Die Volksmalereien Minhwa, in der namenlose Maler ihre Wünsche in Bezug auf ein glückliches Leben zum Ausdruck brachten, spiegeln positives Denken und Widerstandsfähigkeit der Koreaner in harten Zeiten wider. Ihr ursprünglich schamanistischer Zweck mag weitgehend verloren gegangen sein, aber sie bringen auch heute noch vielen Menschen Glück und Freude.
In der fernen Vergangenheit galten Epidemien als das Werk böser Geister. In diesem Glauben brachten koreanische Haushalte am Neujahrstag nach Mondkalender Abbildungen von Cheoyong, dem Sohn des Drachenkönigs (Gottheit des Ostmeers), an ihren Eingangstüren an, um den Seuchengott Yeoksin zu vertreiben.
Dieser Brauch geht auf die Zeit des Vereinigten Silla-Reiches (676-935) zurück, genauer gesagt, auf die Regierungszeit von König Heongang (reg. 875-886), als die Koreanische Halbinsel nach der Vereinigung der drei Königreiche durch Silla im 7. Jh. beispiellosen Frieden und Prosperität genoss. Der Legende nach befand sich König Heongang im Küstendorf Gaeunpo (das heutige Ulsan), als der Himmel plötzlich hinter dichten Wolken und Nebel verschwand. Der König dachte, das könne nicht mit rechten Dingen zugehen und bat den Hofastrologen um eine Erklärung. Der antwortete: „Das ist das Werk des Drachenkönigs. Er muss besänftigt werden.“ Als der König daraufhin gelobte, einen Tempel für den Drachengott zu errichten, lichteten sich Wolken und Nebel sofort.
Als Dank sandte der Drachenkönig seinen Sohn Cheoyong nach Silla. Nachdem König Heongang eine Heirat für ihn arrangiert hatte, betraute er ihn mit einem hohen Regierungsposten. Aber die Schönheit von Cheoyongs Frau war ein Problem. Sie war so bezaubernd, dass selbst der Seuchengott sie begehrte. Als Cheoyong in einer hellen Mondnacht spät nach Hause kam, entdeckte er seine Frau zusammen mit dem Seuchengott im Bett. „Sie ist zwar mein, aber was nur mit dem, der sie genommen hat?“ – seine Ratlosigkeit singend zum Ausdruck bringend, vergab er den beiden. Von soviel Großmut beeindruckt, schwor der Seuchengott, sich keinem Haus mit Cheoyongs Konterfeit an der Tür zu nähern.
Vierteiliger Wandschirm mit Strauchpfingstrosen. 19. bis frühes 20. Jh.; Tusche und Farbe auf Seide. 272 × 122,5 cm (je Paneel). Nationales Palastmuseum. Strauchpfingstrosen gelten seit alter Zeit als Symbol für Reichtum und Ehre. Als beliebtes Kunstmotiv zieren sie auch Möbel und Kleidungsstücke. Wandschirme mit Strauchpfingstrosen bestehen meist aus sechs bis acht Paneelen. Sie schmücken Innenräume und werden oft bei Hochzeitszeremonien verwendet.
Ursprung und Symbolik
Der Beginn der Volksmalerei Minhwa lässt sich zwar schon auf prähistorische Felszeichnungen zurückführen, aber die Darstellungen von Cheoyong sind die ersten, die sich in schriftlichen Quellen finden. Auch Cheoyongs Art und Weise, den Seuchengott zu vertreiben, ist bemerkenswert. Statt sich zum Schaudern furchterregend zu gebärden, bringt er den bösen Gott mit mildem Edelmut dazu, sich zu verflüchtigen.
In der Joseon-Zeit (1392-1910) waren auch Abbildungen von Drachen und Tigern am Hauseingang beliebt. Am ersten Tag des neuen Mondjahres wurde auf die eine Seite der Eingangstür das Bild eines Drachen und auf die andere das eines Tigers geklebt. Der Tiger sollte böse Geister, die dem Haushalt schaden könnten, abwehren, der Drache Segen bringende Geister anziehen. Sie brachten also ein und denselben Zweck unterschiedlich zum Ausdruck: auf magische Weise Frieden und Glück in der Familie bewahren.
Mit der Entwicklung des Handels im 19. Jh. stieg in allen Schichten der Gesellschaft die Nachfrage nach Volksmalereien, wodurch sich die Palette von Minhwa-Motiven und Darstellungsweisen erweiterte. Augenfällig ist dabei, dass der Wunsch nach Glück durch bestimmte Bildmotive ausgedrückt wurde. Dies veranlasste den japanischen Kunsthistoriker Fumikazu Kishi, Professor an der Doshisha University, vorzuschlagen, Minhwa als „Bilder des Glücks“ zu bezeichnen.
Ähnliche Charakteristika wie bei den Joseon-Minhwa finden sich in den Volksmalereien anderer ostasiatischer Länder, wie China, Japan und Vietnam. Diese Kunstwerke, die meist chinesische Schriftzeichen enthalten, drücken die üblichen Wünsche nach Glück, Erfolg und Langlebigkeit aus. So symbolisieren z.B. Strauchpfingstrosen, Lotusblumen, Drachen, Bonghwang (mythischer Wundervogel) und Fledermäuse Glück; Wassermelonen, Granatäpfel, Trauben und Lotussamen stehen für den Wunsch nach zahlreichen Söhnen; Silber-Brandschopf, Pfauenschwanz, Bücher und Karpfen sind Ausdruck des Wunsches nach Erfolg, während Bambus, Kraniche, Sonne, Mond, Schildkröten, Hirsche und der Pilz der Unsterblichkeit für Langlebigkeit stehen. Diese allen Volksmalereien Ostasiens gemeinsame Eigenheit unterscheidet sie von westlichen Malereien, die nicht nur Glück thematisieren, sondern auch Liebe, Angst und Tod.
Die Strauchpfingstrose als Symbol für Reichtum und Adel stammt aus der Schrift Rechtfertigung meiner Vorliebe für Lotusblumen von Zhou Dunyi, einem bekannten neokonfuzianischen Philosophen der Nördlichen Song-Dynastie. In diesem chinesischen Gedicht wird die Strauchpfingstrose als „Mann des großen Reichtums“, die Chrysantheme als „Eremit unter den Blumen“ und der Lotus als „Edelmann“ beschrieben.
Im Joseon-Reich war die Pfingstrosen-Symbolik jedoch nicht akzeptabel. Der von den Joseon-Literaten verehrte Konfuzius hatte nämlich gesagt: „Gewöhnliche Speise zur Nahrung, Wasser als Trank und den gebogenen Arm als Kissen: auch dabei kann man fröhlich sein; aber ungerechter Reichtum und Ehren dazu sind für mich nur flüchtige Wolken.“ Daher hielten Joseon-Gelehrte es für beschämend, über Dinge wie weltlichen Reichtum und Ehre zu sprechen.
Die Maske von Cheoyong, Sohn des Drachenkönigs, trägt einen mit Strauchpfingstrosen und Pfirsichen geschmückten Hut. Illustrationen von Maske und Kostüm, die beim Tanz von Cheoyong getragen werden, sind in Band 9 des 1493 von der Königlichen Musikakademie des Joseon-Reiches veröffentlichten Kanons der Musik (Akhak gwebeom) zu sehen.
Chaekgeori. 19. Jh., Tusche und Farbe auf Papier. 45,3 × 32,3 cm. Privatsammlung. Charakteristisch für Chaekgeori-Malereien sind die Glückssymbole: Bücher stehen für Erfolg, eine Wassermelone für zahlreiche männliche Nachkommen, ein Pfirsich für Langlebigkeit und eine Lotusblüte für Glück.
Konfuzianische Tugenden
Das 19. Jh. brachte einen radikalen Wandel: Die Strauchpfingstrose wurden zum beliebtesten Blumenmotiv der Malerei. In der Hoffnung, das Zuhause in einen Hort des Glücks zu verwandeln, wurden prachtvolle, mit Pfingstrosen geschmückte Paravents aufgestellt, bei festlichen Anlässen bildeten sie eine Glanz und Stimmung der Veranstaltung unterstreichende Kulisse. Es scheint, dass die konfuzianischen Gelehrten die Dinge realistischer zu sehen begannen, als das Joseon-Reich die Invasionen der Japaner (1592-1598) und danach der Mongolen (1627, 1636-1637) zurückschlagen musste. Diejenigen, die die würdevoll-feierlichen Tugenden betont und sich philosophischen Debatten gewidmet hatten, wurden sich nun realistischerer Wünsche materieller Art bewusst. Die Joseon-Gesellschaft schloss sich dem „Streben nach Glück“ einen Schritt hinterherhinkend an, wünschte es sich dann aber noch viel inbrünstiger herbei als andere ostasiatische Völker.
Doch Minhwa konnte sich nicht vollständig von der konfuzianischen Ideologie befreien. Es wurde immer noch im Rahmen konfuzianischer Modalitäten um Glück gebetet, die Volksmalerei bot dafür neue Ausdrucksmöglichkeiten. Ein typisches Beispiel ist Munja-do (Schriftzeichen-Malerei). Auch in anderen Ländern Ostasiens waren ideographische Darstellungen chinesischer Schriftzeichen mit verheißungsvollen Bedeutungen wie Glück, Erfolg und Langlebigkeit populär, aber allein in Joseon wurden die acht Tugenden des Konfuzianismus – kindliche Pietät, brüderlich-nachbarliche Zuwendung, Loyalität, Vertrauenswürdigkeit, soziale und rituelle Umgangsformen, Gerechtigkeit, Integrität und Schamgefühl – weiterhin hochgeschätzt.
Im Laufe der Zeit schwanden die in der Schriftzeichen-Malerei enthaltenen konfuzianischen Ideale allmählich und ideographische Darstellungen von Blumen und Vögeln kamen auf. Dies sorgte für das sonderbare Phänomen, dass die Malereien nach außen hin konventionelle Tugenden propagierten, aber voller Symbolik für die profanen Wünsche nach Glück waren. In diesem Sinne kommt den ideographischen Malereien die besondere Bedeutung zu, dass in ihnen die konfuzianische Ethikgrundsätze verkörpernde Symbolik nicht mehr als Unterdrückungsmechanismen des weltlichen Verlangens, sondern als Symbolik für die Erfüllung des Verlangens nach Glück fungierte.
Mit der Entwicklung des Handels im 19. Jh. stieg in allen Schichten der Gesellschaft die Nachfrage nach Volksmalereien, wodurch sich die Palette von Minhwa-Motiven und Darstellungsweisen erweiterte.
Drache und Tiger (Detail). 19. Jh., Tusche und Farbe auf Papier. Jeweils 98,5 × 59 cm. Privatsammlung. Der Drache soll böse Geister verjagen können. Im Buddhismus galt er als Hüter des Dharma, der kosmischen Ordnung und Gesetze, was ihn zu einem beliebten Motiv der Tempelkunst machte. Hier ein Ausschnitt aus einem Wandschirm mit zwei Paneelen. Die zweite Paneele schmückt ein Tiger. Die Tiere wirken eher ergötzlich als furchterregend.
Heitere Stimmung
Den Wunsch nach Glück reflektierend, vermitteln Minhwa mit ihren hellen Farben und ihrem Sinn für Humor eine heitere Stimmung. Sie beglücken nicht nur mit der in ihnen enthaltenen Symbolik, sondern auch durch die Helle und Leichtigkeit der Darstellung an sich.
Im späten 19. Jh. stand Joseon vor politischen und wirtschaftlichen Herausforderungen. Als die westlichen Mächte wie Russland, die USA, Großbritannien und Frankreich in Joseons Gewässer eindrangen, ging das Reich seinem Untergang entgegen und geriet schließlich unter japanische Kolonialherrschaft. Aber seltsamerweise sind Minhwa aus dieser finsteren Zeit fast frei von düsteren Spuren und wirken eher heiter und frohgemut. Sie vermitteln das Bestreben der Menschen von damals, Widrigkeiten mit einer positiven Einstellung zu überwinden. Damit sind sie „Bilder des Glücks aus einer düsteren Geschichte“.
Überraschenderweise reitet die Volksmalerei der Joseon-Zeit auf einer Retro-Welle und ist wieder beliebt. Das Malen traditioneller Minhwa begann als Zeitvertreib für Frauen, entwickelt sich derzeit aber zu einem regelrechten Genre zeitgenössischer Kunst. Mit dem raschen Anstieg der Zahl der Minhwa-Künstler und der daraus resultierenden Entwicklung moderner Minhwa erlebt diese Kunstgattung eine zweite Blütezeit.
Hauptgrund für die Renaissance ist sicherlich die Erkenntnis, dass diese Volksmalereien uns Glück schenken. Ihr Ursprung mag zwar in schamanistischen Vorstellungen liegen, aber von diesen hellen, fröhlichen Bildern geht eine heilende Energie aus. Die schönste „Tugend“ der Minhwa ist ihre ansteckende positive Kraft.