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Features

2021 SUMMER

Feministische Narrative: Eine neue Welle in der koreanischen Filmszene

AUF DEM KAMM EINER NEUEN WELLE

In der gut ein Jahrhundert alten koreanischen Filmgeschichte waren Frauen sowohl vor als auch hinter der Kamera eher marginale Erscheinungen. Derzeit erlangt aber eine Schar von Regisseurinnen für Produktionen, die ihre eigenen Perspektiven auf die Welt bieten, Anerkennung. Yim Soon-rye, Byun Young-joo, Jeong Jae-eun, Kim Cho-hee, Kim Bo-ra – das sind nur einige prominente Namen, die an der Spitze dieser Welle stehen.

YIM SOON-RYE : Suche nach Berührungspunkten

Yim Soon-rye blickt auf eine lange, erfolgreiche Karriere als Regisseurin zurück, einen Beruf, den nur wenige Frauen in Korea ergreifen. Yim ist eine aktive Verfechterin von Frauen in der Filmindustrie und hat ihre Position als Symbolfigur der Branche ausgebaut.

Regisseurin Yim Soon-rye und ihr Produktionsteam bei den Dreharbeiten für Little Forest. Yim debütierte 1994 mit dem Kurzfilm Promenade in the Rain. Sie ist die sechste Regisseurin in der Geschichte des koreanischen Films.

 

Forever the Moment aus dem Jahr 2008 basiert auf der wahren Geschichte der koreanischen Handballnationalmannschaft der Frauen und ihrer beeindruckenden Leistung bei den Olympischen Sommerspielen 2004 in Athen. Der Film, ein überraschender Kassenschlager, katapultierte Yim ins Rampenlicht der Öffentlichkeit.

Derzeit ist Yim mit der Postproduktion ihres neu¬esten Werks The Point Men beschäftigt. Der Film, der von einem Diplomaten und einem Spezialagenten handelt, deren Auftrag die Befreiung der im Nahen Osten entführten Koreaner war, basiert auf der authentischen Geschichte christlicher koreanischer Missio¬nare, die 2007 in Afghanistan als Geiseln genommen wur¬den. Trotz der unerwarteten COVID-19-Situation konnten im letzten Jahr wichtige Szenen in Jordanien gefilmt wer¬den. Yims Worten nach lief alles so glatt, dass sie sich frag¬te, ob sie nicht „das ganze Glück des Films für die Drehar¬beiten im Ausland aufgebraucht habe“.

Der Action-Krimi weicht von ihren früheren Arbeiten ab: Mit männlichen Star-Schauspielern in den Hauptrollen, bestanden für sie bei diesem Film vergleichsweise wenige Gelegenheiten, eine feministische Perspektive zu entfalten. Yim meint aber: „Egal, was für Filme ich produziere, hüte ich mich davor, bei der Gestaltung der Charaktere die Pers¬pektiven aus meinen früheren Werken zu übernehmen. Das gilt auch für diese Produktion.“

Yims Filmografie ist für ihre Diversität bekannt: Ihr Spielfilmdebüt Three Friends (1996) handelt von drei jun¬gen Männern, die nach ihrem Oberschulabschluss auf gesellschaftliche Barrieren stoßen; Waikiki Brothers (2001) wirft einen Blick auf das harte Leben von Bandmusikern, die von einem Nachtclub-Gig zum anderen ziehen; For-ever the Moment (2008) basiert auf der wahren Geschichte der koreanischen Frauen-Handballnationalmannschaft; The Whistleblower (2014) behandelt die tatsächlichen Begeben¬heiten in Bezug auf den Stammzellbetrug eines südkorea-nischen Klonforschers aus einer neuen Perspektive; Little Forest (2018) ist ein bukolisches Werk rund um eine junge Frau in den Zwanzigern, die in ihren Heimatort auf dem Land zurückkehrt, um fernab vom Trubel der Stadt einen Neuanfang zu wagen. Yims Werke sind so facettenreich, dass schwer zu glauben ist, dass sie von ein und dersel¬ben Person geschaffen wurden. Sie wirkte z. B. auch an der Produktion von mehreren Filmen im Rahmen des Human Rights Movie Project mit.

Seit Promenade in the Rain, der beim Seoul International Short Film Festival 1994 mit dem Hauptpreis ausgezeichnet wurde, gewann Yims Filmwelt ständig an Tiefe und Breite – ein Ergebnis ihrer unermüdlichen Suche nach Berührungs¬punkten zwischen den von ihr angestrebten Filmen und dem Publikum. Ihrer Meinung nach ist es zwar wichtig, Filme von einem bestimmtem Standard zu schaffen, dabei sollte aber der Popularitätsaspekt nicht ganz außer Acht gelassen werden.

„Meine ersten beiden Filme Three Friends und Wai¬kiki Brothers kamen zusammen nur auf knapp 150.000 Zuschauer. Deswegen habe ich bei Forever the Moment ver¬sucht, den kommerziellen Erfolg zu berücksichtigen. Seit¬dem habe ich stets eine Balance zwischen Botschaft und Publikumswirksamkeit angestrebt. Ein Film sollte zumin¬dest die Produktionskosten für den nächsten einspielen kön¬nen.“

Forever the Moment, bei dem sie bewusst große potentiel¬le Rückschläge umschiffte, gilt bis heute als das wichtigste Werk ihrer Filmographie. Mit Handball, einer unbeliebten Sportart, als Thema sowie einer Mutter und einer geschie¬denen Frau als Protagonistinnen startete der Film quasi etwas Handicap-beladen, konnte aber trotzdem mit über vier Millionen Zuschauern einen Kassenerfolg verbuchen. Yim schreibt dieses Ergebnis allein der akribischen Planung von Produzentin Shim Jae-myung (alias Jamie Shim) zu, CEO der Filmproduktions- und Distributionsgesellschaft Myung Films.

Als Gründungsmitglieder des Vereins Women In Film Korea haben beide Pionierarbeit geleistet, um die Rechte und Interessen von Frauen in der Filmindustrie zu schüt¬zen. „1999, beim Busan International Film Festival, kamen einige Filmemacherinnen zusammen – neben mir auch Shim Jae-myung und die Regisseurin Byun Young-joo – und brachten die Idee auf“, sagt Yim. „Wir waren uns einig, dass sich die Frauen zusammenschließen müssten, um ihre Rechte zu vertreten, aber dass es noch notwendiger sei, Nachwuchs-Filmemacherinnen die Türen für neue Möglich-keiten zu öffnen. Daher schlugen wir die Gründung einer Organisation vor.“

Seit ihrer Einrichtung im April 2000 hat Women in Film Korea verschiedene Aktivitäten durchgeführt: Der Verein hat ein Lexikon der Filmemacherinnen herausgebracht, den Dokumentarfilm Keeping the Vision Alive – Women in Kore¬an Filmmaking (2001) produziert und veranstaltet jeweils zum Jahresende ein Festival für Cineastinnen.

Wie sieht Yim, die bislang so hervorragend wie kaum eine andere „überlebt“ hat und immer noch aktiv ist, die koreani¬sche Filmszene von heute?

„Besonders erfreulich finde ich die Sensibilität der jungen Regisseurinnen, die zurzeit im Rampenlicht stehen, und die von ihnen geschaffenen Geschichten. Es gibt zwar immer noch Einschränkungen, weil sich ihre Bemühungen nicht so schnell in größeren Chancen niederschlagen, aber in den letzten ein, zwei Jahren sind die Produktionen insgesamt vielfältiger und freier geworden.“

Sie fügt hinzu, dass immer noch eine gewisse Ablehnung gegenüber feministischen Filmen bestehe, die sich z. B. darin äußere, dass „Männer absichtlich niedrigere Bewer¬tungen für Kinofilme mit feministischen Themen verge¬ben. Doch der Zuwachs des OTT-Streaming-Marktes dürfte Regisseurinnen mehr neue Möglichkeiten gewähren.“ Sie fährt fort: „Ich möchte Filme sehen und machen, in denen Charaktere unabhängig von ihrem Geschlecht als Menschen mit eigener Persönlichkeit ein furcht- und angstfreies All¬tagsleben führen.“ Das ist das Bild der Gesellschaft, von der sie träumt.

Lee Eun-sun Filmjournalistin

BYUN YOUNG-JOO : Filmemacherin mit begeistertem Fandom

Schon in den 1990er Jahren, lange bevor sie in TV-Unterhaltungsprogrammen durch ihre offene und unverblümte Art auffiel, machte sich Byun Young-joo einen Namen als feministische Regisseurin. Eher ungewöhnlich für eine in den 1960er Jahren geborene Filmemacherin, hat sie eine solide Fangemeinde um sich geschart

Regisseurin Byun Young-joo während eines Interviews in einem Café in Yeonhui-dong, Seoul. Sie startete ihre Karriere in den 1990er Jahren mit einer Doku-Trilogie über die von den Japanern im Zweiten Weltkrieg zur Prostitution gezwungenen „Trostfrauen“. © Han Sang-mooh

2. Für ihren Psychothriller Helpless (2012) gewann Byun bei den 48. Baeksang Arts Awards den Preis für die beste Regie, Kim Min-hee wurde bei den 21st Buil Film Awards als beste Schauspielerin ausgezeichnet. ⓒ CJ ENM

Mit einer Reihe von Filmen unter ihrer Regie gilt Byun Young-joo als namhafte Veteranin unter den Regisseurinnen: Erwähnt sei die Doku-Trilogie The Murmuring (1995), Habitual Sadness (1997) und My Own Breathing (1999), die der Geschichte der koreanischen „Trostfrauen“, junger Mädchen, die wäh¬rend des Zweiten Weltkriegs von der Kaiserlichen Japani¬schen Armee zur Zwangsprostitution gezwungen wurden, nachspürt; Ardor (2002), der die gefährlichen Begierden einer verheirateten Frau mittleren Alters schildert; Flying Boys (2004), ein Coming-of-age-Film über eine Gruppe von Oberschülern; und Helpless (2012), ein Psychothriller über eine junge Frau, die die Identität einer anderen stiehlt, um ihre eigene Vergangenheit zu verbergen und ihrem Leben eine Wende zu geben.

Ihre Doku-Trilogie The Murmuring sorgte auf renom¬mierten ausländischen Filmfestspielen für Furore.
Nach der Premiere 1995 hörte ich oft: „Ich habe den Film zwar noch nicht gesehen, aber ich respektiere Sie sehr.“ Landesweit wurden nur 4.800 Eintrittskarten verkauft. Eini¬ge Journalisten verfassten Rezensionen, ohne den Film überhaupt gesehen zu haben, weil sie dachten, dass sie eh schon alle Geschichten der Trostfrauen-Großmütter kennen würden. Wenn einige der älteren KollegInnen, die sich die erste Folge angesehen hatten, kritische Meinungen abgaben, dachte ich zunächst wütend bei mir: Wie könnt ihr sowas behaupten, ohne zu wissen, wieviel Mühe es mich gekostet hat! Aber dann grübelte ich über das Gesagte nach und habe bei den weiteren Folgen neue Ansätze verfolgt, indem ich z. B. die Großmütter einander interviewen ließ.“

Diese Doku-Trilogie wurde stärker im Ausland mit posi¬tiven Kritiken bedacht als in der Heimat. In Korea interes¬sierte man sich nur dafür, dass die Trostfrauenfrage thema¬tisiert wurde. Ich hatte nie vor, Filme für eine gute Sache zu machen, weshalb ich das Gefühl hatte, für etwas anderes als meine Filme ins Rampenlicht gestellt zu werden, und ein¬fach nur noch weglaufen wollte. Ich hatte diese Zeit kom¬plett aus meinem Gedächtnis getilgt, bis mir dann eines Tages ein Regisseur vorwarf: „Warum teilen Sie Ihr Know-how von der Produktion bis hin zur Distribution nicht mit jüngeren Filmemachern?“ Da tat es mir sehr leid. Seitdem engagiere ich mich nach Kräften für die Förderung der Indie-Film-Szene.

Ardor, Ihr erster Spielfilm, enthält eine Szene, in der eine Hausfrau in den Dreißigern lieblosen Sex mit ihrem Nachbarn hat, nachdem sie vom Seitensprung ihres Mannes erfuhr. Sie hätten da mit Kontroversen rechnen können.
Als sich herumsprach, dass ich einen Spielfilm machen wollte, wurde ich mit Vorschlägen für Trostfrauenfil¬me überflutet, die ich aber alle ablehnte. Meine zehnjäh¬rige Karriere als Independent-Filmemacherin hing wie ein Mühlstein an meinem Hals und ich wollte einen Film machen, den die Leute sich einfach ansehen wollen würden, ganz unabhängig von ihrer Kritik oder ihrem Lob hinterher.

Sie dürften sich viele Gedanken darüber gemacht haben, wie die Frau in der Sexszene dargestellt werden sollte.
Ich fand es wichtig, den weiblichen Narrativen in A Spe¬cial Day that Comes Only Once in My Life, dem Original¬roman von Jon Kyong-nin, voll und ganz zu entsprechen. Im Nachhinein bedauere ich am meisten, dass ich mir bei der Konzipierung der Sexszene zu viele Gedanken darüber gemacht habe, was ich nicht zeigen durfte, statt zu überle¬gen, wie ich es eigentlich darstellen wollte. Daher hat die Sexszene etwas „Defensives“.
Seitdem habe ich mir selbst ständig Fragen gestellt und dabei ist mir klar geworden, dass es besser gewesen wäre, das, was ich wollte, auszudrücken, anstatt darüber nach¬zudenken, was mir verboten war. Ich muss zuerst darüber nachdenken, was ich tun will, und mich dann fragen, ob es okay ist, aber damals war ich dazu nicht in der Lage.

Zwischen Flying Boys und Helpless gibt es eine ziemli¬che Lücke.
Ich bin ein leidenschaftlicher Fan von Genreromanen und Genrefilmen. Nach der Produktion von Flying Boys habe ich mich gefragt: Warum ist das, was ich mag, anders als das, was ich mache? Eines Tages las ich auf einer Reise nach Gyeongju All She Was Worth von der japanischen Autorin Miyuki Miyabe und kaufte später die Urheberrech¬te. Meine Filmadaption Helpless fokussiert auf die Frage, wie aus einer gewöhnlichen Frau ein unpersönliches Wesen werden kann. Damals riet mir ein Produzent, der mit mir zusammenarbeitete: „Versuch nicht mit aller Gewalt, eine inhaltsreiche Botschaft oder irgendeine Moral einzuar¬beiten. Das wird unbewusst auf den Film projiziert.“ Wäh¬rend der Dreharbeiten verstand ich, was er damit meinte.

Sie sind also der Ansicht, dass ein gutes feministisches Narrativ oder gute weibliche Charaktere nicht unbe¬dingt politisch korrekt sein müssen
In Filmen sollten noch mehr weibliche Charaktere – egal ob passiv oder aktiv – mit eigenständigen Narrativen vorkommen und zwar unabhängig davon, wie viel Lein¬wandzeit ihnen zugestanden wird. Ich habe kein Problem mit passiven weiblichen Charakteren an sich, aber es gibt einfach zu viele Filme, in denen Frauen als bloße Objek¬te behandelt werden und ihnen keine richtige Rolle zuge¬wiesen wird. Unabhängig vom Geschlecht der Regisseure muss es ein vielfältigeres Spektrum an Frauengeschichten geben.

Im Soo-yeon Journalistin, Cine21

JEONG JAE-EUN : Wie Schmerz ausgedrückt werden kann

Jeong Jae-euns Spielfilmdebüt Take Care of My Cat (2001) kam lange vor dem Boom der Frauennarrative im koreanischen Kino. Allein schon das sichert ihr einen Platz in der Riege weiblicher Regisseure.

Regisseurin Jeong Jae-eun beim Posieren während eines Zeitschrifteninterviews nach der Veröffentlichung ihres Dokumentarfilms Talking Architecture, City: Hall (2013), der den Bau des neuen Seouler Rathauses unter die Lupe nimmt. © Cine21

Wie eine Nachwuchsregisseurin einmal sagte, „dürfte es unter den Filmstudentinnen keine einzige geben, die nicht von Take Care of My Cat beeinflusst wurde“. Und tatsächlich haben sich die füh¬renden koreanischen Regisseurinnen von heute dieses Werk angesehen und von der Zukunft geträumt. Der Coming-of- Age-Film erfasst feinfühlig die Wachstumsschmerzen, die fünf junge Frauen ein Jahr nach ihrem Oberschulabschluss in der Gesellschaft durchmachen.

Um den Film, der bei seiner Erstveröffentlichung ein Kas¬senflop war, wieder in die Kinos zu bringen, starteten eini¬ge treue Fans eine Kampagne für eine Wiederaufführung. Außerdem wurde er zu internationalen Filmfestivals, darun¬ter dem International Film Festival Rotterdam (IFFR) und den Internationalen Filmfestspielen Berlin eingeladen, wo er viel Zuspruch fand. The Guardian wählte ihn unter die 20 Klassiker des modernen koreanischen Kinos. Anlässlich des 20-jährigen Jubiläums arbeitet die Regisseurin an einer remasterten Wiederveröffentlichung des Films.

Was brachte Sie dazu, in Ihrem ersten Spielfilm die Geschichten von 20-jährigen Frauen zu erzählen?
Nachdem ich einen Kurzfilm über eine Grundschülerin und dann einen über eine Oberschülerin gemacht hatte, war das eine völlig natürliche Sache. Wenn ich heute darauf zurückblicke, grenzte der Film an sich an ein Wunder. Er war wohl nur deshalb machbar, weil zu der Zeit in der kore-anischen Filmbranche Experimente begrüßt wurden und das Interesse an jungen Frauenfiguren aufgrund der Fernseh¬werbung für Mobiltelefone zunahm.

Obwohl der Film keine großen Kassenerfolge erzielte, wurde er von treuen Fans unterstützt. Welche Zuschau¬er mochten Ihren Film besonders?
Die Zuschauerschaft war gemischt, aber zum Zeitpunkt der Uraufführung gab es tatsächlich mehr männliche Fans. Damals hatten Männer keine so ausgeprägt feindselige Hal¬tung gegenüber feministischen Filmen wie es heutzutage manchmal der Fall ist. Ich glaube, das männliche Publikum fühlte sich eher in die Situation der Protagonistinnen ein. Umgekehrt dürften viele Frauen kaum Lust verspürt haben, sich die Realität, die ihren Alltag ausmachte, auch noch auf der Leinwand anzuschauen.

Waren die Fans, die diesen Film mochten, von The Aggressives (2005), Ihrem nächsten Werk mit männli¬chen Hauptfiguren, dann nicht enttäuscht?
Ich war recht perplex, als einige mich fragten, warum ich eine Männergeschichte behandele. Auch Regisseurinnen sollten Männer angemessen darstellen können, das Glei¬che gilt umgekehrt. Ich glaube nicht, dass Regisseurinnen Hauptrollen nur mit Schauspielerinnen besetzen und nur aus weiblichen Narrativen Filme machen sollten. In den Filmen, die ich mir als Heranwachsende ansah, traten zwar viele Frauen auf, aber die weiblichen Charaktere, die von männlichen Regisseuren präsentiert wurden, befanden sich meist physisch oder sexuell in schmerzlichen Situationen. Dem könnte die bewusste Absicht zugrunde gelegen haben, beim Publikum durch eine realitätsnahe Darstellung rohen Schmerzes Gefühle hervorzurufen. Aber ich selbst möch¬te im Schmerz gefangene Charaktere nicht in ihrer Rohheit darstellen. Daher versuche ich, nicht ins Extreme zu gehen, wenn ich Leiden oder Verlangen einer Figur darstelle.

 

Eine Szene aus Take Care of My Cat (2001), der sich mit den zunehmenden Qualen von fünf jungen Frauen auseinandersetzt, die nach Abschluss einer berufsbildenden Oberschule versuchen, ihren Weg in der Welt zu finden. Der Film gilt als erster weiblicher Coming-of-Age-Film des koreanischen Kinos.ⓒ CJ ENM

Kürzlich inszenierten Sie im Rahmen des KBS Archi¬ve Project die Episode Beast in der Doku-Serie Modern Korea. Wie kam es zu dieser Kolloboration?
KBS fragte mich, ob ich nicht daran interessiert sei, eine Geschichte über Frauen zu erzählen. Bis dahin standen alle Episoden von Modern Korea unter männlicher Regie. Bedenkt man die Strömung der Zeit, wollte man wohl eine Geschichte über Frauen, erzählt unter der Regie einer Frau. Als ich die KBS-Archive durchforstete, war ich erstaunt, wie groß der Anteil der für Männer mittleren Alters konzi¬pierten Contents war. Die meisten Sendungen fürs weibli¬che Publikum richteten sich an Hausfrauen und spiegelten den stereotypen Umgang der Gesellschaft mit Frauen unkri¬tisch wider. Es war sehr schwer, etwas über das Frauen¬bild, nach dem ich suchte, zu finden. Daher nutzte ich viele Videomaterialien aus Fernsehserien.

1992 ermordete eine Studentin einen Mann, der sie seit ihrer Kindheit vergewaltigt hatte. Beast erzählt ihre Geschichte. Ich schnitt Szenen aus verschiedenen TV-Serien zusammen, um die Wut, die in ihr aufwallte und sie zum zum Morden trieb, szenisch umzusetzen. Männer in ihren 40ern bis in ihre 60er waren das Hauptpublikum von Modern Korea gewesen, aber Beast sprach auch junge weibliche Zuschauer an.

Was hielten Sie von den TV-Serien, die Sie sich für die Doku-Produktion ansahen?
Bis Mitte der 1990er Jahre herrschten in den koreani¬schen TV-Serien klischeehafte Narrative vor. Erzählt wurde z. B. von einer Tochter aus einer armen Familie, die von den Eltern ausgenutzt wird, oder einer Frau, auf die der CEO ein Auge wirft. Die Kamera war nur so davon beses¬sen, den Schmerz dieser unglücklichen Frauen einzufangen. Vergewaltigung oder sexuelle Belästigung wurden allzu optisch ansprechend dargestellt. Warum muss der Schmerz einer Frau zum Augenschmaus werden? Nach der Teilnah¬me an Modern Korea denke ich intensiver darüber nach, bis zu welchem Grade das Leiden der Frauen auf der Leinwand dargestellt werden sollte.

Im Soo-yeon Journalistin, Cine21

KIM CHO-HEE : Das Glück der Selbstbefreiung

Lucky Chan-sil, Kim Cho-hees Debütfim von 2019, porträtiert Chan-sil, eine heitere, ledige Frau in ihren 40ern, die Dialekt spricht und plötzlich arbeitslos wird. Diese Protagonistin ähnelt irgendwie der Regisseurin.

Regisseurin Kim Cho-hee im Gespräch mit Schauspielern bei den Dreharbeiten für den Film Lucky Chan-sil, der auf ihren eigenen Erfahrungen als Filmproduzentin beruht. Die beschwingte Komödie war nicht nur qualitätsmäßig hochwertig, sondern kam auch gut beim Publikum an. © Challan Film

Es gibt bestimmte Typen von Menschen, denen man in der Realität zwar oft begegnet, aber die man kaum je als Hauptfiguren auf der Leinwand sieht. Chan-sil ist ein Musterbeispiel dafür: Sie ist in den 40ern, ohne Mann und Kind und seit Kurzem arbeitslos. Was für eine Geschichte könnte man über eine Frau wie sie überhaupt erzählen?

Lucky Chan-sil brachte solche Vorurteile mit leichter Sati¬re auf den Punkt. Der Film beginnt damit, dass die Film¬produzentin Chan-sil plötzlich arbeitslos wird. Statt zu resignieren, beginnt sie, bei einer jungen, gut befreunde¬ten Schauspielerin als Haushaltshilfe zu arbeiten. Neben¬bei erlebt sie, die noch nie einen Freund hatte, eine kleine Romanze.

Chan-sil ist das Alter Ego der Regisseurin. Sie erklärt: „Ich schrieb die Art von Geschichte, in der ich am besten bin, daraus ist dann diese Figur geworden.“ Ihre Filmkarrie¬re begann, als sie während des Studiums der Filmtheorie an der Université Paris 1 Panthéon-Sorbonne als Produktions¬assistentin für Night and Day (2008) von Regisseur Hong Sang-soo arbeitete. Danach kollaborierte sie mehrere Jahre lang als Produzentin mit Hong, wurde dann aber plötz¬lich arbeitslos und verlor etwas die Richtung. Doch sie riss sich wieder zusammen und schrieb das Drehbuch für Lucky Chan-sil.

Kim sagt, sie hätte bezüglich der Reaktion auf den Film eine große Diskrepanz zwischen Filmindustrie-Insidern einerseits und Publikum andererseits festgestellt. „Als ich das Drehbuch an potentielle Investoren verteilte, um die Finanzierung zu sichern, war der häufigste Kommentar: Das größte Problem mit dem Skript ist Chan-sil. Die Geschichte sei zu persönlich. Aber nach der Veröffentlichung liebte das Publikum diesen Charakter. Vielleicht sind die Kinogänger die am wenigsten konservative Gruppe. Sie sind bereit, den sich in aller Stille überlagerten Geschichten von Frauen auf¬merksam und offen Gehör zu schenken.“

Statt über Chan-sils säkulare Leistungen und Karriere¬erfolge zu sprechen, fokussierte Kim auf ihre Entschlossen¬heit, auf eigenen Füßen stehen zu wollen. Im Film lässt sie Chan-sil sagen: „Es ist wichtig, nicht nur von wirtschaftli¬cher Unabhängigkeit zu träumen, sondern auch von geistig-emotionaler Unabhängigkeit.“ Der Film erzählt auch über das kleine Glück im Alltag und die Wiederbelebung längst vergessener Träume.

So war ich. Bis Anfang 30 litt ich unter Leistungs- und Konkurrenzdruck, bis mir dann klar wurde, dass ich für so ein Leben nicht geschaffen war. Es wurde noch klarer, als ich meinen Job als Produzentin verlor und keine Stelle mehr fand. Ich wollte dem Publikum sagen, wie unsäglich befrei¬end es ist, sich von unerreichbaren Zielen zu lösen.“

Lucky Chan-sil kam im März 2020 heraus, als alle Kinos hart von der COVID-19-Pandemie getroffen wurden. Aber der Botschaft des Films entsprechend packte Kim den Stier bei den Hörnern. Mit an die 27.000 Zuschauern zog das Werk ein für einen Indie-Film großes Publikum an und Hauptdarstellerin Kang Mal-geum wurde auf wichti¬gen inländischen Filmfestivals mit dem Preis für die beste Nachwuchsschauspielerin ausgezeichnet.

Ein weiteres Schlüsselelement des Filmnarrativs ist die Freundschaft zwischen Chan-sil und ihrer Vermieterin, gespielt von Youn Yuh-jung. Kim lernte Youn bei den Dreh¬arbeiten zu Hong Sang-soos Hahaha (2010) kennen und pflegt seitdem enge Beziehungen mit ihr. Als Kim nach einer einjährigen Auszeit in Kanada wieder nach Korea zurückkam, drehte sie mit Unterstützung des Ulju Mountain Film Festival den Kurzfilm Ladies of the Forest (2016), in dem Youn bereitwillig ohne Gage mitspielte.

Nachdem Youn für ihre Rolle in Lee Isaac Chungs Mina¬ri (2021) mit dem Academy Award für die beste Nebendar¬stellerin ausgezeichnet wurde, wird Kim häufig nach ihren Erfahrungen mit Youn, mit der sie mehrfach zusammenar¬beitete, gefragt.

In einer Szene aus Lucky Chan-sil zieht die gerade arbeitslos gewordene Protagonistin in ein auf einem Hügel gelegenes Mietzimmer. Ihre zähes Durchhaltevermögen stieß auf warme Resonanz beim Publikum.

„Ich komme mir fast wie ihre Pressesprecherin vor, was mich etwas in Verlegenheit bringt. Ich weiß nicht, ob es mir überhaupt zusteht, über eine so bedeutende Schauspielerin zu sprechen“, meint Kim, und erzählt ohne ihre Zuneigung für die Schauspielerin zu verbergen: „Youn ist eine gewissenhafte Schauspielerin, die beweist, dass ihre Karriereerfolge nicht allein auf Glück basieren. Bei den Dreharbeiten habe ich keinen einzigen Versprecher von ihr gehört. Sie hat viele Höhen und Tiefen in ihrem Leben durchgemacht, ihrer Spielkunst liegen entsprechend gehaltvolle Einsichten zugrunde.“

Zurzeit ist Kim mit den Vorbereitungen für ihr nächstes Werk beschäftigt, einer Liebeskomödie über einen Mann und eine Frau mit leichten psychischen Problemen. Sie sagt: „Ich habe das Gefühl, denselben Weg wie kommerziell orientierte Regisseure zu gehen.“ Das bedeutet, dass auf die Fertigstellung der Drehbuch-Rohfassung der anstrengende Prozess unzähliger Feedbacks und Überarbeitungen folgt, der sich bis zur Endfassung über Jahre hinziehen kann. Kim meint: „Ich bevorzuge Filme, die die Einstellung des Regisseurs andeuten, vor solchen mit reinem Unterhal¬tungswert.“

Lee Eun-sun Filmjournalistin

Kim Bo-ra: Persönliche Geschichten beleuchten ein Zeitalter

House of Hummingbird, der 2019 veröffentlichte Debütfilm von Kim Bo-ra, demonstriert, dass durch die persönliche Geschichte eines Individuums ein Zeitalter und die Aspekte seiner Gesellschaft beleuchtet werden können. Der Film erhielt auf Filmfestivals im In- und Ausland über 60 Auszeichnungen und katapultierte die Regisseurin ins Rampenlicht.

Während eines Interviews im Jahr 2019 sagte Kim, sie habe House of Hummingbird als einen „Brief aus dem Jahr 1994“ an die Menschen von heute konzipiert. © Jang Sung-yong

Regisseurin Kim Bo-ras Debütfilm House of Hummingbird blickt anhand der Geschichte der 14-jährigen Eun-hee zurück auf die Vergangenheit. © ATNINE FILM CO., LTD; EPIPHANY FILM; MASS ORNAMENT FILMS

Der Film spielt 1994, einem Jahr der dramati¬schen Ereignisse, darunter der Tod des nord-koreanischen Führers Kim Il-sung und der Ein¬sturz der Seongsu-Brücke in Seoul. Die Welt, betrachtet mit den Augen der 14-jährigen Mittelschülerin Eun-hee, ist ein Geflecht vielschichtiger Dynamiken, die von familiären Konflikten bis hin zu Arbeitsfragen reichen. Die Regisseu¬rin zeichnet die Mittelschülerin dabei bewusst als „Mensch mit komplexen Emotionen.“

Mit welchen Schwierigkeiten hatten Sie bei der Por¬duktion Ihres Debütwerks House of Hummingbird zu kämpfen?
Mit Drehbuch und Produktionsentwurf habe ich acht, neun Investoren aufgesucht. Von den meisten bekam ich zu hören, dass ein Film mit einer Mittelschülerin als Protago¬nisten ein hoffnungsloses Unterfangen sei. Außerdem frag¬ten mich viele, ob denn der Einsturz der Seongsu-Brücke wirklich so wichtig sei, dass ich ihn unbedingt als Zeithin¬tergrund nutzen müsse.

Warum musste es denn eine Mittelschülerin sein?
Das „Syndrom des zweiten Mittelschuljahrgangs“, auch als „Achtklässlersyndrom“ bekannt, ist ein universelles Phänomen und meint den geistigen Zustand, sich selbst zu überschätzen und cool aussehen zu wollen. Es tritt im Alter von 14, 15 Jahren auf, wenn man kein Kind mehr, aber auch noch kein Erwachsener ist und gerade damit beginnt, seine Augen für die Welt zu öffnen. Als Mittelschüler wird man dermaßen mit neuen Informationen überflutet, dass man nicht alle vollständig verdauen kann, und sich nur noch orientierungslos und verloren fühlt. Als Oberschü-ler legt man sich dann im Zuge der eigenen Sozialisierung eine „Tarnfarbe“ als Schutz zu. In den 20ern festigt sich diese Farbe als eigene Identität, in den 30ern versteinert sie. Daher war mir das Alter wichtig und eine Mittelschüle¬rin wurde Protagonistin.

Allerdings hatte ich eine klare Vorstellung davon, wie die Protagonistin NICHT sein sollte: Die Mittel- und Oberschul¬mädchen in den Filmen männlicher Regisseure werden oft sexualisiert dargestellt, sie sind meist hübsch, tragen Mini¬röcke und sind übermäßig nett gegenüber Männern mittleren Alters. Sie werden als sorglose Kinder porträtiert, die – egal, was passiert – immer gleich loskichern. Auf die Mittelschü¬lerinnen, die ich kenne, trifft das nie und nimmer zu. Die Mädchen im Mittelschulalter werden als Frauen sozialisiert und setzen sich mit Schwierigkeiten aller Arten auseinander. Wie könnten sie nur nett und naiv sein? Daher wollte ich die Schülerin in meinem Film als mehrdimensionales Wesen mit allen menschlichen Eigenschaften darstellen.Wie war die Resonanz auf internationalen Filmfestivals?
Auf der Berlinale hörte ich, dass sich House of Humming¬bird trotz seiner Länge wegen des gut gestrickten, engma¬schigen Plots nicht übermäßig lang anfühlte. Auf dem Tribe¬ca Film Festival wurde ich freudig begrüßt, weil zum ersten Mal ein von einer koreanischen Regisseurin gedrehter Spiel¬film in der Wettbewerbskategorie für besten internationalen Spielfilm nominiert wurde. 2018, als der Film auf ausländi¬schen Filmfestspielen vorgestellt wurde, strebte die Industrie im Zuge der Me-Too-Bewegung gerade eine ausgewogenere Gender-Balance an. Deswegen waren viele über diesen Film erfreut und ausländische Filmmedien stellten Werke korea¬nischer Regisseurinnen als Neue Welle des koreanischen Films vor.

Sie glauben also, dass das persönliche Narrativ eines jun¬gen Mädchens als Fenster für einen Blick auf die korea¬nische Gesellschaft und Politik dienen kann.
Es gibt Leute, die diesen Film mit Etiketten wie „Frau¬ensolidarität“ oder „Feminismus“ versehen möchten, aber daran hatte ich nicht gedacht. Feministische Elemente sind wohl auf ganz natürliche Weise in den Film eingeflossen, schließlich bin ich ja Feministin.

Die Namen zahlreicher Politiker zu kennen und über hin¬terhältige Intrigen informiert zu sein, bedeutet noch lange nicht, dass man sich auch ernsthaft für Politik interessiert. In meinem Umfeld dürften nur Frauen und Minderheiten ein „echtes“ Interesse an Politik haben. Da sie aus insti¬tutionellen und gesellschaftlichen Gründen unter Benach¬teiligungen zu leiden haben, bleibt ihnen gar keine ande¬re Wahl, als sich im Alltag mit Politik zu beschäftigen. Beginnt ein richtiges Verständnis von Politik nicht damit, dass man sich bewusst wird, wie Politik überall in unseren Alltag eindringt? Solche Überlegungen haben sich im Film wohl stark niedergeschlagen.

Finden Sie es nicht bedauerlich, dass Ihr Film als „Frauenfilm“ eingeordnet oder ihr Geschlecht betont wird?
Filme, die unter weiblicher Regie entstehen, werden oft in einen Topf geworfen, obwohl sie alle grundverschieden sind. Aber das ist zum jetzigen Zeitpunkt wohl noch unver¬meidlich. Da es bisher nur wenige Frauennarrative gab, haben wir, wenn wir Beachtung finden wollen, momentan gar keine andere Wahl, als den Unterschied zu den Männer¬narrativen hervorzuheben.

Sie wollen einen Kriegsfilm aus weiblicher Perspektive drehen. Warum?
Mit Mitte zwanzig begann ich, mich für den Krieg zu interessieren. Seitdem ich von den Gräueltaten der südko¬reanischen Soldaten im Vietnamkrieg weiß, mache ich mir Gedanken über die seltsame Position, in der sich die Frauen des Täterlandes befinden. Außerdem wurde Krieg an sich meines Erachtens in unserer Gesellschaft nicht angemessen thematisiert. Um den Grund für den Schmerz der Koreaner von heute zu verstehen, müssen wir zum Koreakrieg (1950- 1953) zurückgehen.

Sie arbeiten an dem Sci-Fi-Film Spectrum, der auf den gleichnamige Roman von Kim Cho-yeop basiert.
Unter den Sci-Fi-Filmen gibt es einerseits Filme wie Interstellar (2014), die auf wissenschaftlichen Erkenntnis¬sen basieren, andererseits Filme, die mittels dieses Genres Fragen in Bezug auf das Wesen des Menschen stellen, wie z. B. Gattaca (1998). Spektrum ist näher an Letzterem. Ich schreibe gerade am Filmskript, um 2022 mit den Dreharbei¬ten beginnen zu können.

Im Soo-yeon Journalistin, Cine21

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