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2019 WINTER

Tragik der Geschichte, eingehüllt in Herzenswärme

Die Oper 1945 wurde dieses Jahr von der Koreanischen Nationaloper auf die Bühne gebracht, um an den 100. Jahrestag der Unabhängigkeitsbewegung vom 1. März 1919 und die anschließende Gründung der provisorischen Regierung Koreas in Shanghai zu gedenken. Vor dem Hintergrund der derzeitig wieder angespannten Beziehungen zwischen Korea und Japan kommt dem Werk eine besondere Bedeutung zu.

Die Oper 1945, die von der Koreanischen Nationaloper von Ende September bis Anfang Oktober 2019 aufgeführt wurde, spielt in düstersten Zeiten, aber die vom Produzenten eingestreuten humoristischen und satirischen Einlagen vermittelten dem Publikum ein Gefühl der Wärme. In dieser direkt nach dem Zweiten Weltkrieg angesiedelten Szene bereiten die Frauen in einem Übergangslager für Flüchtlinge in der Mandschurei Reiskuchen zu. © Korea National Opera

Sensation der diesjährigen Oper-Herbstsaison war 1945. Dieses von der Koreanischen Nationaloper von Ende September bis Anfang Oktober 2019 im Seoul Arts Center und im Daegu Opera House uraufgeführte Werk, das auf dem gleichnamigen, vom Koreanischen Nationaltheater aufgeführten Theaterstück beruht, bestach durch seine superbe Qualität.

Die Produktion wurde auf Vorschlag des Komponisten Choe Uzong, der vom Originaldrehbuch des Autors Pai Sam-shik zutiefst beeindruckt war, auf den Weg gebracht. Die Handlung spielt in der Mandschurei im Jahr 1945, direkt nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und der Befreiung Koreas von der japanischen Kolonialherrschaft. Anhand von Episoden in einer Notunterkunft, in der vom Krieg in Mitleidenschaft gezogene Koreaner auf dem Weg zurück in die befreite Heimat vorübergehend untergebracht sind, wird das Leben der damaligen Zeit detailliert und lebendig wiedergegeben.

Protagonistinnen sind die Koreanerin Buni und die Japanerin Mizuko, die vom japanischen Militär sexuell versklavt wurden. Nach der Befreiung Koreas schlägt Buni Mizuko vor, dass jede ihre eigenen Wege gehen sollte. Doch fällt es ihr schwer, die schwangere Mizuko im Stich zu lassen, sodass sie sie als ihre stumme Schwester ausgibt und nach Korea mitnehmen will. Die Handlung bringt das Publikum dazu, über die nationalistisch geprägte Schwarz-Weiß-Sicht der koreanisch-japanischen Beziehungen hinaus über Toleranz und Großmut nachzudenken.

Dass die Zuschauer tief von der Oper ergriffen waren, lag nicht nur an der thematischen Fokussierung auf der menschlichen Natur und der Tragik des Lebens, sondern auch daran, dass Autor Pai selbst das Libretto schrieb, wodurch die Handlung an Plastizität gewann. Die dramatische Spannung wurde zudem dadurch erhöht, dass der Komponist eine Reihe von in der damaligen Zeit beliebten Musikstücken unterschiedlichen Hintergrunds und Stils auf exquisite Weise einstreute. Zudem ließ der für seine geistreiche Interpretation und sein hervorragendes Auge für Bühnengestaltung bekannte Regisseur Koh Sun-woong sogar in die traurigsten Szenen geistreichen Humor einfließen, sodass das Werk sich nicht in Melodramatik verlor, sondern vielmehr Empathie hervorrief. Dazu bot Dirigent Chung Chi-yong, der für seine feinfühlige, aber kraftvolle Orchestrierung bekannt ist, eine erstklassige musikalische Vorführung.

Die Musik dient der Sprache

Von links: Komponist Choe Uzong, Dirigent Chung Chi-yong, Regisseur Koh Sun-woong und Drehbuchautor Pai Sam-shik. Die Oper 1945 sorgte in der Herbstsaison 2019 für die größte Furore in Koreas Szene der Darstellenden Künste, da sie gekonnt ein gut ausgearbeitetes Skript, schöne Musik, eine erstklassige Aufführung und eine überragende Produktion verband.

Mit Sicherheit waren es aber die Rezitativtexte, die die größte Aufmerksamkeit auf sich zogen. Die Rezitative, bei denen der Fokus stärker auf dem Text als auf der Melodie liegt, erinnerte an Opernwerke des 20. Jhs wie Wozzeck oder Lulu des österreichischen Komponisten Alban Berg. Untertitel verhalfen zudem zu einem vertiefteren inhaltlichen Verständnis.

Choe erklärte, dass er sich beim Komponieren immer wieder fragte: „Welche Lieder wurden damals wohl wie gesungen und wie wurden sie bekannt?“ Für ihn waren die 1930er und 40er Jahre, die historisch gesehen Zeiten des Leidens waren, eine „musikalische Schatzkammer“. Die Oper bot schließlich eine bunte Mischung unterschiedlichster Stile, die von dem Kinderlied Mama, Schwester und dem in den 30ern beliebten Trott-Lied Der pfeifende Zug in die Mandschurei über Jazz-Musik bis hin zu den damals weit verbreiteten Changga (koreanischer Gedichttext vertont mit westlicher Melodie) und Militärliedern reichte.

Aber das Werk ist kein zusammengestückeltes Pasticcio. Choe hörte sich die ausgewählten Musikstücke auf einem Grammofon wiederholt an und bearbeitete sie für die Oper. Dabei sah er von einem theoretischen Ansatz auf Grundlage von Tonleitern, Tonsystemen und Formen ab und versuchte statt dessen sich zunächst mit den Liedern vertraut zu machen, um die bekannten Melodien in einem neuen Kontext frisch und neu klingen zu lassen. So wurden diese sich durch die ganze Aufführung ziehende „musikalische Fiktion“ letztendlich zu einem Mechanismus, der Fühlen und Mitfühlen förderte und zum Eintauchen in das dramatische Geschehen einlud.

Natürlich ist Choe nicht der Erfinder dieser Methode. Schon früher haben Musiker wie Bach, Mozart und Beethoven nicht selten Anleihen bei allseits beliebten und vertrauten Melodien ihrer Zeit gemacht. Auch in der Oper 1945 ließen die direkten musikalischen „Zitationen“ und die indirekt eingewobene Gegenwärtigkeit das Bühnengeschehen realistischer wirken.

Bereits in seiner allseits gelobten Oper Arriving on the Water Like the Moon (2014 uraufgeführt) strebte Choe unbeirrt eine Musik an, die der Sprache dient. In 1945 ging er noch ein gutes Stück darüber hinaus und füllte Sprache in das alte, aber doch immer wieder neue „Gefäß“ namens Musik. Daran waren das vertiefte Können und die breiter gewordene Schaffenswelt des Komponisten zu erkennen.

Eine Koreanerin, die in einer provisorischen Unterkunft von den anderen wegen ihrer Heirat mit einem Japaner verurteilt wird, verteidigt sich gegen die Vorwürfe. Die Oper stellt die Schwarz-Weiß-Logik des Nationalismus in Frage und plädiert für Toleranz auf Basis von Verständnis und Mitgefühl für die Schmerzen der anderen.

Bewegende dramaturgische Gestaltung

1945 behandelte zwar einen schmerzhaften Teil der koreanischen Geschichte, bescherte dem Publikum aber durch humorvolle und satirische Elemente spannende und entspannende Momente. Das Lied Der pfeifende Zug in die Mandschurei, bei dem der ganze Cast in Schlangenformation aufgereiht singend über die Bühne zieht, brachte Bühne und Künstler den Zuschauern ein großes Stück näher und erntete spontanen Applaus. Das japanische Lied, gesungen von Geschwistern, die während der japanischen Kolonialherrschaft auf die Welt kamen und daher keine genauen Vorstellungen von „Vaterland“ haben, oder das von Mizuko gesungene Lied war so wohlklingend und rein wie der Vollmond am klaren Herbsthimmel.

Der kleine Wirbel über den von einem der Charaktere mitgebrachten getrockneten Pollack, oder die Szene, in der die Frauen Reiskuchen zubereiten, ist keine Darstellung der Armut der damaligen Zeit, sondern eher ein Ausdruck der Fülle, da sie deutlich machen, dass nichts und niemand die Träume eines Menschen zerstören kann, auch wenn die Leiden aufgrund von Armut und Nomadenleben noch so groß sein mögen. Die Dramatik erreichte ihren Höhepunkt, als Mizuko sich als Japanerin entpuppt, wobei der geschickte Wechsel von Spannung aufbauenden bzw. abbauenden Szenen ein natürliches und abgerundetes dramatisches Ganzes schuf. Die fein gesponnene Originalgeschichte von Pai Sam-shik und die ausgereifte Musik von Choe Uzong sorgten zusammen mit der Inszenierung von Koh Sun-woong für einen fließenden Handlungsverlauf.

Im vierten Akt fiel der Vorhang zwischen den Menschen, die es in den Zug geschafft hatten, und Buni und Mizuko, denen das nicht mehr gelang – ein symbolischer Moment, der die Teilung Koreas andeutet. Bei der Zugszene kam die Musik des französischen Komponisten François Couperin zum Einsatz, die ein Abrutschen in klischeehafte Banalität verhinderte. Das Duett, das Buni und Mizuko im darauf folgenden Epilog vor dem Hintergund verschneiter Fluren sangen, dürfte wegen seiner filmszenenhaften Inszenierung einen nachhaltigen Eindruck in den Herzen der Zuschauer hinterlassen haben.

Formidable Besetzung

Eine Oper kann nicht erfolgreich sein, wenn der Gesang schlecht ist. Das gilt umso mehr, wenn es sich um die Adaptation eines Theaterstücks handelt. Die Sopranistin Lee Myung-joo in der Rolle von Buni bewies erneut ihr Talent, das sie bereits auf großen Bühnen wie bei der Aufführung von Beethovens 9. Sinfonie mit dem Seoul Philharmonic Orchestra demonstriert hatte. Die Sopranistin Kim Soon-young, die bereits in Musicals überzeugt hatte, porträtierte Mizuko in ihrer gelassenen Art vortrefflich.

Auch der Tenor Lee Won-jong in der Rolle von Oh In-ho, der sich zu Buni hingezogen fühlt und ihr hilft, und die Mezzosopranistin Kim Hyang-eun, die Bak Seop-seop, einen lebenstüchtigen und zähen, aber in seiner Menschlichkeit liebenswerten Charakter, verkörperte, zogen das Augenmerk auf sich. Das von Chung Chi-yong geleitete Korean Symphony Orchestra erhielt eine subtile Spannung zwischen tonaler und atonaler Musik aufrecht und brachte mit seiner Darbietung Lyrizität und Fülle der Liedtexte hervorragend zum Ausdruck.

Die zweite Hälfte des Jahres 2019 war geprägt von der Verschlechterung der koreanisch-japanischen Beziehungen aufgrund der unterschiedlichen Geschichtsauffassung der beiden Nachbarländer. Die Oper 1945, die vor diesem Hintergrund auf die Bühne gebracht wurde, erzählte von zwei Trostfrauen unterschiedlicher Nationalität, die über die Konflikte der beiden Nationen hinaus einander mit Warmherzigkeit begegnen. Gerade das verleiht ihr besondere Bedeu-tung.

1, 2.Der Zug, der die Bewohner der provisorischen Unterkunft zurück nach Korea bringen soll, kommt an, aber Buni und Mizuko schaffen es nicht einzusteigen. Buni beschließt, an der Seite ihrer japanischen Leidensgenossin Mizuko zu bleiben, anstatt mit ihren Landsleuten nach Hause zurückzukehren.

Die Dramatik erreichte ihren Höhepunkt, als Mizuko sich als Japanerin entpuppt, wobei der geschickte Wechsel von Spannung aufbauenden bzw.

abbauenden Szenen eine natürliches und abgerundetes dramatisches Ganzes schuf.

Ryu Tae-hyungMusik-Feuilletonist

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