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Tales of Two Koreas > 상세화면

2016 SPRING

Traum von einer
grenzfreienkoreanischen Halbinsel

Mehr als 28.000 nordkoreanische Flüchtlinge haben auf der Suche nach Freiheit oder auf der Flucht vor dem Hungerihre Heimat verlassen und sich in Südkorea angesiedelt. Darunter sind auch einige Maler. Während sie aufgrund desfortwährenden Konflikts zwischen Nord- und Südkorea ein Leben im Abseits führen, bringen sie durch ihre WerkeErinnerungen an ihre Heimatorte im Norden und den Wunsch nach Wiedervereinigung zum Ausdruck.

Zieh deine Kleider aus von Sun Mu, 2015, Öl aufLeinwand, 130cm x 190cm.

Auf den ersten Blick scheinen viele Werke deraus Nordkorea geflüchteten Künstler propagandistischeBotschaften zu enthalten, auchwenn diese etwas anderes implizieren, als es in Nordkoreader Fall sein würde. Tatsächlich musste Sun Mu(geb. 1972), ein aus Nordkorea geflüchteter Maler, dieFolgen einer solch missverständlichen Interpretationseiner Kunst erfahren: Einmal hatte er sich auf derPolizeiwache einer Befragung zu unterziehen. Das war2007 während seiner ersten Ausstellung in Südkorea,die er in einer Galerie im Seouler InnenstadtbezirkJongno-gu hielt. Eines Tages platzte ein Polizist hereinund sagte: „Kommen Sie bitte kurz mit. Wir hätten daein paar Fragen.“ Später stellte sich heraus, dass einigeAnwohner und Besucher ihn wegen „Ausstellungvon Bildern, die Nordkorea nur loben“ angezeigt hatten– ein Verstoß gegen das Nationale SicherheitsgesetzSüdkoreas. Als er 2008 an der Busan Biennale teilnahm,wurden seine Werke entfernt, weil unter ihnenein Porträt von Kim Il-sung war.

Ähnliches erlebte auch der Maler Song Byeok (geb.1969), der ebenfalls aus Nordkorea geflohen ist. ÄltereAnwohner entdeckten in Songs Atelier in einem Einkaufskomplexim wohlhabenden Seouler SüdviertelGangnam Porträts der nordkoreanischen StaatsführerKim Jong-il und Kim Jong-un und zeigten ihn an, waseinen Besuch des südkoreanischen Geheimdiensteszur Folge hatte.

Keine Linien, keine Grenzen

Selbstporträt von Sun Mu, 2009, Öl auf Leinwand,100cm x 40cm Auf dem Gemälde ist zu lesen: „Jetztbin ich schon rund zehn10 Jahre weg von dir. Ichfrage mich, wann deine Tür geöffnet wird.“

Sun Mu, der 1998 Nordkorea verließ und nach einigemHerumstreifen in China, Thailand und Laos schließlich2002 Südkorea erreichte, gilt als „aus Nordkoreageflüchteter Maler Nr. 1“. Doch anders als andere floher nicht geplant und aus Abneigung gegen das Regime.Als Kind war er im Jugendverband und dank seinesdreijährigen Studiums an einer Kunsthochschule konnteer während seines Wehrdienstes als Propagandamalerarbeiten. Zur Flucht kam es per Zufall: Um sich überWasser halten zu können, war er vorübergehend nachChina gegangen, um dort mit allen möglichen Jobsetwas Geld zu verdienen. Gerade zu dieser Zeit standenWahlen in Nordkorea an. Jeder Nordkoreaner ist zumUrnengang verpflichtet und jeder, der diese Pflicht verletzt,wird als politischer Verbrecher angesehen und zurStrafe in ein Arbeitslager geschickt. Sun Mu, der keineMöglichkeit sah, es noch rechtzeitig bis zum Wahltagnach Hause in die Provinz Hwanghae-do, eine Regionweit ab von der nordkoreanisch-chinesischen Grenze,zu schaffen, beschloss, Nordkorea für immer zu ver-lassen. Bis zu einem gewissenGrade dürfte auch das bessereLeben in Südkorea, über das erin China etwas erfahren hatte,zu dieser Entscheidung beigetragenhaben.

In Seoul schrieb er sich an derKunsthochschule der HongikUniversity ein, wo er einenMaster-Abschluss machte undprofessioneller Maler wurde.Er begann den Künstlernamen„Sun Mu“ („Keine Linie“)zu benutzen, ein Ausdruck seinerHoffnung, dass die Grenzezwischen Nord- und Südkoreaeines Tages verschwindenwürde. Aus Sorge, dass seinenoch in Nordkorea lebendenFamilienmitglieder und Verwandtenseinetwegen leidenkönnten, gibt er bis heute seinenwirklichen Namen nichtpreis und verbirgt in der Öffentlichkeitsein Gesicht hinterSchirmmütze und Sonnenbrille.Sun Mus Werke zeichnen sichv.a. durch schneidende Kritikan der nordkoreanischenFührung und dem sozialistischenSystem des Landes aus.Scheinbar heiter und fröhlichin einem Pop-Art-Stil, der vonder nordkoreanischen Propagandakunstbeeinflusst ist, sindseine Bilder auf indirekte – undvernichtende – Weise subversiv,wie z.B. an Kim Jong-il inAdidas und Jesus in Korea zu sehen ist.

Sun Mus paradoxe Darstellung der nordkoreanischen Realität hat auch die Aufmerksamkeitder internationalen Kunstwelt erregt. Bislang hat er zweimal inNew York, zweimal in Berlin und jeweils einmal in Jerusalem, Oslo und Melbourneausgestellt. 2016 wird er an einer Gruppenausstellung in Frankreichteilnehmen. Die westlichen Medien haben Sun Mu den Beinamen „Maler ohneGesicht“ gegeben und zollen seinen Werken Beachtung: Es sind Arbeiten, diedie nordkoreanischen Führer verspotten, die Sun Mu als Götter zu verehrenerzogen worden war.

Doku I am Sun Mu

In vielen von Sun Mus jüngsten Werken sind Szenen des Lebens in Nord undSüd, Menschen, Dinge oder Ereignisse als Parallelen Seite an Seite festgehalten.Damit drückt er seinen unerschütterlichen Wunsch nach Frieden, Versöhnungund Koexistenz aus. Er versucht, die speziellen Gegebenheiten der Teilungund die Realität Nordkoreas durch die Linse der künstlerischen Hinterfragungzu betrachten, wobei er von politischer Propaganda Abstand hält. Ermöchte nicht noch einmal der Ideologie zum Opfer fallen, sagt er.

Um die Werke von Sun Mu zu verstehen, muss man über simplifizierende Interpretationenhinausgehen. Denn er brachte seine Erfahrungen und Emotionenauf die Leinwand, während er eine ideologische Verwirrung zwischen zwei völligunterschiedlichen politischen Systemen durchmachte. Obwohl er jetzt schonseit 14 Jahren in Südkorea lebt, ist die Anpassung an das andere Umfeld für ihnimmer noch nicht leicht. Oft passiert es, dass er im Traum noch im Norden lebt,um dann aufzuwachen, und sich, zurück in der Realität seines Lebens in Südkorea,verloren zu fühlen.

Auf dem Platz von Sun Mu, 2015, Öl auf Leinwand,160cm x 130 cm

Der Dokumentarfilm I Am Sun Mu, der das 7. Internationale DMZ-Dokumentarfilmfestivalim September 2015 eröffnete, lässt den Künstler mit einem Blickerfassen. Die 87-minütige Doku des amerikanischen Regisseurs Adam Sjöberg(geb. 1985) wirft Licht auf Leben und Kunstwelt von Sun Mu und zeigt auf, waser durch seine Kunst zu bewirken erhofft.

Der Film beschreibt, wie seine Soloausstellung in Peking im Jahr 2014 im letztenMoment ins Wasser fiel. Am Tag der Eröffnung versperrten Polizeibeamteden Eingang zur Galerie in der Pekinger Innenstadt. Ein großes Werbeplakatund alle Exponate wurden entfernt und beschlagnahmt. Die Bilder befindensich heute immer noch in Peking. Mit seinen Werken, die hauptsächlich in Rot,Weiß und Blau, den Farben der Nationalflaggen der Teilnehmerländer der festgefahrenenSechser-Gespräche über das nordkoreanische Atomprogramm,gehalten waren, wollte Sun Mu den Wunsch des koreanischen Volkes nachWiedervereinigung vermitteln.

„Aus Sicherheitsgründen wollte ich sowieso nicht zur Eröffnung gehen. Alsmeine Ausstellung dann abgesagt wurde, hatte ich wirklich Angst, nach Nordkoreaverschleppt zu werden und meine Frau und meine beiden Töchterzurücklassen zu müssen.“

Die Augen dieses im Abseits lebenden Künstlers sind stets auf eine offene Weltgerichtet: „Als ich wegen meiner Ausstellung in New York war, wurde mir nochmalsbewusst, dass es auf der Welt nicht nur Nord- und Südkorea gibt, sondernauch Länder im Nahen Osten, in

Afrika, Lateinamerika und Europa. Ich möchteWerke über das Leben der Menschen dort schaffen.“

Zieh deine Kleider aus

Auch die Werke des Pop-Künstlers Song Byeok kritisieren und satirisieren daspolitische System Nordkoreas. Wie Sun Mu stammt auch er aus der ProvinzHwanghae-do und benutzt mit „Song Byeok“ ebenfalls ein Alias. Doch andersals Sun Mu engagiert sich Song Byeok in der Öffentlichkeit, sodass sein Gesichtrelativ bekannt ist.

Zu seinen repräsentativen Werken gehört die Verfremdungdes berühmten Posters zum Film Das verflixte7. Jahr: Das Gesicht von Marilyn Monroe, die ihr vomWind aus dem U-Bahn-Schacht hochgewehtes Kleidfesthält, wurde dabei gegen das von Kim Jong-il ausgetauscht.Der Titel von Song Byeoks Werk – Zieh deineKleider aus – ist eine Aufforderung an Nordkorea, sichnach außen zu öffnen.

In Songs Arbeiten erscheinen oft Tauben und Schmetterlinge,die seinen Worten nach „den Traum von Freiheit,der tief in den Herzen der Nordkoreaner verborgenschlummert“ symbolisieren.

Song Byeok hatte in Nordkorea sieben Jahre lang Propagandaplakategemalt, bevor er flüchtete, um demHunger zu entkommen. Sein erster Fluchtversuch imAugust 2000 missglückte. Sein Vater, der ihn begleitete,ertrank in der reißenden Strömung des in der Regenzeitangeschwollenen Flusses Tumen, während Songselbst von der Grenzpolizei verhaftet wurde. Im Gefängnismusste er Zwangsarbeit leisten und verlor dabeidas oberste Glied seines rechten Zeigefingers, der füreinen Maler lebenswichtig ist. Nach seiner Freilassung

Song Byeok bei der Arbeit in seinem Studio.

wagte er 2001 erneut die Flucht. 2002 kam er überChina nach Südkorea. 2005 erreichte ihn die traurigeNachricht vom Tode seiner Mutter. Zwei Jahre späterverhalf er seiner jüngsten Schwester zur Flucht.

Nach Abschluss seines Kunstpädagogik-Studiums amCollege of Education der Kongju National University imJahr 2007 schrieb er sich für den Master-Studiengangin Asiatischer Malerei an der Hongik University ein. Umseinen Lebensunterhalt zu verdienen, übernahm erallerlei Handlanger-Arbeiten.

2011 hielt er im Seouler Viertel Insa-dong seine ersteSolo-Ausstellung unter dem Titel Ewige Flucht, ewigeFreiheit und eröffnete danach allein in den USA dreiAusstellungen. Die 2012 in Washington veranstalteteAusstellung wurde von einer Reihe prominenter Persönlichkeitenbesucht, darunter Robert King, US-Gesandter

für Menschenrechtsangelegenheiten in Nordkorea,und Kathleen Stephens, ehemalige US-Botschafterinin Südkorea. Auch wichtige internationaleMedien wie CNN, BBC und NHK berichteten darüber. Inden USA wurde Song sogar von Universitäten im ganzenLand zu Gastvorträgen eingeladen.

Im Oktober 2015 veranstaltete er anlässlich des 25.Jahrestages der Deutschen Einheit in Frankfurt eineAusstellung, auf der u.a. Werke wie Kim Jong-un undMarilyn Monroe die Aufmerksamkeit der Medien erregte.Für September 2016 ist eine Ausstellung an derehemaligen innerdeutschen Grenze geplant.

Song Byeok sagt, dass er mehr sein möchte als nurein auf Nordkorea spezialisierter Künstler. Er möchtenicht nur den Nordkoreanern, sondern allen Menschender Welt, die unter Hunger und Unterdrückung leiden,durch seine Kunst Hoffnung und Frieden schenken.Folgende handschriftliche Notiz auf dem Tisch in seinemAtelier zieht die Aufmerksamkeit auf sich: „Unterwirfdich nicht der Realität; fordere die Welt heraus undgehe deinen eigenen Weg, beständig und ohne stehenzu bleiben“.

 

Um die Werke des Künstlers Sun Mu zu verstehen, muss man über simplifizierende Interpretationenhinausgehen. Obwohl er jetzt schon seit 14 Jahren in Südkorea lebt, ist die Anpassung an das andereUmfeld für ihn immer noch nicht leicht. Oft passiert es, dass er im Traum noch im Norden lebt, umdann aufzuwachen, und sich, zurück in der Realität seines Lebens in Südkorea, verloren zu fühlen.

Durch die Kunst zueinander finden

Kang Jin-myung (1953-2010), der älteste unter dennach Süden geflüchteten nordkoreanischen Malern,war bereits schwer krank, als er zehn Jahre nach seiner1999 begonnen Odysee endlich in Südkorea ankam.Auch er hatte im Norden propagandistische Bildergemalt, bevor er nach Qingdao in China floh, wo er alskoreanischstämmiger Chinese getarnt in einer voneinem Koreaner geführten Accessoire-Fabrik arbeitete.Als Maler gehörte er zur Elite seiner Zunft: Nach demKunststudium in Pjöngjang war er als Künstler für dasMinisterium für die Streitkräftedes Volkes und als Hochschul-Professor aktiv.

Seine erste Soloausstellungmit 70 Werken, die die natürlichenLandschaften von SüdundNordkorea zeigen, fandim Februar 2010 in Insa-dongin Seoul statt. Kang verstarbjedoch bereits einen Monatspäter im Alter von nur 57 Jahrenan Leberkrebs. Auch nochwährend der Chemotherapiehatte er Tag und Nacht an denGemälden für seine Ausstellung gearbeitet. Immer wieder sagte er mit Bedauern:„Ich möchte mich zwar voll und ganz der Kunst widmen, bis unsere Nationendlich wieder vereint ist, aber mein Körper macht nicht mit.“

„In den 1970er und 80er Jahren, als ich meine Karriere als Künstler begann,war die Wirtschaftslage im Norden noch gut. Ich wurde gut bezahlt und dasLeben war nicht so hart. Aber es gab keine Freiheit. Für einen Künstler ist dasFehlen der kreativen Freiheit ungeheuer schmerzhaft.“ Das Thema seiner erstenund zugleich letzten Ausstellung war „Auf der Suche nach der ersehntenFreiheit“. Sein Ölgemälde Die Wellen der Freiheit bezeugt, wie innig Kang dieFreiheit ersehnte. Aus Angst vor Vergeltungsmaßnahmen des Nordens mussteer eine ganze Zeit unter dem Decknamen „Kang Ho“ leben.

Kangs Worte spiegeln seinen innigen Wunsch nach der WiedervereinigungKoreas wider: „Kultur und Kunst sind Bereiche, in denen der Norden und derSüden über die Ideologien hinaus eins werden können. Wenn Nord- und Südkoreamithilfe der Kunst nach Gemeinsamkeiten suchen und sich auf dieserGrundlage annähern, dann, denke ich, wird der Tag der friedlichen Wiedervereinigungein Stück näher rücken.“

Von Freiheit träumen von Song Byeok, 2013, Acrylfarbeauf dickem Reispapier, 82cm x 110cm

Kim Hak-soonJournalist, Gastprofessor, Korea University

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