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2018 AUTUMN

SPEZIAL

Präludium zum Frieden: Innerkoreanische Entspannung in der Populärkultur SPEZIAL 4Begegnung mit Nordkoreas Landschaftsjuwelen

Die atemberaubende Landschaft ist nur ein Grund, warum es die Koreaner zu den Bergen Baekdu-san und Geumgang-san zieht. Der andere ist ihre Bedeutsamkeit mit Blick auf Geschichte, Kultur und Kunst Koreas. Besonders für die Südkoreaner sind diese Berge Objekte der Wehmut und Sehnsucht.

Südkoreanische Touristen beim Fotografieren am Cheonji-Kratersee auf dem Baekdu-san. Der Baekdu-san, der sich an der Grenze zwischen der nordkoreanischen Provinz Ryanggang-do und der chinesischen Provinz Jilin erhebt, ist die höchste Erhebung des Gebirgsmassivs Baekdu Daegan, das sich 1.400 km Richtung Süden erstreckt. Zurzeit können Südkoreaner den Baekdu-san nur via China besuchen.

Ich kam in der südlichen Hälfte eines geteilten Landes zur Welt, wo ich von Kindesbeinen an über den Kommunismus aufgeklärt wurde. Danach war Nordkorea ein von einem Marionettenregime regiertes Land voller Arbeitslager und Armut. In Klassenarbeiten gab es Fragen zur Cheollima-Bewegung, die das Volk zu unermüdlicher Arbeit antrieb, und zur „Einer in fünf Haushalten-Regelung“, nach der pro fünf Haushalte ein KP-Parteimitglied dazu bestimmt wurde, den Alltag der übrigen vier Haushalte zu überwachen. Nicht selten las man Zeitungsberichte über Infiltrationen bewaffneter Guerillas und Schülergruppen gingen zu „antikommunistischen Ausstellungen“, um die Handgranaten, Stichwaffen u.ä. der Guerillas zu besichtigen.

Antikommunistische Erziehung
Im Musikunterricht sangen wir dann aber „Auf ins Geumgang-Gebirge mit seinen 12.000 Gipfeln! / Schöner und geheimnisvoller wird es mit jedem Blick.“ Und Sanjeong Muhan (Der endlose Zauber der Berge), ein Reiseessay in unserem Koreanisch-Schulbuch, beschwor vor unserem geistigen Auge die Schönheit von Wäldern, Wasserfällen, Wolken, Nebel und Felsen herauf. Wir erfuhren, dass die Landschaft je nach Jahreszeit einen völlig anderen Anblick bietet, weshalb das Gebirge vier unterschiedliche Namen hat. „Geumgang“ (auch „Kumgang“: Diamant), der wohl bekannteste davon, ist die Bezeichnung für den Frühling, wenn alle 12.000 Gipfel mit knospendem Grün und Blüten bedeckt sind, die wie Diamanten glitzern.
Nicht weniger Interesse erregt das Gebirge Baekdu-san. Es wird sogar zu Beginn der koreanischen Nationalhymne erwähnt: „Bis Ostmeer und Baekdu-san dahinschwinden / Möge der Himmel unser Land ewig schützen“. Damit ist gemeint, dass für eine unbegrenzte Zeit, i.e. bis das Ostmeer im Süden austrocknet und der Baekdu-san im Norden erodiert ist, eine übernatürliche Macht das Land schützen möge.
Mit dem Gaema-Plateau, das den Gipfel wie ein Glockenrock umgibt, haftet dem Baekdu-san das mystische Flair eines Urwaldes an. Der Name „Baekdu“ (weißer Kopf) bezieht sich auf den mit hellgrauem Tuff bedeckten Gipfel, der an ein weißhaariges Haupt erinnert. „Changbai“, der chinesische Name des auf der Grenze zwischen Nordkorea und China gelegenen Bergzugs, bedeutet „langer, weißer Berg“. Mit seinen majestätischen Felsen und dem Cheonji (Himmelssee), dem tiefsten Kratersee der Welt, symbolisiert der Berg seit jeher den Geist der koreanischen Nation, der bis in den weiten Kontinent hineinreichte. Er schien nach der Teilung jedoch nur noch symbolhaft als „der heilige Berg der Nation“ zu existieren, was aber durch das quälende Bewusstsein der Unerreichbarkeit für die Südkoreaner immer abstrakter wurde.
Doch die Geschichte machte Fortschritte und öffnete neue Möglichkeiten. So konnte ich 2002 endlich meinen Fuß ins Geumgang-Gebirge setzen, in ein malerisches Tal eingerahmt von zerklüfteten Felsformationen. Einige Jahre später stand ich auf dem Baekdu-san und blickte auf das tiefblaue Wasser des Cheonji-Kratersees.

Eine fremde, aber wunderschöne Landschaft
Beginn der oben erwähnten Geschichte war der Nordkorea-Besuch von Chung Ju-yung (1915-2001), Gründer der Hyundai -Gruppe, der eine Rinderherde nach Nordkorea brachte. Der im heutigen Nordkorea geborene Chung war 17, als er das Geld, das sein Vater durch den Verkauf eines Rindes bekommen hatte, in die eigene Tasche steckte und nach Süden zog. Dort gründete der sein eigenes Geschäft, aus dem schließlich die Hyundai-Gruppe wurde. 1998 verhandelte der damals 83-jährige Industriemagnat mit dem Norden und inszenierte einen Heimatbesuch zur Förderung des Friedens auf der koreanischen Halbinsel: An der Spitze eines LKW-Konvois mit 500 Rindern, die er als symbolische Wiedergutmachung für das vom Vater gestohlene Geld betrachtete, durchquerte er die gemeinsame Sicherheitszone im Waffenstillstandsdorf Panmunjeom. Im November desselben Jahres startete die Hyundai-Gruppe das Geumgangsan-Tourprojekt, das südkoreanischen Bürgern Reisen in das legendäre Diamantgebirge ermöglichte. Zwei Jahre später kamen der damalige südkoreanische Präsident Kim Dae-jung und Kim Jong-il, Vorsitzender des Nationalen Verteidigungsausschusses der DPRK, in Pjöngjang zusammen und nahmen die Gemeinsame Erklärung vom 15. Juni an.
Die Sonnenscheinpolitik von Kim Dae-jung bewirkte ein innerkoreanisches Tauwetter. Ein nennenswertes Resultat war u.a. die bis dahin unvorstellbar gewesene Teilnahme nordkoreanischer Athleten und Cheerleader an den Asienspielen 2002 in Busan. Da 2002 auch die Fußball-WM in Südkorea stattfand, plante man, mit einer Gruppe von Repräsentanten aus den Sektoren Kultur, Kunst und Sport bei Sonnenaufgang eine Bittzeremonie für das erfolgreiche Gelingen der Fußball-WM und der Asienspiele durchzuführen. Ich gehöre noch zu der Generation, die in der Schulzeit zu dermaßen vielen Veranstaltungen „zwangsmobilisiert“ wurde, dass ich als Erwachsener eine regelrechte Abneigung gegen solche von oben initiierten Events entwickelte. Aber eine Reise ins Geumgang-Gebirge! Als ich die Einladung erhielt, war ich wirklich froh, Schriftstellerin geworden zu sein.

Der Geumgang-san (Diamantgebirge) mit seiner atemberaubenden Landschaft, die sich zu jeder Jahreszeit in einem anderen Gewand präsentiert, war nach der Teilung 1948 für Südkoreaner weitgehend unzugänglich. 1998 wurde ein grenzüberschreitendes Tourprogramm eingeführt, das Südkoreanern den Besuch auf dem Seeweg ermöglichte. Es wurde 2004 eingestellt. Überlandtouren starteten 2003, wurden aber 2008 gestrichen.

Was war das? Dieses sanfte Schaudern, das mich packte, als ich meinen Fuß zum ersten Mal auf nordkoreanischen Boden setzte? Diese sonderbare Rührung, als ich zum ersten Mal Grußworte mit einem Nordkoreaner austauschte? Diese schwache, aber belebende Energie, die mich auf meinen einsamen Spaziergängen im Tal des Geumgang-san umhüllte? Als leidenschaftliche Wandererin hatte ich bereits viele Berge im Süden erklommen, aber das Diamantgebirge war unvergleichlich. Seine Schönheit war fremdartig für mich, und doch schien ich mich lange danach gesehnt zu haben.
Einer aus der Besuchergruppe klagte, dass die hier und da in die Felsen eingravierten Propaganda-Slogans das Landschaftsbild ruinierten. Anderen missfiel die gewisse Sturheit, mit der die Nordkoreaner uns begegneten. Aber wenn wir dann, abends in den heißen Quellen im Freien sitzend, die Berggipfel in der Ferne betrachteten oder uns der sanften Kurven der Küstenlinie entlang des Haegeumgang(Meeresdiamant)-Gebietes erfreuten, war alle Missgestimmtheit verflogen. Hinzu kamen das herzhafte Lachen der Nordkoreaner, die gerne scherzten, der leckere Rauschbeere-Schnaps und das Taedonggang Bier.
2005, drei Jahre später, hatte ich nochmals Gelegenheit zu einem Nordkorea-Besuch. Anlass war die Tagung koreanischer Schriftsteller, die im Baekdu-san stattfand. Es war ein historisches Event, das zum ersten Mal nach der Befreiung von der japanischen Kolonialherrschaft 1945 ca. 200 koreanische Schriftsteller aus beiden Koreas sowie aus dem Ausland zusammenbrachte. Es gab zwar bereits in der Planungsphase einige Komplikationen, aber der Wille, uns mit Leuten aus dem eigenen Volk auszutauschen, war unbeugsam. Von Veranstalterseite kam die Empfehlung, Mitbringsel für unsere Kollegen im Norden zu besorgen, weshalb ich in die nächste Apotheke ging. Der Apotheker wunderte sich über meinen Großeinkauf von Hausapothekenmitteln. Als er erfuhr, dass es Geschenke für Nordkorea sein sollten, erhielt ich das Mehrfache der von mir geplanten Menge, und zwar kostenlos mit der Bemerkung „Ich hoffe, dass alle im Norden gesund bleiben und wir eines Tages einander treffen.“

Die Grenze überqueren
Knapp eine Stunde nach dem Abflug der Air-Koryo-Maschine in Seoul landeten wir auf dem Sunan International Airport in Pjöngjang. Der Flug war lächerlich kurz im Vergleich zu meiner Geumgangsan-Schiffsreise, auf der ich die ganze Nacht über seekrank gewesen war. Auf dem Flughafengebäude prangten der Stadtname „Pjöngjang“ in roten Schriftzeichen und Konterfeis von Kim Il-sung rechts und links. Am Eingang begrüßten uns Nordkoreaner mit Applaus.
Für Schriftsteller, die jeweils in ihrer eigenen Schaffenswelt leben, sind orchestrierte Gruppenaktivitäten nichts. Hinzu kam, dass es ein Treffen von Personen war, die völlig verschiedene Leben in unterschiedlichen politischen Gesellschaftssystemen geführt hatten, sodass das, was der eine dem anderen zeigen wollte, nicht dem entsprach, was der andere zu sehen hoffte. Entsprechend viele Episoden und Vorfälle gab es. Vor allem die unterschiedlichen Wertvorstellungen führten zu ständigen Spannungen, Konflikten und Missverständnissen. Die Südkoreaner, die z.B. die Kameralinse auf ländliche Szenen richteten, die sie an ihre Heimatdörfer in den 1970er Jahren erinnerten, taten das nur aus reiner Nostalgie. Die Nordkoreaner, für die die Demonstration der Überlegenheit des eigenen Systems eine Frage des Selbstwertgefühls war, betrachteten solche Aufnahmen jedoch als grobe Unhöflichkeit.
Es gab aber auch nicht wenige Momente, in denen wir uns unserer gleichen Wurzeln bewusst wurden. Als bei einem gemeinsamen Essen ein nordkoreanischer Schriftsteller „Lattich“ als „Buru“ bezeichnete, war ein Schriftsteller von der Insel Jeju-do freudig überrascht, dass ein Wort, das er für reinen Jejudo-Dialekt gehalten hatte, zur nordkoreanischen Standardsprache gehörte. Es folgte ein Gespräch über die sprachliche Homogenität. Obwohl die koreanische Halbinsel seit über 60 Jahren geteilt ist und wenig Austausch besteht, hatten wir abgesehen von Wörtern fremden Ursprungs keine Verständigungsprobleme. Das liegt u.a. daran, dass in beiden Koreas im Wesentlichen die 1933 von der Gesellschaft für koreanische Sprachwissenschaft festgelegten Rechtschreibregeln befolgt werden.

Der Baekdu-san in der Morgendämmerung
Die Schriftstellertagung sollte bei Tagesanbruch beginnen, sodass wir den Sonnenaufgang vom Berggipfel aus genießen konnten. Der Bus verließ in der Dunkelheit unsere Unterkunft am Berghang. Die meisten schliefen noch, übernächtigt vom feuchtfröhlichen Feiern unserer Freundschaft am letzten Tag der Reise. Nur ich fand vor lauter Nervösität keinen Schlaf, da ich die Zeremonie auf dem Gipfel moderieren sollte. Dank dessen erlebte ich, wie sich ein unvergessliches Panorama vor mir auftat: die Schönheit der uranfänglichen, im Dämmerlicht erwachenden Wälder! Hinter einer Kurve wichen die Birken Dahurischen Lärchen, Japanischen Kiefern, Korea-Kiefern, Ajan-Fichten, Weiden und allerei Blumen. Das kristallklare Wasser und dunkles Gestein formten hier und da eigenartige Silhouetten. Als wir schließlich den Gipfel erreichten und auf dem Janggun-bong (General-Gipfel)standen, stieg die Sonne in all ihrer Pracht über dem blauen Wasser des Cheonji-Kratersees empor. Ein nordkoreanischer Schriftsteller sagte: „Was für ein herrlich klarer Tag! Das Wetter in den oberen Höhenlagen ist äußerst launenhaft. Ich war schon fünf Mal hier oben, aber den Sonnenaufgang sehe ich zum ersten Mal.“
Die Schriftsteller aus dem Norden und Süden rezitierten Gedichte, riefen Slogans aus und posierten für ein Gruppenfoto, die Arme über die Schultern des Nachbarn gelegt. Später las ich in einem Beitrag über das Event, dass ein südkoreanischer Schriftsteller sagte: „Lasst den scheußlichen Stacheldraht stillschweigend verschwinden“, woraufhin ein nordkoreanischer Kollege antwortete: „Wenn die Menschen im Geiste eins sind, gibt selbst der Himmel nach“. Damals glaubten wir fest daran, dass trotz der vielen Steine, die auf dem Weg dahin lagen, eine neue Geschichte geschrieben werden könnte.
Die gute Stimmung hielt an: 2006, im Jahr darauf, wurde in Erinnerung an die Gemeinsame Erklärung vom 15. Juni der 15.-Juni-Gedenkverband der Schriftsteller aus Nord- und Südkorea auf den Weg gebracht, die Gründungsfeier fand im Geumgang-san statt. Begleitend wurden die Schriftsteller aus beiden Koreas zu einem Abend der Literatur im Geumgang-san eingeladen. Da mittlerweile zu Tourismuszwecken eine Landverbindung eingerichtet worden war, brauchten wir nicht mehr unter Seekrankheit zu leiden. Von der Provinz Gangwon-do aus brachte uns der Bus die Ostküste entlang über die Grenze. Und wieder einmal gab es Getreide, Gemüse, Fleisch und Alkohol aus nordkoreanischer Produktion. Wir scherzten sogar darüber, wessen Buch es nach der Wiedervereinigung wohl auf die nordkoreanische Bestsellerliste schaffen würde. Und wir trösteten einander damit, dass die Wiedervereinigung der einzige Weg zur Erweiterung unserer Leserschaft sei, da Koreanisch nicht zu den großen Weltsprachen gehört.

1998 brachte Chung Ju-yung, Ehrenvorsitzender der Hyundai-Gruppe, privaten Austausch und wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Nordund Südkorea auf den Weg, indem er die Waffenstillstandslinie zwei Mal mit einem LKW-Konvoi, der insgesamt 1.001 Rinder transportierte, überschritt.

Gruppenaufnahme zur Erinnerung an die Tagung südkoreanischer Schriftsteller, die 2005 in Nordkorea stattfand. Möglich gemacht wurde diese Zusammenkunft durch die beim ersten innerkoreanischen Gipfeltreffen angenommene „Gemeinsame Erklärung vom 15. Juni 2000“, die eine Stimmung der Versöhnung schuf.

2008 kam eine Literaturzeitschrift mit Werken von Schriftstellern aus beiden Koreas heraus: Tong-il Munhak (Literatur der Wiedervereinigung). Die erste Ausgabe dieser Zeitschrift des 15.-Juni-Gedenkverbands der Schriftsteller enthielt 33 Beiträge, darunter Erzählungen, Gedichte, Essays und Kritiken. Da glücklicherweise auch eine meiner Erzählungen einen Platz darin fand, erhielt ich ein Exemplar dieser Erstausgabe. Behutsam stellte ich sie ins Bücherregal, gleich neben die Anthologie eines nordkoreanischen Dichters, die ich in Pjöngjang geschenkt bekommen hatte. Da meine Werke in verschiedenen Sprachen veröffentlicht wurden, hatte ich öfters Gelegenheit, auf Buchmessen oder Literaturveranstaltungen ausländischen Lesern zu begegnen. Aber zu wissen, dass meine Landsleute im Norden meine Erzählung lesen würden, war noch einmal ein ganz anderes Gefühl. Es war, als ob ich das Joch meiner antikommunistischen Erziehung abgeworfen und endlich eine Hand ausgestreckt hätte, obwohl nicht geschickt.

Was war das? Dieses sanfte Schaudern, das mich packte, als ich meinen Fuß zum ersten Mal auf nordkoreanischen Boden setzte? Diese sonderbare Rührung, als ich zum ersten Mal Grußworte mit einem Nordkoreaner austauschte?

Doch noch im selben Jahr kühlten sich die innerkoreanischen Beziehungen schlagartig ab. Anlass war u.a. auch ein Zwischenfall, bei dem eine südkoreanische Geumgangsan-Touristin auf ihrem Morgenspaziergang in ein durch Stacheldraht abgegrenztes Militärgebiet wanderte und von nordkoreanischen Wachposten erschossen wurde. Das Geumgangsan-Tourprojekt, das immer mehr Interessenten angezogen und 2005 sogar die Eine-Million-Marke überschritten hatte, wurde sofort unterbrochen. Das Gebirge, das die US-Fachzeitschrift Foreign Policy als eins der Top-Touristenziele mit den strengsten Zugangsbeschränkungen für Amerikaner listete, war Koreanern nun völlig verschlossen. Danach sprach die südkoreanische Regierung zehn Jahre lang nicht mit dem Norden. In der angespannten Situation wurde auch die Kritik laut, dass die Gewinne aus dem Geumgangsan-Tourismus dem „Feindland“ finanziell geholfen hätten. Letztendlich öffnete sich die Tür dann aber wieder.
Im April 2018 fand in Panmunjeom ein innerkoreanisches Gipfeltreffen statt. Nach einem Spaziergang zurFußgängerbrücke an der Grenze nahmen die beiden Staatschefs auf einer Bank Platz und unterhielten sich über eine halbe Stunde unter vier Augen. Der Spaziergang wurde live gesendet, aber es war nichts als Vogelzwitschern zu hören. Am nächsten Tag versuchte ein Nachrichtenkanal den Gesprächsinhalt mittels Lippenlesens zu entschlüsseln. Was mir jedoch weit besser gefiel war ein Bericht über das Ökosystem der Region, bei dem die Vögel anhand ihres Gezwitschers identifiziert wurden. Bestimmt war ich nicht die einzige, die das Vogelzwitschern als eine Ankündigung des Friedens betrachtete. Der Vogelgesang ließ mich an den Geumgang-san und den Baekdu-san denken. Nach meinen Reisen dorthin hatte ich verschiedene Berge besucht: Ich ruhte mich im Annapurna-Basislager in Nepal aus, lief den Inka-Trail zum Machu Picchu entlang, zeltete in den Rocky Mountains, besuchte den Yellow Stone Nationalpark und den Grand-Canyon-Nationalpark. Ich bestaunte all diese spektakulären Gebirge, aber keins davon vermochte mir dermaßen ans Herz zu rühren wie der Baekdu-san und der Geumgang-san im Norden.

Geschichte nach der Teilung
In meinem Bücherregal stehen zwei Fotobände mit nordkoreanischen Gebirgslandschaften. Einer davon ist Berge und Flüsse von Nordkorea von dem Magnum-Fotografen Kubota Hiroji. Enthalten sind Aufnahmen, die Hiroji 1979 für die japanische Zeitschrift Sekai machte. Kubota war der vierte Japaner, dem Zugang zu den nordkoreanischen Gebirgen gewährt wurde. Im Epilog des Fotobands schrieb er: „Der Baekdu-san ist Inbegriff eines majestätischen Festland-Gebirges und das Geumgang-Gebirge steht quasi für Asien an sich. Ich war überwältigt von Energie und Pracht der Natur, die sich in beiden offenbart.“
Der Fotoband wurde 1988 von der Hankyorehveröffentlicht, einem im selben Jahr mithilfe von Bürgerspenden gegründeten Zeitungsverlag. Die Herausgabe eines solchen Buches verlangte zu jenen Zeiten des Kalten Kriegs, als Südkorea noch unter einer diktatorischen Regierung litt, ein nicht geringes Maß an Mut. Die Leser warteten gespannt auf den Band. Auch ich zögerte nicht, für ein Exemplar 30.000 KW zu zahlen, eine Summe, die damals für 300 Packungen Ramen-Instantnudeln gereicht hätte. Die atemberaubenden Landschaften, die auf Fotos mit Untertiteln wie „Cheonji, selbst im Sommer von Treibeis bedeckt“, „Tal im flammenden Herbstlaub“ sowie „Urwäldliche Bäume im Rauhreifmantel“ zu sehen waren, waren zweifelsohne spektakulär. Was aber mein Herz noch höher schlagen ließ, war die Tatsache, dass diese Fotos aktuelle Ansichten der jetzt für Südkoreaner verbotenen Gebirge zeigten.Das zweite Fotoband ist Baekdu-san, 1982 vom nordkoreanischen Verlag Choson Hwabosa publiziert. Ich hatte ihn bei meinem Besuch der Schriftstellertagung in Pjöngjang gekauft. Anders als die Fotos von Kubota, der unter Zeit- und Erlaubnisbeschränkungen arbeitete, fängt dieser Band all die subtilen Veränderungen der Jahreszeiten ein, und die mit viel Liebe zum Detail gemachten Aufnahmen sind persönlicher und abwechslungsreicher. Die Qualität der Aufnahmen hält zwar keinem Vergleich mit denen des japanischen Fotografen stand, aber mich fesseln nicht nur die Fotos von der Natur, sondern auch das Leben der Menschen, das darauf abgebildet ist.
Der auffälligste Unterschied ist allerdings das Herangehen an die Thematik. So ist auf der ersten Seite weder der Baekdu-san noch der Geumgang-san zu sehen, sondern „Der große Führer Kim Il-sung“. Die nächste Seite würdigt den Baekdu-san als einen Meilenstein in der Geschichte des Unabhängigkeitskampfes. Und erst danach bietet der Fotoband eine Reihe beeindruckender Landschaftsaufnahmen vom Baekdu-san und Geumgang-san. In Nordkorea wird der Baekdu-san zwar auch als Juwel der Naturschönheiten gepriesen, aber seine Bedeutung als Stätte des historischen Unabhängigkeitskampfes ist gleichermaßen wichtig. Da sich in den Bergen viele geheime Stützpunkte der Revolutionären Volksarmee verbargen, finden sich dort eine Reihe von Statuen, Monumenten und Stelen zum Gedenken. Auch die Häuser und Zeltlager der Guerillakämpfer sind noch zu sehen. Nach der Teilung des Landes wurde der Baekdu-san zu einem heiligen Ort, der für die moderne Geschichte des nordkoreanischen Volkes steht, einer Geschichte, die sich von der des Südens unterscheidet. Wir sind vielleicht noch nicht hinreichend vorbereitet, einen Fuß in den Norden zu setzen, solange wir das nicht verstehen.
Derzeit schmiede ich viele Reisepläne mit meinen Freunden. Wir haben einander versprochen, dass wir, wenn es zur Anbindung der südkoreanischen Eisenbahn an das nordkoreanische Streckennetz kommt und von dort weiter über Russland nach Europa, von Seoul nach Pjöngjang fahren werden und von dort über Wladiwostok und Moskau bis nach Paris. Wir sagen uns: „Wozu fliegen, wenn wir mit dem Zug reisen können?“ Und dann will ich noch einmal den Baekdu-san besuchen, nicht über China, sondern auf dem direkten Schienenweg. Sicherlich braucht es noch viel Zeit und Verständnis, bis die so lange unterbrochenen Verbindungen wieder instand gesetzt sind. Aber wir können doch warten. Nicht wahr?



Eine Reise der Versöhnung und des Friedens

Die Demilitarisierte Zone (DMZ) ist ein rund 250 km langer Streifen Land, der sich zu beiden Seiten der Militärischen Demarkationslinie (MDL) rund 2 km nach Norden bzw. Süden erstreckt und die koreanische Halbinsel teilt. Als mit dem Waffenstillstandsvertrag eine Waffenruhe eintrat, wurde die Frontverlaufslinie als Grenze festgelegt. Bis heute ist Panmunjeom die einzige Passierstelle zwischen beiden Koreas. Panmunjeom zieht jährlich ca. 3 Mio. Touristen aus dem In- und Ausland an.

Eine Gruppe Nordkoreaner besucht Panmunjeom, die einzige Durchgangspassage durch die Demilitarisierten Zone, die die beiden Koreas teilt. Südkoreaner, die das Waffenstillstandsdorf im Rahmen des sog. „Sicherheitstourismus“ besuchen wollen, müssen wenigstens 60 Tage im Voraus eine entsprechende Erlaubnis beim Nachrichtendienst beantragen. Nur Gruppenbesuche sind erlaubt.

Der amerikanische Historiker und Kolumnist Theodore R. Fehrenbach beschreibt in seinem Buch This Kind of War den Moment der Unterzeichnung des Waffenstillstandsabkommens in Panmunjeom am 27. Juli 1953 folgendermaßen: „Um 10.01 Uhr unterschrieben sie die ersten der 18 Dokumente, die von den beiden Seiten vorbereitet wurden. Sie brauchten 12 Minuten, um alle zu unterzeichnen. Danach standen sie auf und jeder verließ das Gebäude, ohne ein Wort zu sagen.“
Die DMZ, das letzte Relikt des Kalten Krieges auf der Welt, das auf ewig das Symbol der nationalen Teilung zu bleiben schien, begann plötzlich von Frieden zu sprechen. Am 27. April 2018 unterzeichneten der südkoreanische Präsident Moon Jae-in und Kim Jong-un, der Vorsitzende der Nationalen Verteidigungskommission der Demokratischen Volksrepublik Korea, die Panmunjeom-Erklärung für Frieden, Prosperität und Vereinigung der koreanischen Halbinsel und gelobten, gemeinsam ein Zeitalter des Friedens zu eröffnen.
Die dramatische Szene der beiden über die Fußgängerbrücke in Panmunjeom spazierenden Staatsoberhäupter schlug Zuschauer in aller Welt in ihren Bann: An dem Tag schritten sie Seite an Seite über die blaue Brücke, die sich lebhaft vom Grün des Waldes abhob, und nahmen an einem Holztischchen am Ende der Brücke Platz. Während der Direktübertragung des Treffens war weder ein Wort des Gesprächs zu hören, noch gab es Hintergrundmusik. Es erklangen nur das Singen der Drosseln, auf das hier und da ein Grauspecht antwortete.

Vier Schlüsselwörter
Die DMZ ist unter vier Aspekten bedeutsam: Erstens ist sie eine vom Kalten Krieg hinterlassene Öko-Schatzkammer. Dort wurden einstige Äcker und Reisfelder zu Sumpfgebieten, die heute Habitat des vom Aussterben bedrohten koreanischen Wasserrehs sind. Im Laufe des zerstörerischen Kriegs und der langen militärischen Konfrontation hat die Natur ungeahnte Wege der Regeneration und des Überlebens gefunden.
Laut einer im Juni 2019 vom Nationalinstitut für Ökologie herausgegebenen Statistik leben in der DMZ 5.929 Wildtier-Arten, darunter 101 vom Aussterben bedrohte. Aber an diesem Wandel von verbrannter Erde zu gesundem Wald hat der Mensch keinen Anteil. Vielmehr stand er der Regenerierung der Natur durch Errichtung von Maschendrahtverhauen, Verlegung von Tretminen sowie Spritzen von Entlaubungsmitteln im Wege. In diesem Sinne könnte man die DMZ mit ihrer natürlichen Widerstandskraft als „Garten der Götter“ bezeichnen.
Zudem ist die DMZ ein „lebendiges Kriegsmuseum“. Als sich im Koreakrieg die Ebene jenseits des Flusses Imjin-gang kurz vor einem Generalangriff der chinesischen Truppen zu „bewegen“ begann, dürften die britischen Soldaten, die sich dort im Kampfeinsatz befanden, sich schmerzlich an eine Szene aus Macbeth erinnert haben. Dort wird Macbeth nämlich gewarnt, sich auf Krieg vorzubereiten, wenn „der Wald von Birnam sich bewegt“. Die DMZ ist eine Art epische Doku mit Erinnerungen an den „Krieg der Menschheit“, an dem 63 Staaten der Welt beteiligt waren.
Die DMZ ist auch die Wiege einer besonderen Grenzregion-Kultur. In dem im Norden der Zivilen Kontrollzone gelegenen Dörfern koexistieren die Bewohner mit der Natur und leben „Öko-Moral“, indem sie die Zugvögel füttern und davon in Form von Birdwatching-Tourismus profitieren. Aber auch hier sterben die Alten, verlieben sich die Jungen und Kinder werden geboren. Dazu war die DMZ Zeuge historisch bedeutsamer Ereignisse: Das Reich Taebong, das Gungye (reg. 901-918) Ende der Silla-Zeit (57 v.Chr.-668 n.Chr.) gründete, hatte seine Hauptstadt im heutigen Cheorwon. Bis heute finden sich Relikte aus dieser Zeit in der Region. Später wurde hier das Goryeo-Reich (918-1392) gegründet und die Hauptstadt nach Gaeseong (heute Nordkorea) verlegt. Rund 400 Jahre danach wurde in Gaeseong das Joseon-Reich (1392-1910) gegründet, bevor die Hauptstadt ins heutige Seoul verlegt wurde.

Ganghwa Observatorium

Mit ihrem ursprünglichen, seit Jahrzehnten unberührten Ökosystem sind die Gebiete in der Nähe der DMZ von den Narben des Koreakriegs gezeichnet und erinnern die Besucher an die bittere Realität der Teilung der Nation.

Brücken in Panmunjeom
Das vierte Schlüsselwort zum besseren Verständnis von Panmunjeom ist „Brücke“. Unmittelbar nach Abschluss des Waffenstillstandsvertrags hat die Neutrale Kommission zur Überwachung des Waffenstillstandes eine Holzbrücke über das morastige Gebiet an der östlichen MDL gebaut, um den Weg zum Verhandlungsraum zu verkürzen. Diese schmale Brücke, ein Nebenprodukt des Kalten Krieges, wurde jetzt zum Symbol des Friedens. Die Panmunjeom-Erklärung vom 27. April enthält das Versprechen, die DMZ zu einem „Friedensgürtel“ zu entwickeln. Der Spaziergang der beiden Staatschefs über diese Brücke scheint ein erster Schritt in diese Richtung zu sein.
Es gibt noch eine weitere, bereits 400 Jahre zurückliegende Geschichte über Panmunjeom und eine Brücke. 1592 flüchtete Joseon-König Seonjo (reg. 1567-1608) vor japanischen Soldaten, die über die Südküste einfielen und ins Landesinnere vordrangen, gen Norden. Als der König ein kleines Dorf erreichte und wegen Hochwasserfluten nicht über den Fluss setzen konnte, bauten die Dorfbewohner die aus breiten, massiven Holzplanken gefertigten Tore (Neolmun) ab und fertigten daraus eine Brücke, über die der König den Fluss überqueren konnte. Seitdem hieß das Dorf „Neolmun-ri“ (Holzplankentor-Dorf). Während der Waffenstillstandsverhandlungen wurde der Name auf Nachdruck der chinesischen Regierung auf Grundlage der chinesischen Schriftzeichen, die dieselbe Bedeutung haben, in „Panmunjeom (板門店)“ geändert.

Schritte zum Frieden
Es gab auch einmal eine „symbolische Brücke“ über die Militärische Demarkationslinie in Panmunjeom. Im November 1984 flüchtete Vasiliy Matuzok, ein Reiseführer der russischen Botschaft in Pjöngjang, durch die MDL, wo in den Konferenzgebäuden gerade die Waffenstillstandskommission tagte. Im November 2017 kam es zu einer weiteren „Überquerung“ der MDL in Panmunjeom, als ein nordkoreanischer Soldat im Kugelhagel überlief.
Im Juni 1994 besuchte Jimmy Carter als erster US-Präsident Nordkorea via Panmunjeom, um in der ersten nordkoreanischen Atomkrise zu schlichten. Die spektakulärste „Brücke des Friedens“ legte aber wohl Chung Ju-yung, der Gründer der Hyundai-Gruppe, der im Juni und Oktober 1998 Nordkorea mit einem Lastwagen-Konvoi besuchte, in dem sich jeweils 500 bzw. 501 Rinder befanden. Chung traf den nordkoreanischen Staatsführer Kim Jong-il und öffnete Wege für eine Nord-Süd-Kooperation. Im November 1998 legte das erste Schiff mit Hunderten südkoreanischer Touristen im Ostmeerhafen Donghae Richtung Geumgang-san ab.
Neuerdings suchen immer mehr in- und ausländische Touristen im Rahmen des sog. „Sicherheitstourismus“ Panmunjeom und die DMZ-Gebiete auf. Doch Panmunjeom ist nicht für jeden und nicht jederzeit zugänglich. Besucher müssen einen rigorosen Sicherheitscheck über sich ergehen lassen, um das Gebiet betreten zu dürfen, aber auch dann ist der Besuch nur tagsüber und in Begleitung eines akkreditierten Reiseführers möglich, die Tourroute ist vorgeschrieben, Fotografieren bedarf einer ausdrücklichen Erlaubnis. Dass es trotz all dieser Beschränkungen viele nach Panmunjeom zieht, liegt wohl daran, dass dieser Ort das einzige noch übrig gebliebene Relikt des Kalten Krieges ist, eine Stätte, wo man die Kälte noch spüren und über die Bedeutung von Krieg und Frieden nachdenken kann.

Eun Hee-kyungSchriftstellerin
Ham Kwang-bokLeiter des Korea DMZ Institute

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