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2017 SUMMER

SPEZIAL

Baekje: Auf der Suche nach Spuren des verlorenen KönigreichsSPEZIAL 1Baekje im Mondschein

Das 18 v.Chr. gegründete Königreich Baekje, das fast 700 Jahre lang über den südwestlichen Teil der koreanischenHalbinsel herrschte, brachte eine einzigartige Kultur hervor. Baekje, neben Silla und Goguryeo eins der alten DreiKönigreiche, wurde 660 von den verbündeten Truppen des Silla-Reichs (57 v.Chr.–668 n.Chr.) und Tang-Chinas (618–907)besiegt. Acht Jahre später fiel auch das Königreich Goguryeo (37 v.Chr.–668 n.Chr.), und Silla schuf nach seinem Siegüber das Tang-Reich die erste vereinigte koreanische Nation. Die Geschichte des Baekje-Reichs, das unter den DreiKönigreichen den aktivsten Austausch mit den Nachbarländern China und Japan unterhielt und somit eine wichtigeAchse in der ostasiatischen Region bildete, wurde nach seinem Fall größtenteils verzerrt und vergessen. Aber durchdie jüngsten Entdeckungen vieler historischer Stätten und Relikte kommt die wahre Gestalt von Baekje nun allmählichzum Vorschein. Begeben wir uns auf der Suche nach diesen Spuren auf eine Zeitreise in die Vergangenheit.

Wenn die Dunkelheit über die auf hügeligem Terrain amFluss Geum-gang gelegene Bergfestung Gong-seonghereinbricht, gehen entlang der Festungsmauern dieLichter an. Beim Bau der Festung mit ihren 2.660mlangen Mauern im Jahr 475 machte man sich dienatürlichen Bodengegebenheiten im höchstmöglichenMaße zunnutze, um Baekjes neue Hauptstadt Ungjin,das heutige Gongju, Provinz Chungcheongnam-do, zuschützen.

Das UNESCO-Welterbekomitee nahm am 8. Juli 2015 auf seiner39. Sitzung in Bonn in Anerkennung von Baekjes Beitragzur Entwicklung der Zivilisation in Ostasien die historischenStätten des Baekje-Reiches unter der Bezeichnung „HistorischeStätten Baekjes“ in die Welterbeliste auf. Dazu gehöreninsgesamt acht Stätten in den drei ehemaligen Baekje-HaupstädtenBuyeo, Gongju und Iksan: die Festung Gongsan-seong und dieKönigstumuli in Songsan-ri, Gongju; die Palaststätte in Gwanbuk-ri,die Bergfestung Busosan-seong, das Tumulifeld in Neungsan-riund die Tempelstätte Jeongnim-sa sowie die Festung Na-seongin Buyeo; die Palaststätte von Wanggung-ri und die TempelstätteMireuk-sa in Iksan. Darunter haben die beiden Bergfestungen undzwei Pagoden aus den beiden Tempelstätten Sonne, Wind, Schneeund Regen trotzend über 1.300 Jahre das Leben der Koreaner mitverfolgt.

Geschichte gewinnt an Gestalt

Die anderen Baekje-Kulturstätten lagen bis vor nicht allzu langerZeit in der Erde vergraben. Im Sommer 1971 entpuppte sich danneins der alten Gräber in Songsan-ri zur allgemeinen Überraschungals das Grab von König Muryeong (reg. 501-523) und im Dezember1993 wurde das Neungsan-ri Tumulifeld in Buyeo als Königsgrabstättebestätigt, nachdem in einer nahe gelegenen Grabtempelanlageu.a. das große, goldbronzene Räuchergefäß von Baekje ausgegrabenworden war. Im Falle der Festung Na-seong in Buyeo, dieals Erdfestung nicht leicht zu bemerken war, werden von Beginnder Ausgrabungsarbeiten 1975 bis heute in der näheren Umgebungimmer wieder kleinere und größere Relikte geborgen. Die Grundrisseder Ost-Pagode des Tempels Mireuk-sa kamen 1974 zumVorschein und erst 1989 konnte die Größenordnung des separatenPalastes in Wanggung-ri erfasst werden.

Ähnlich verhält es sich auch mit den diesmal nicht in die Welterbelisteaufgenommenen großen Erdfestungen aus der Periode derersten 500 Jahre von Baekje, in der das Königreich am Fluss Hangangden Grundstein für einen antiken Staat legte und die AgrarundEisenkultur entwickelte: Pungnap-toseong, die vermutlicherste königliche Festung von Baekje im Norden der HauptstadtWiryeseong, wurde zwar schon 1925 bei einer Überschwemmungentdeckt, aber die Aufmerksamkeit der Wissenschaftler erhielt sieerst, als 1997 bei den Erdarbeiten für eine Wohnhochhausanlagezahlreiche Artefakte aus der Baekje-Zeit gefunden wurden. Auchdie Südfestung Mongchon-toseong, von der man annimmt, dass sieden südlichen Teil der alten Hauptstadt ausmachte, wurde erst inden 1980er Jahren ausgegraben.

Die Mauern der BergfestungGongsan-seong steigen und fallen imGleichklang mit der Form des Bodens.Heute führen Spazierwege über dieFestungswälle, von denen aus derSpaziergänger, die kühle, vom Flussheraufwehende Brise genießend,einen fantastischen Blick auf die StadtGongju hat.

Diese historischen Stätten und Relikte, die nach so langer Zeit ihrSchweigen brachen und aus der Erde auftauchten, belegen, dassdas alte Baekje-Reich, das über das Gebiet südwestlich des durchdie Mitte der koreanischen Halbinsel fließenden Han-Flussesherrschte und auf Grundlage der Großen Drei Lehren (Buddhismus,Konfuzianismus und Taoismus) außerordentliche architektonischeTechniken und eine einzigartige gestalterische Ästhetik kultivierte,über einen Zeitraum von fast 700 Jahren existierte und sichmit anderen Ländern in Ostasien wie China und Japan austauschte.Den Wert und die Bedeutung dieser bewundernswerten physischenBeweise, die größtenteils per Zufall gefunden wurden, zu diskutieren,überlasse ich den Wissenschaftlern. Stattdessen möchte ichder Frage nachzugehen versuchen, wie Baekje die Gedankenweltder Koreaner beeinflusst hat.

Das ist ein ehrgeiziger Versuch, bei dem ich mich zugegebenermaßennur auf mein Interesse als Amateur stützen kann. Mein Annährungsansatzbesteht darin, dass Dinge, die – wieder den Strahlender Sonne ausgesetzt – zur Rekonstruktion der Vergangenheit animieren,stets mit Verschwommenem, Vagem oder Unsichtbaremverbunden sind. Sie tragen und zeigen die Vergangenheit auf ihreeigene Weise. Sie widersetzen sich dem Altern, Verändern und Vergessen.Das macht sie zu Herren über die Vergangenheit.

Heraufbeschworen, die Wunden des Kriegs zu heilen

Am 18. April 1955 wurde in Buyeo zum ersten Mal das Große BaekjeGedenkfestival, der Vorläufer des heutigen Baekje-Kulturfestivals,abgehalten. Buyeo war die letzte Hauptstadt von Baekje, in dersechs Könige insgesamt 123 Jahre lang regierten, darunter auchKönig Uija (reg. 641-660), der letzte Monarch. Die fünftägige Veranstaltungwurde mit einer Zeremonie zu Ehren der Könige desBaekje-Reichs eröffnet und schloss mit einem buddhistischen Ritualzur Tröstung der Seelen der 3.000 Hofdamen, die sich der Legendenach aus Trauer darüber, dass König und Soldaten den geeintenTruppen von Silla und Tang-China erlegen waren, vom Felsen Nakhwa-am in den Fluss Baengma-gang gestürzt haben sollen. Umsich dieses Schauspiel anzuschauen, kamen rund 20.000 Besucheraus dem ganzen Land nach Buyeo, sodass Unterkünfte und Speiselokalein der Innenstadt bis auf den letzten Platz gefüllt waren.Bedenkt man die gesellschaftlichen Gegebenheiten und Transportmöglichkeitender Zeit, war das eine beeindruckende Menschenmenge.Höhepunkt des Festivals war die Zeremonie zur Verehrung1 der drei treuen Untertanen, bei der die Ahnentafeln der Hofbeamten Seongchung (?-656) und Heungsu sowie von General Gyebaek(?-660) eingeschreint wurden. Für die rituelle Prozession wurdenHunderte von Schülern und Einwohnern mobilisiert, was zusammenmit den Besuchermassen einen spektakulären Anblick bot.

Es gibt Menschen, die trotz des Anbruchs der Nacht noch nicht nach Hause zurückgekehrt sind.Diejenigen, die verschollen gingen, ließen ihr kurzes Leben zurück und haben keinen Ort, an den siezurückkehren könnten, weil niemand ihren Namen ruft. Das Mondlicht umarmt und streichelt zärtlichüber die beschädigten, ausgelöschten und verzerrten Spuren ihrer Leben, verstreut in den Bergen undFlüssen ihrer einstigen Heimat: Baekje.

Die fünfstöckige, 8,8m hohe Steinpagodeder Tempelstätte Jeongnim-sain Buyeo (Nationalschatz Nr. 9)wurde Mitte des 7. Jhs gebaut. DiePagode ist eine der beiden auf altemBaekje-Territorium noch erhaltenenSteinpagoden aus der Zeit derDrei Königreiche. Das Baekje-Volkentwickelte einen neuen, der Formhölzener Pagoden nachempfundenenSteinpagoden-Baustil, der zum Prototypdes distinktiven, im Silla-Reichperfektionierten Baustils wurde.

Dass der Baengma-Fluss und der Felsen Nakhwa-am (Felsender fallenden Blumen), von dem sich die Hofdamen in denFluss gestürzt haben sollen, als Sehenswürdigkeit mindestens sobekannt wie die Loreley ist, mag zwar die Attraktivität dieser Veranstaltungerklären, nicht aber, warum die Bewohner der Gegend dieserZeremonie mit Ehrfucht beiwohnten und freiwillig Geld spendeten.Und da die historischen Stätten aus der Baekje-Zeit zu demZeitpunkt noch nicht entdeckt worden waren, war auch der Stolzder Bewohner auf ihre Geschichte und Kultur noch nicht besondersausgeprägt. Dann bleibt vielleicht als einzige Erklärung, dass dasFestival eine Gelegenheit zur Solidarisierung und Aussöhnung bot.Der Koreakrieg (1950-1953) forderte über 3 Mio. Menschenleben.Darunter waren auch politische Gefangene, die in Massen hingerichtet wurden, sowie nord- und südkoreanische Kollaborateure,die Vergeltungsmaßnahmen zum Opfer fielen. Nach dem Waffenstillstandvon 1953 sahen sich die regional und verwandtschaftlichverflochtenen lokalen Gemeinschaften mit der Aufgabe konfrontiert,die Wunden der Teilung der Nation und der internen Spaltungzu schließen und zu heilen. In Buyeo war das nicht anders:Die Würdenträger von Buyeo steckten ihre Köpfe zusammen undkam auf die Idee des Storytelling. Ihr Vorschlag war ein Event zumGedenken an die Loyalität der drei treuen Diener, die sich für ihrbedrohtes Land geopfert hatten, und der 3.000 edlen Hofdamen.Die Riten zur Einschreinung der Ahnentafeln der drei Diener, diederen Seelen Frieden schenken sollten, fungierten als Riten zumTrost der Seelen der Einwohner von Buyeo, deren Familien undNachbarn durch den Krieg auseinandergerissen und gespaltenworden waren. Zehn Jahre später, 1965, wurde die Veranstaltungmit großzügiger Unterstützung der Regierung zu einem regionalenKulturfestival entwickelt und gewann entsprechend an Umfang undBedeutung.

Das Theaterstück Mondscheinnacht auf dem Baengma-Fluss(1993) von Dramenautor und Regisseur Oh Tae-suk (geb. 1940),löste große Diskussionen aus, da es die Struktur des in der OrtschaftEunsan-myeon in Buyeo tradierten schamanistischen RitualsEunsan Byeolsinje (Eunsan-Ritual zu Ehren der Schutzgottheitendes Dorfes) adaptierte. Das Eunsan Byeolsinje basiert auf folgenderVolkserzählung: Vor langer Zeit wütete einmal eine Seuchein Eunsan. Eines Nachts erschien einem alten Mann im Traum einGeneral auf einem weißen Pferd, der berichtete, dass die Leichender Baekje-Soldaten überall verstreut lägen und sich niemand umsie kümmere.

Eine Fähre auf demBaengma-Fluss auf derVorbeifahrt an dem 40mhohen Nakhwa-am dem„Felsen der fallendenBlumen“. Der Legendenach sollen sich hier3.000 Hofdamen in denTod gestürzt haben,als Baekje im Jahr 660fiel. Der kleine TempelGosan-sa, der im 11. Jh.zum Trösten der Seelender Verstorbenen aufdem mittleren Klippenhanggebaut wurde,steht heute noch.

Er versprach, das Dorf von der Seuche zu befreien,wenn die Dorfbewohner sich der Leichen annähmen und siebestatteten. Die Dörfler taten, wie ihnen im Traum des alten Mannesgeheißen, und führten ein schamanistisches Gut-Ritual zumTrost der Seelen der Toten durch. Die Seuche verschwand und Friedenkehrte im Dorf ein.

Als das Bühnenstück im Sommer 2014 im Namsan Arts Centerin Seoul erneut vorgeführt wurde, hatte Autor und Regisseur OhTae-suk das Stück umfassend überarbeitet, was die Kritiker folgendermaßenwürdigten: „Die Konflikte und die Entwicklung derGeschichte sind im Vergleich zur Urfassung schlichter und klarergeworden, indem der Fokus stärker auf die Versöhnung zwischenden Baekje-Soldaten und König Uija sowie zwischen Uija und Sun-1 dan gelegt wurde.“ (Sundan: die Tochter der alten Schamanin, diedas Gut-Ritual des Dorfes durchführte, und die gleichzeitig dieReinkarnation der Spionin des Silla-Reichs ist, die Baekje-KönigUija erstach.) Auch die vage In-Bezug-Setzung von Koreakrieg undFall des Baekje-Reichs verschwand. Die zweideutige Äußerung„Seien es nun Baekje-Soldaten oder Opfer eines Massakers derKommunisten“ aus der Szene, in der 17 Leichen am Dorfeingangan der Mauer der Baekje-Festungsruine gefunden werden, wurdeebenfalls gestrichen. Die durch den Wegfall der Allegorie der historischenEreignisse entstandene Lücke füllte der Autor mit denfür ihn charakteristischen Wortspielen und Humor. Was den Veteran-Dramatiker, der damals in seinen 70ern war, wohl zu dieser Entscheidungbewogen haben mag?

Die Tumuli-Grabstätte inNeungsan-ri beherbergtsieben Baekje-Königsgräberaus der Zeit,als Sabi (das heutigeBuyeo) die Hauptstadtvon Baekje war. DieHügelgräber befindensich in der Mitte desAbhangs auf der südlichgelegenen Bergseitevon Neungsan-ri, 121müber dem Meeresspiegel.

Zugrunde gehen und den Geist hinterlassen

Hyun Jin-geon (1900-1943) war ein brillanter Schriftsteller, derin den frühen Tagen der modernen koreanischen Literatur durchgründliche Erforschung gesellschaftlicher und historischer Fragenzum Vorbild für realistisches Schreiben wurde. Hyun besaßzudem ein ausgeprägtes Nationalbewusstsein, was auch durchseine Inhaftierung während der japanischen Kolonialherrschaft,als er als Journalist arbeitete, belegt wird. Grund für die Verhaftungwar seine Beteiligung an der Herausretuschierung der japanischenFlagge aus dem Foto der Siegerehrung des Marathonlaufs derOlympischen Sommerspiele in Berlin 1936, bei denen der KoreanerSon Kee-chung, der gezwungenermaßen für Japan antreten musste,die Goldmedaille gewann. Dieser Vorfall stellte Hyuns Leben aufden Kopf. Er musste bei der Zeitung kündigen, sich um des schierenÜberlebens willen mit allen möglichen Arbeiten wie Geflügelzuchtdurchschlagen und sein Haus verkaufen. Es dauerte nichtlange, bis ihn die Tuberkulose hinraffte.

Es ist kein Zufall, dass die Protagonisten in seinem 1939 erschienenRoman Die Pagode ohne Schatten (Muyeongtap) der Baekje-Steinmetz Asadal, der die Pagode Muyeongtap in Gyeongju fertigte,und seine Frau Asanyeo sind. Hyun schrieb danach noch zweiweitere Romane mit Baekje als historischem Hintergrund: GeneralHeukchi Sangji (1940) und Prinzessin Seonhwa (1941). Bevor GeneralHeukchi Sangji in Fortsetzungen in einer Zeitung erschien, sagteHyun über historische Romane: „Die Vergangenheit ist realistischerals die Gegenwart, weil die Vergangenheit eine Ehrlichkeit besitzt,die in der Gegenwart nicht zu haben und auch nicht zu erlangenist. Die Vergangenheit vermag ein lebendiges, pulsierendes Realitätsgefühlzu vermitteln, das den gegenwärtig realen Fakten nichtentnommen werden kann.“ Doch die Fortsetzungen des in derTageszeitung Donga Ilbo erschienenen General Heukchi Sangji, dasvon einem General erzählt, der sich den Invasoren nicht ergibt underfolgreich einen Gegenschlag Baekjes anführt, wurden auf Druckder Japaner eingestellt. Die Fortsetzungen seines in der MonatszeitschriftChunchu veröffentlichten Romans Prinzessin Seonhwa,der auf dem Lied von Seodongyo beruht, das von dem Jünglingerzählt, der später als König Mu (reg. 600-641) den Baekje-Thronbesteigen sollte, wurde ebenfalls mittendrin eingestellt.

Die Pagode ohne Schatten handelt von einem Baekje-Steinmetz,der in die Silla-Hauptstadt Gyeongju verschleppt wurde, um dortan der Steinpagode des Tempels Bulguk-sa zu arbeiten. Hyunschuf seinen Protagonisten dabei auf Grundlage von historischenAufzeichnungen, laut denen eine Vielzahl von Tischlern und Steinmetzenaus Baekje für den Bau von Tempeln und Pagoden im Silla-Reich eingesetzt wurde. Allerdings war Hyun der erste, dereinem dieser Handwerker einen Namen gab: Asadal. Bedenkt manden symbolischen Gehalt dieses Namens für die Koreaner, dürfteHyun sehr stolz auf diese Namensgebung gewesen sein. Laut denMemorabilia der Drei Königreiche (Samguk-yusa) war „Asadal“nämlich der Name, den Dangun, der mythische Gründervaterdes ersten koreanischen Reiches (Gojoseon, 2333-108v.Chr.) seiner Reichshauptstadt gab. „Asadal“, was so vielwie „Land des morgendlichen Sonnenlichts“ bedeutet, stehtfür das koreanische Volk. Erzählt wird in Die Pagode ohneSchatten über den Konflikt zwischen Asadal, dem Steinmetzaus dem gefallenen Baekje-Reich, Juman, der Tochtereiner adeligen Familie aus dem Silla-Reich, die sich inAsadal verliebt, und Asanyeo, Asadals Frau, die, müde desWartens auf die Heimkehr ihres Mannes, von Buyeo nachGyeongju aufbricht, um ihren Mann zu sehen.

Die Gedichte des während der japanischen Kolonialherrschaftin Buyeo geborenen Dichters Shin Dong-yup (1930-1969) wurzeln quasi in der Essenz dieser Örtlichkeit. Zeilenwie „Das alte Mütterchen / mit der laufenden Nase, /das Nudeln verkaufte / im Sonnenlicht vor dem Bahrenhaus“oder „Vom Aprikosenbaum-Dorf / Schlummer, derkeine Zeit kennt“ sind mehr als nur lyrische Erinnerungenan seinen Heimatort. Seine historische Vorstellungskrafttreibt Shin von Baekje in die weiter zurückliegende Zeit der antikenDrei Han-Stammesstaaten, um ihn dann auf die Schauplätzeder modernen Geschichte wie den der Donghak-Bauernbewegung(1894), der Unabhängigkeitsbewegung vom 1. März (1919), desKoreakrieges (1950-1953) und der Erhebung vom 19. April (1960)zu befördern. Asadal und Asanyeo erscheinen in seinen Gedichtenoft als lyrisches Objekt oder lyrisches Ich. Shin übernimmt Elementeund Hintergründe dieser fiktiven Figuren aus Hyuns Die Pagodeohne Schatten und formt daraus unter Krieg und Armut leidendeNachbarn oder symbolhafte Verkörperungen einer geteilten Nation.Der Höhepunkt von Shins humanistischer Annäherung an dieGeschichte findet sich in seinem Epos Der Fluss Geum-gang(1967). Er wollte Einsicht in die Geschichte gewinnen, indem er mitWut und mit Mitleid mit den „unschuldigen, einfachen Bürgern, die5.000 Jahre verfolgt wurden“ den Geschehnissen vergangener Zeiteneine Struktur verlieh. Seinem Erfolg, geschichtliche Geschehnissein die Gegenwart zu versetzen, steht meiner Meinung nachsein Misserfolg, die Idealität der Geschichte herauszubilden gegenüber.Die folgenden Zeilen aus Der Fluss Geum-gang könnten allerdingsauch herangezogen werden, um diese Bewertung von mir zuwiderlegen:

Baekje,
Seit alters her ein Ort,
An dem sie sich sammeln
Und verfaulen,
An dem sie zugrunde gehen und dafür
Dünger hinterlassen.
Geum-gang, Seit alters her ein Ort,
An dem sie sich sammeln
Und verfaulen,
An dem sie zugrunde gehen und dafür
Geist hinterlassen
[Aus: Kapitel 23 von Der Fluss Geum-gang von Shin Dong-yup]

Baekje,
Seit alters her ein Ort,
An dem sie sich sammeln
Und verfaulen,
An dem sie zugrunde gehen und dafür
Dünger hinterlassen.
Geum-gang, Seit alters her ein Ort,
An dem sie sich sammeln
Und verfaulen,
An dem sie zugrunde gehen und dafür
Geist hinterlassen
[Aus: Kapitel 23 von Der Fluss Geum-gang von Shin Dong-yup]

Die fünfstöckige Steinpagode in Wanggung-ri,Iksan, Provinz Jeollabuk-do, stammt aus der frühenGoryeo-Zeit. Sie weist sowohl formale Merkmaleder Steinpagoden von Baekje, als auch Merkmaledes später während des Vereinigten Silla-Reichesentwickelten Pagodenstils auf. Die als NationalschatzNr. 289 registrierte Pagode ist 8,5m hoch.

Am ehemaligen Platz der Festung Na-seong, die sich von der FestungBusosan-seong in Buyeo bis zum Fuß des Flusses Geumgang hinzieht, steht ein Gedenkstein zu Ehren von Shin, eines Dichters,der mit seiner eigenen Armut und seinem Mitleid „am krankenVaterland litt“.

Die Geschichte der Verlierer neu schreiben

Kontroversen um Fake News gab es auch schon in der Vergangenheit.Während die Geschichten der Sieger immer aufgebauscht inalle Welt hinausgeposaunt werden, gehen die Geschichten der Verliererwie die Seufzer alter Klageweiber unter. Das gilt auch für dieGeschichte von Baekje: Angesichts der Raffiniertheit und des Heldenmutsder Sieger müssen Inkompetenz und Verderbtheit derVerlierer nur noch auffälliger erscheinen, wobei sich diese simpleGegenüberstellung mit der Zeit stärker als die Fakten verfestigt.Und die Vergangenheit wird – je nach Wahrnehmung und Emotionendes Sich-Erinnernden – immer stärker verinnerlicht und fragmentiert.Aus keinem anderen Grund wurde aus dem Felsen „Tasaam“(dt.: „Felsen, von dem sich Menschen in den Tod stürzten“),dem Schauplatz eines tragischen Kriegsgeschehens, der Felsen„Nakhwa-am, wo sich 3.000 Hofdamen aus Loyalität zum Vaterlandins Wasser stürzten. Und der Pavillon „Sajaru“ an der höchstenStelle der Festung Busosan-seong wird bis heute oft fälschlicherweise„Sabiru“ genannt, auch wenn man sich bewusst ist,dass diese Bezeichnung durch die transkriptorische Verwechslungzweier ähnlich klingender Silben zustande kam. Oft scheint ein aufobjektiven Fakten beruhendes Narrativ weder unbedingt erforderlichnoch wichtig zu sein.

Jeongeupsa (Lied aus Jeongeup), das einzig noch erhaltene Liedaus der Baekje-Zeit, beginnt mit „Lieber Mond, steig bitte nurhoch“. Es wurde bis in die Goryeo- und Joseon-Zeit als Text derindigenen Volksmusik verwendet. Laut der Geschichte von Goryeo(Goryeosa, 1449-1451) soll das Lied von einer Frau, die aufdie Heimkehr ihres Mannes wartete, gesungen wordensein. Sie stieg auf den Mangbuseok-Felsen (Felsen, inden sich eine vergebens auf ihren Mann wartende Frauverwandelte) und bat den Mond, ihrem Mann, einemFliegenden Händler, der zum Verkauf seiner Warenzum Markt gegangen und nach mehreren Tagenimmer noch nicht zurück war, auf dem Heimwegzu leuchten. Zur Erinnerung an dieses Lied veranstaltet das StädtischeGugak-Orchester von Jongeup, Provinz Jeollabuk-do, jedenMonat zur Vollmondzeit vielfältige Gukak-Musik-Darbietungen.Wenn ich es mir recht überlege, wird in den populären, auf Baekjebezogenen Liedern von gestern und heute ausnahmslos die Mondnachtbesungen. Und Erwähnung finden stets der Fluss „Baengma-gang“, „Wasservögel“, „Stille“, „Barken“ und „Glockenklänge“.Der Journalist und Schriftsteller Lee Byeong-ju (1921-1992) schriebim Vorwort zu seinem Roman Berge und Flüsse (1979): „Wennes im Sonnenschein verblasst, wird es Geschichte; wenn es vomMondschein gefärbt wird, wird es zur Legende!“ In diesem Sinnekann man sagen, dass Baekje im Mondschein liegt. Wenn dieAbenddämmerung die Grenze zur Nacht überschreitet, leuchtetbei der Festung Gonsan-seong ein Licht nach dem anderen auf. DieFestung, die vor dem Hintergrund des blauschwarzen Himmels allmählichsilhouettenhaft ihre Schultern entblößt, ruft Menschen zu,die weit entfernt auf der anderen Seite des Flusses stehen, Menschen,die trotz des Anbruchs der Nacht noch nicht zurückgekehrtsind. Dort gibt es das kurze Leben der Abwesenden, die nirgendwohinzurückkehren können, weil niemand ihre Namen ruft. DasMondlicht umarmt und streichelt zärtlich über die beschädigten,ausgelöschten und verzerrten Spuren ihrer Leben, verstreut in denBergen und Flüssen ihrer einstigen Heimat: Baekje.

Lee Chang-guyDichter und Literaturkritiker
FotosAhn Hong-beom

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