
In letzter Zeit begegnet man in der Seouler Altstadt wie z.B. im Bukchon-Viertel mitseinen alten Häusern oder nahe dem Palast Gyeongbok-gung oft jungen Leuten inHanbok-Tracht. Fand vielleicht irgendwo ein Festival statt? Oder kommen sie geradevon einer Hochzeit? Ist der Hanbok, die traditionelle Tracht der Koreaner, als Alltagskleidungwieder in? Mit der Öffnung der Häfen des Landes wurde der Hanbok durchdas Hereinströmen westlicher Waren und Einflüsse langsam aus dem Alltag verdrängt.Aber bis in die 1960er Jahre waren in Hanbok gekleidete Koreaner noch ein gewöhnlicherAnblick in den Straßen Seouls. Doch mit Beginn der Massenproduktion von Textilienund dem Florieren der Modeindustrie ab den 1980er Jahren wurde formelle Kleidungund Straßenkleidung westlichen Stils bevorzugt. Der Hanbok wurde nur noch zubesonderen Feiertagen wie Neujahr oder Erntedankfest nach Mondkalender und feierlichenAnlässen wie Hochzeiten aus dem Schrank geholt.
Wie konnte der lange geschmähte Hanbok ein Comeback schaffen? Es begann mitdem „Tag, an dem man Hanbok trägt“, der 1996 vom damaligen Ministerium für Kulturund Sport ausgerufen wurde. Beflügelt wurde das „Hanbok-Fieber“ dann aber durchein Programm, das allen Hanbok-Trägern kostenlosen Eintritt für die alten Königspalästegewährt. Das Amt für Kulturerbeverwaltung erweiterte dann den freien Eintrittab Oktober 2013 auf den königlichen Schrein Jongmyo und die königlichen Gräber desJoseon-Reichs. Darüber hinaus wirkten die vom Amt für Kulturerbeverwaltung mehrmalsim Jahr angebotenen Nachtöffnungen der Paläste Gyeongbok-gung und Changgyeong-gung als Katalysator. Um das Besucheraufkommen zu beschränken, ist derZutritt nur nach vorheriger Reservierung gestattet. Die Konkurrenz ist groß, doch imHanbok ist der Eintritt frei. Dieser Trick, der ohne lästige Ticket-Reservierung und Konkurrenzfreie Palastbesichtigung bei Nacht ermöglicht, brachte den Hanbok zurückins Rampenlicht. Auch unter ausländischen Touristen sind Reiseprogramme äußerstbeliebt, in denen die traditionellen koreanischen Volksspiele im Hanbok ausprobiertwerden können.
Der großen Nachfrage entsprechend sprossen in Palastnähe Hanbok-Verleihläden wiePilze aus dem Boden und erfreuen sich eines regen Geschäfts. Junge Menschen, diesich die wegen der aufwändigen Herstellung teure Tracht nicht leisten können, könnensich einen Hanbok stundenweise oder für einen Tag preisgünstig ausleihen. Hübschherausgeputzt flanieren sie mit Freunden oder Partner durch die Straßen und laden aufihre SNS die ihrer Meinung nach schönsten Selfies aus dem Hanok-Dorf oder den altenPalästen hoch. Das Internet wird zu ihrer Bühne und sie selbst zu Schauspielern imHanbok, der als stilvolle Requisite unterhaltsame Fantasien ausleben lässt.
Ob sich die jungen Leute aber bewusst sind, dass die traditionelle Hanbok-Industrie amZusammenbrechen ist und die billigen Import-Hanboks, die die Verleihshops füllen, dieursprüngliche Schönheit dieser Tracht zu buntem Kitsch verkommen lassen?