie in seinen Werken anzuwenden, was in der Medienkunst eine gewaltige neue Welle lostrat.

Paik hatte die künstlerischen Möglichkeiten des Fernsehapparates entdeckt und verstand es, durch Transformation von Apparatus und Bildern das Medium gekonnt zweckzuentfremden. Einige meinen, seine Vorstellungskraft „leite sich von der flexibeln und übergreifenden Denkweise der Koreaner ab, die sich nicht von den gegebenen Funktionen oder Stereotypen eines Objektes einschränken lassen, sondern alles multifunktional interpretiert und verwendet haben“. Allerdings war das auch eines der Hauptmerkmale der zeitgenössischen Kunst im 20. Jahrhundert, was z.B. an Marcel Duchamps (1887-1968) Fountain (1917), einem zum Springbrunnen umfunktionierten Urinal, zu erkennen ist.

Anhand des starren Mediums Fernsehapparat machte Paik nicht nur plastische Formexperimente, sondern auch philosophisches Denken möglich und hauchte dem Objekt zudem noch Leben ein. Obwohl nicht Teil dieser Ausstellung, ist TV Buddha (1974) repräsentativ für Paiks meditative und ritualistische Frühwerke. Auf einem langen Sockel steht ein Fernsehgerät, gegenüber sitzt eine bronzene Buddhastatue. Eine Kamera hinter dem TV nimmt die Statue frontal auf und wirft das Antlitz auf den Monitor, während der Buddha still sein Abbild betrachtet. Diese Installation zog wegen der Verbindung östlicher Religion und westlicher Technologie die Aufmerksamkeit auf sich. Das Ziel der Meditation ist die Erreichung einer Zeit und Raum überschreitenden absoluten Leere, aber das Bild auf dem Monitor spiegelt den Körper Buddhas wider, den er nicht abzustreifen vermag. Der künstlerische Beitrag Paiks lag gerade in der Kombination östlicher Philosophie bzw. traditionellen koreanischen Denkens mit avantgardistischem westlichem Geist und deren Verkörperung in der Sprache der zeitgenössischen Kunst.

Himmel, Erde & Mensch von Oh Kyung-wha. 1990. 16 TVs, Video- und Computergraphiken, Farbe mit Ton, 27 Minuten und 4 Sekunden. Artist’s Collection.

Videoskulpturen

In den späten 1980er Jahren kam die Videoskulptur als neue Kunstform auf. Geboren aus dem wachsenden Interesse an Verlassen der Zweidimensionalität, Post-Genre, Mixed Media und Technologie bestanden Videoskulpturen anfangs hauptsächlich aus mehreren aufeinander gestapelten oder versetzt übereinander angebrachten Fernsehapparaten. Ab Mitte der 1990er Jahre erschienen kinetische Videoskulpturen, die physische Bewegungen mit Bewegtbildern kombinierten. Die Werke von Kim Hae-min (geb. 1957) und Yook Tae-jin (1961-2008) stehen dabei im selben Kontext wie die von Park Hyun-ki und Nam June Paik, da sie sich ebenfalls mit ideologischen und existenziellen Themen befassen.

Kim Hae-min ist ein Künstler, der mittels seines Scharfblicks in Bezug auf das Medium die feinen Grenzen zwischen Virtuellem und Realem, Vergangenheit und Gegenwart, Existenz und Nicht-Existenz zum Ausdruck bringt. Sein repräsentatives Frühwerk TV Hammer (1992/2002) bietet die einzigartige Erfahrung des Überschreitens der Grenzen zwischen Realität und Virtualität: Mit jedem Schlag des auf dem TV-Monitor zu sehenden Hammers ist ein Knall zu hören und das Gerät wackelt. Yook wiederum erschloss durch die Kombination von Objekten wie z. B. antiken Möbeln und sich wiederholenden Handlungen einen originären Bereich der Videoskulptur: In Ghost Furniture (1995) öffnen und schließen sich zwei Schubladen anhand eines eingebauten Motors automatisch, während in den Schubladen installierte Videobilder einen Mann zeigen, der mit dem Rücken zum Betrachter eine unendliche Treppenflucht hochsteigt. Er erinnert an Menschen, die wie Sisyphos immer neue Höhen zu erklimmen versuchen, aber deren Los es ist, in der Absurdität des Seins eingeschlossen zu bleiben.

Schamanistische Kunst
Schamanistische Kunst

Künstler sind Alchemisten. Durch Zurechtformen und Verbinden von Allerweltsmaterialien schaffen sie Neues. Künstler sind auch Schamanen, die die Seele von Materialien zu lesen verstehen. Dabei transformieren sie Steine und Bäume in Menschen oder erwecken tote, unscheinbare Materie zum Leben, indem sie ihr eine Seele einhauchen. Möglich ist dies, weil sie nicht menschenzentriert denken, sondern alle Dinge der Schöpfung als gleich betrachten. Der Schamanismus wurzelt in der animistischen Vorstellung, dass alle Materie im All lebendig ist und Gott die Kraft ist, die sie zum Leben erweckt. Schamanismus und Animismus kennen keine dichotomen Aufspaltungen und Grenzen wie Leben und Tod, Licht und Dunkelheit. Der Schamanismus ermöglicht Kommunikation mit dem Reich der Toten und Reisen dorthin. Wie beim Schamanismus, so finden sich auch die Anfänge der Kunst in dem Bestreben, mit dem Tod zu kommunizieren, die unsichtbare Welt sichtbar zu machen oder das Unerreichbare erreichbar. Kunst ermöglicht ein Entkommen aus der vom Sichtbaren dominierten Welt.

Hochinteressant ist, dass die dem koreanischen Schamanismus inhärente Kommunikation mit dem Übernatürlichen und Ekstase mit dem High-Tech Medium Video kombiniert wird. Das ist wohl eine der attraktivsten Seiten der koreanischen Videokunst. Diese Ausstellung hat noch einmal daran erinnert. 

Park Young-taekKunstkritiker, Professor für Westliche Malerei und Kunstmanagement an der Kyonggi University

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